Interview mit Gerhard Pollheide

 

Gerhard Pollheide; ehemals Banker und Unternehmensberater; ist auch Künstler, Schriftsteller und Koch mit eigenem Restaurant in Andalusien. Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller. Bisher wurden 12 Bücher von ihm verlegt. Reich-Ranicki, der seine ersten drei lyrischen Bücher las, verglich ihn in Passagen mit Heine, andere mit Kästner. Das Literaturarchiv des Landes NRW hat den Vorlass des Autors erworben. Er studiert seit vielen Jahren die indianische Mythologie und das Bewusstsein, liebt die Vielfalt, die Meere, die Bäume, den Frieden, das Große Ganze und die Liebe. Ausstellungen, Lesungen im In- und Ausland.

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Nein. Ich schreibe ja, um zu schreiben und weil ich etwas zu sagen habe. Außerdem haben von den über Hunderttausend Neuerscheinungen weit mehr als 90 % rein gar nichts mit ernsthaf-ter Literatur zu tun. Da geht es häufig ums eigene Ego oder allein um den wirtschaftlichen Erfolg; sprich: „Die Bücher werden hochgeputscht und gleich wieder vergessen!“ Damit will ich mich nicht vergleichen – obwohl natürlich wirtschaftlicher Erfolg wichtig ist.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnhei-ten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Ach, mein Gott, soll es diese Listen doch geben. Ich halte sie nicht für so wichtig, zumal sie keine Maßstäbe für Qualität sind. Als erster Maßstab wird dort verlangt, dass es sich um Hardcover Bücher handelt, die rund herum einen 3 mm überstehenden Rand haben… Mehr will ich dazu aber auch nicht sagen.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Das kenne ich auch alles. Aber ich rege mich nicht mehr darüber auf. Ich weiß, dass solche Dinge kommen – aber auch wieder gehen. Und dann geht’s wieder weiter. Wenn meine Kreativität verschüttet ist, nutze ich diese Zeit, um mich meiner Arbeit im Bereich der Bildenden Kunst zu widmen – oder ich setze mich einfach in die herrliche Wintersonne meiner andalusischen Wahlheimat, trinke einen Wein und lese vielleicht einen Krimi, der in meinem Heimat-kreis (Minden-Lübbecke) spielt.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Ja, dieses Medium wird immer wichtiger. Derzeit arbeite ich an vier neuen Büchern und die werde ich natürlich im Internet (Mailinglisten, Facebook, Eigene Homepage) präsentieren. Ich habe dafür auch einen ganz kleinen, neuen Verlag gefunden, der die Bücher verlegt und dessen Gründungsphase bald abgeschlossen ist. Wichtig sind hierbei auch flexible Druckereien, die schnell und auch kleine Auflagen drucken können, um den Markt optimal zu bedienen. Natürlich sind auch Lesungen nötig, die ich in Andalusien, in unserer kleinsten Schaubühne der Welt (sie hat nur 2 m²) durchführe – und des Weiteren bei einer Lesereise, die ich ab November diesen Jahres in Deutschland antreten werde. Wir alle müssen also neue Wege gehen. So ist nun mal die Evolution, die auch vor diesem Gewerbe nicht Halt macht.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Lesungen, Mailinglisten, Internet, Facebook. Natürlich auch auf die lokale und wenn möglich überregionale Presse. Wenn es gelingen sollte, seine Bücher im Fernsehen zu präsentieren, zum Beispiel über eine gute Rezension, ist das noch viel besser.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Beeinflusst haben mich viele Schriftsteller. Man selbst kommt oft gar nicht darauf. So verglich mich seinerzeit Marcel Reich-Ranicki, der meine ersten drei lyrischen Bücher las, in Passagen meines Werkes mit Heinrich Heine, andere erinnerte ich an Erich Kästner, auch an Sarah Kirsch und wieder andere, insbesondere mit meinen „Isenstedter Geschichten“ an Siegfried Lenz („So zärtlich war Suleyken“). Mir ist das aber nicht so wichtig und ich kann das auch nicht beurtei-len. Man wird eben immer beeinflusst – ob man will oder nicht. Wichtig ist, sich selbst treu zu bleiben und seinen Stil zu finden und weiter zu verbessern. Sonst wird man nur „Abklatsch“. Inspiriert werde ich vom Leben, von der Liebe, der Natur, von der Gesellschaft und von der Politik. Das sind meine Felder, die ich beackere.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Das ist eine schwierige Frage; aber ich glaube, dass hat sehr viel mit Standesdünkel zu tun. Man schmückt sich eben gerne mit den bekannten Autoren. Das ist ja auch viel einfacher, als sich intensiv mit Newcomern zu beschäftigen, die aber vielleicht viel mehr zu sagen haben. Wenn ich an meinen neuen Roman „Wir Suchenden“ denke, an dem ich über 29 Jahre gearbeitet habe oder an meine politischen Streitschriften aus den letzten vierzig Jahren in meinem neuen Buch „Deutschland ist für mich wie seine Flagge…“, dann wäre für beide Bücher eine Rezension in den großen Feuilletons wichtig und notwendig.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Wenn Anfänger beschließen, ein Buch zu schreiben, sollen sie gar nicht erst anfangen. Das dient meist nur der Befriedigung des eigenen Egos. Wenn sie beschließen Schriftsteller zu werden, dann mit ganzem Herzblut. Da geht oft vieles bei drauf: Ehe, Familie, Arbeitsplatz etc. pp., um nur einiges zu benennen. Wenn sie bereit sind, alles zu geben für die Schriftstellerei, dann sollen sie anfangen. Es wird ein sehr steiniger Weg – der nicht von Erfolg gekrönt sein muss. Aber er ist ein wunderbarer Weg, durch das Schreiben immer wieder ein neues Stück seines Ich´s zu finden.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Nein – bzw. nur einmal: Ich wurde über meine Herkunft belogen. Als ich diese erforschte, kam so Vieles hoch, was ich erst verarbeiten musste. Dieses zu beschreiben, machte mir Angst. Es ist mir nach 29 langen Jahren jetzt in meinem Roman „Wir Suchenden“ gelungen.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Ich bin ein politischer Mensch und viele meiner Bücher sind auch politisch. Wenn wir, als Schriftsteller, uns politischer Themen, gleich welcher Art, nicht annehmen, wer sollte es dann tun? Insbesondere habe ich mich in meinem Roman „Wir Suchenden“ ausführlich auch mit diesen Themen beschäftigt und natürlich auch in meinen politischen Streitschriften „Deutschland ist für mich wie seine Flagge“. Ich erwarte von allen Schriftstellern oder Künstlern sich dieser Themen anzunehmen und Utopien zu entwickeln, die unsere Welt-Gesellschaften ein wenig mehr in für alle lebenswertere Richtungen führen bzw. verändern.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Ich schreibe, wenn ich schreiben muss – heißt: Es schreibt mich! Ich habe wenig Einfluss auf die Situationen. Gleiches gilt für meine Bildende Kunst. Da ist so Vieles in mir drin, was aufgebaut wird aus den täglichen Erfahrungen vielfältigster Art, dass sich dann Raum verschafft, wenn es raus muss. Das ist das ganze Geheimnis.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

a) Wir Suchenden… – In Isenstedt und anderswo -, Roman, 562 Seiten, 24,90 €
b) Deutschland ist für mich wie seine Flagge… Ausgewählte politische Lieder und Streit-schriften aus vier Jahrzehnten in, an und nach Deutschland in Lyrik und Prosa, 296 Sei-ten, 18,90 €
c) Du kamst übern Sand… Ausgewählte Liebesgedichte und Erotik aus vier Jahrzehnten, 160 Seiten, 13,90 €
d) Das Wetter schlägt um… Ausgewählte Lyrik aus vier Jahrzehnten, 134 Seiten, 13,90 €

Die Bücher erscheinen im März 2015, können schon jetzt bei mir bestellt werden und vielleicht findet sich ja aufgrund dieses Interviews auch noch ein größerer Verlag, der an einer Veröf-fentlichung interessiert ist; insbesondere vielleicht aber ein oder mehrere Kritiker größerer Feuilletons, die Rezensionsexemplare anfordern.

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.


 

Gerhard Pollheide im www