Interview mit Gudrun Mebs

 

Gudrun Mebs Foto

Gudrun Mebs Foto © Fabiano Busdraghi

Gudrun Mebs arbeitete jahrelang als Schauspielerin im Theater, ehe sie 1980 aus Langeweile zu schreiben begann.
Seitdem sind viele Bücher entstanden, Drehbücher, Radiogeschichten, Hörspiele. Auszeichnungen durfte sie auch einheimsen, u.a. Deutscher Jugendbuchpreis, Bundesverdienstkreuz, Bayerischer Verdienstorden. Ihre Lesereisen im Frühjahr und im Herbst führen sie quer durch Europa bis nach Brasilien und Russland. Heute lebt sie in München und in Italien mit Mann und vielen Katzen.

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Aber nein, ich werde mich hüten. Zudem denke ich, ein gutes Buch findet seinen Weg, und wenn’s nichts taugt, Pech gehabt.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Tja, sie mögen nützlich sein, keine Ahnung. Jedoch, ich bezweifle es, oft findet man da zuviel Schrott, jedenfalls mir geht es so.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Auf so ein Rezept warte ich schon lange … ich übe mich halt zähneknirschend in Geduld und hocke unverbrüchlich dennoch täglich am Schreibtisch, auch wenn’s nicht läuft. Da bricht dann die große Langeweile aus, und die ist tatsächlich nach Wochen kreativ. Bislang war es so, möge es so bleiben.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Gar keine! Die Lesereisen im In- und Ausland genügen mir vollkommen und offensichtlich meinen Büchern auch.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Stilistisch von Thomas Bernhard und Irmgard Keun. Aber inspiriert? Nein, meine Sprache musste ich selber finden. Zudem halte ich den Begriff Inspiration für überschätzt, mich ereilt sie jedenfalls nie. Ich setze auf Hartnäckigkeit und Disziplin.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Nun, so ganz stimmt das nicht, denn im Radio, SWR 2 und Deutschlandfunk zum Beispiel, werden sehr oft Debut-Romane besprochen. Leider bleibt es ebenso oft beim Debut … da hilft nur eines, der Newcomer muss sich auf den Hosenboden setzen und die besseren Bücher schreiben. Ich bin leider ziemlich gnadenlos.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Nun, offenbar hatte ich keine Anfängerfehler, denn mein erstes Manuskript wurde sofort bei einem der führenden Kinderbuch-Verlage gedruckt und weiter Buch für Buch ging es da. Hatte ich einfach Glück? Hatte ich einen neuen Ton getroffen? Schon für’s zweite Buch gab’s den Jugendliteraturpreis, schon wieder Glück. Der war die Bestätigung für den Verlag, und den Buchhandel. Mich hat’s gefreut natürlich, aber beim Schreiben haben mir alle Auszeichnungen, die dann noch rappelten, nicht geholfen. Einem Neuling würde ich raten, bloß nicht auf die Öffentlichkeit zu schielen, sondern sich in die Solitudine begeben und sich voll und ganz und ohne Reinquatscherei von außen auf sein Manus zu konzentrieren. Dann ab zum Verlag (oder Agenten, wie es heute ja üblich ist) und Daumen drücken.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Nun, gäbe es für mich solche Themen oder Situationen, dann würde ich sie nicht schreiben, so simpel ist das.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Wichtige Themen, gewiss. Da erwarte ich vom Autor Kompetenz, Sachlichkeit, und eine Portion Empathie. Da möchte ich als Leser schon wissen, wo er steht.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Ich bin ein strenger Chef! Punkt Vier geht es an die Schreibmaschine (ja, richtig gelesen, meine gute schöne rote Valentine von Olivetti, ich brauche das Handwerksgeräusch und das sofort lesbare Papier). Und um 20 Uhr darf ich wieder aufstehen. Und das jeden Tag, wenn ich nicht auf Lesereisen bin. Hat sich bewährt, diese Routine.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Über mein aktuelles Projekt kann ich plappern, es liegt ja quasi in den letzten Zügen und ist längst vom Verlag „gekauft“. Nachdem ich drei Bücher mit meinem engen Freund Prof. Harald Lesch auf seinen Wunsch geschrieben habe, hocke ich jetzt am Buch Nummer vier. Zuerst ging es um die Astronomie, dann um die Philosophie, dann um die Evolution und jetzt hocke ich an der Mathematik. Er hat mir per CD die Sachtexte erzählt, dauerte jeweils genau eine Stunde. Ich habe die Kindergeschichte drumherum geschrieben, dauerte jeweils genau ein Jahr. Die Zusammenarbeit läuft ideal! Ich brüte in aller Ruhe ungestört, Lesch hat dann das Sachlektorat, und ab geht’s in den Verlag. Und das dortige Lektorat war bislang hochzufrieden, nix wird geändert. So bin ich’s gewohnt, so soll es sein, Ja, das sagt eine, die einfach Glück gehabt hat und kein Mensch weiß genau, worin dieses Glück besteht, ich auch nicht.

Fabelhafte Bücher: Mit bedanken uns herzlich für das Gespräch.