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(c) 2014 by Jana Duwald

Frank Duwalds Passion sind außergewöhnliche Bücher, gerne auch aus dem „dunklen“ Genre zwischen Bram Stocker und Edgar Allan Poe. Seine Leidenschaft kommt uns allen bei einer Tätigkeit zugute, die er seit April 2013 für seine Leser ausübt: Dem fleißigen Rezensieren auf seinem Blog dandelion | abseitige Literatur. Frank liebt das echte, gedruckte Buch, nicht das eBook – da ist er sich sicher. „Das Gefühl, ein neues Buch zu öffnen, das Knistern zu hören und den typischen Buchgeruch zu riechen, ist durch keine Technik dieser Welt ersetzbar„, vertraute er einmal Steglitzmind in einem Interview an. Beim Rezensieren gibt es für den Herausgeber des Buches Jonathan Carroll – Schwarze Systeme der Romantik eigentlich nur zwei Klassifizierungen: Gut und schlecht. Für Beste Bücher beantwortet er die vier Fragen:

Beste Bücher: „Ich liebe Klassiker der Literatur, weil…“

Frank Duwald: … ich der Meinung bin, dass die alten Jungs und Mädels Fähigkeiten hatten, die heute beinahe ausgestorben sind, genauso wie heute kein Mensch mehr den Kölner Dom entwerfen und bauen könnte. Es scheint mir, dass die Gedanken der klassischen Autoren viel freier waren als die moderner Autoren. Der letzte Klassiker, den ich kürzlich gelesen habe, war Das Haus mit den sieben Giebeln von Nathaniel Hawthorne. Während des Lesens ist mir klar geworden, dass es für einen modernen Autor unmodern wäre, die erste Hälfte des Buches derart gemütlich beinahe ausschließlich dafür zu nutzen, die liebenswerten Außenseiter-Charaktere vorzustellen. Diese Ausführlichkeit und Gemächlichkeit schafft eine Atmosphäre, wie sie heute nur noch wenige Autoren beschreiben können. Außerdem mag ich die oft den Klassikern innewohnende Dramatik, die wahrscheinlich gerade in der ausführlichen Vorbereitung ihre Wurzeln hat. Eine der wenigen modernen Autoren, die all das auch heute noch beherrschen, ist Sarah Waters, beispielsweise mit ihrem Roman Der Besucher.

Beste Bücher: “Bücher bedeuten für mich…”

Frank Duwald: … Überleben. Ich könnte nicht ohne Bücher leben. Ich nutze jede freie Minute zum Lesen (und Schreiben). Wenn ich weiß, dass ich irgendwo warten muss, nehme ich ein Buch mit. Ich lese jeden Tag. Und wenn es nur eine Seite ist. Bücher haben mich in großem Ausmaß zu dem gemacht, der ich heute bin. Wie arm wäre das Leben für mich ohne Bücher?

Beste Bücher: “Wenn ich auf einer einsamen Insel strande, und mir eine Bücher-Fee drei Buchwünsche freistellt, dann wünsche ich mir…”

Frank Duwald: Wenn ich schon das Glück hätte, einer Bücherfee zu begegnen, würde ich die Situation insofern auszuschöpfen als ich mir nicht einfach nur bereits existierende Bücher wünschen würde, sondern deutsche Übersetzungen, die es noch nicht gibt. Ich würde mir eine komplette deutsche Übersetzung der definitiven Fassung des vierbändigen Mega-Romans Ægypt von John Crowley wünschen, einer geheimen magischen Historie der Welt. Wunsch Nr. 2 wäre eine deutsche Übersetzung aller noch nicht auf Deutsch erschienenen Romane, Novellen, Erzählungen und Autobiographien von Arthur Machen. Für den dritten Wunsch bräuchte die Bücherfee nur in einem Antiquariat die traumhaft schöne Hardcover-Ausgabe von John Crowleys Little Big aufstöbern.

Beste Bücher: “Was ich von Literaturbestenlisten und Bestseller-Rankings halte? Folgendes…”

Frank Duwald: Ich liebe Literaturbestenlisten, egal ob „die besten Bücher aller Zeiten“, „die besten Klassiker“, „die besten phantastischen Romane“ usw. Ich sehe sie aber niemals als „Besten“-Listen an, denn dafür ist eine solche Liste zwangsläufig zu subjektiv. Aber ich habe schon aus solchen Listen sehr viele Empfehlungen für mich persönlich gefunden, die ich sonst nie entdeckt hätte. Ich studiere auch regelmäßig englischsprachige „Recommended Reading“-Listen. So halte ich mich auf dem Laufenden über aufgefallene Romane, die vielleicht schon ein paar Jahre später in Übersetzung bei deutschen Verlagen auftauchen. Was mich an diesen Top-Listen aus dem deutschen Feuilleton allerdings stört, ist die Vernachlässigung von Autorinnen.

Mir fällt immer wieder auf, dass Autorinnen wie z.B. Mary Shelley oder Charlotte Brontë regelmäßig von diesen Gremien ignoriert werden. Außerdem stört mich an deutschen Literaturbestenlisten oft diese Mischung aus Mutlosigkeit und Unkenntnis. Die Autoren, die man auf diesen Listen findet, sind meist sowieso schon weltberühmt, und eine Nennung birgt kein Diskussionsrisiko. Da sind vergleichbare Listen aus dem anglo-amerikanischen Raum zum Teil sehr viel mutiger und kenntnisreicher. In Deutschland wäre es unmöglich, dass ein unbekannter aber begnadeter Autor wie John Crowley – wie in den USA von Harold Bloom in seinem „Western Canon“ – direkt neben Hemingway und Fitzgerald gestellt würde. Gar nicht interessant sind für mich Bestseller-Listen. Ich schreibe über eher abseitige Romane und Erzählungen, die auf solchen Listen niemals auftauchen. Überhaupt ist mir der Massengeschmack meist zu gewöhnlich, was aber nicht zwangsläufig heißt, dass nicht auch in den Bestsellerlisten qualitativ Hochwertiges schlummern kann.

Beste Bücher: Vielen Dank für Deine Zeit

 

Redaktion von Beste Bücher