Rezension von Marion

Dieser Roman von Chris Kraus hat es in sich. Mit gewaltigen 1168 Seiten fordert „Das kalte Blut“ dem Leser eine gehörige Portion an Durchhaltevermögen ab. Hört sich schlimmer an als es ist, denn nach wenigen Seiten hatte die Handlung mich gepackt. Der Sprachstil ist sehr wortgewaltig, fesselt von der ersten bis zur letzten Seite.

Der Roman befasst sich mit der Geschichte der zwei Brüder, Konstantin und Hubert. Deren Leben, deren Liebesgeschichte gespickt mit interessanter Spionage. Schauplatz ist vorrangig der zweite Weltkrieg.  Konstantin Solm, genannt Koja, und sein Bruder Hubert wachsen in Riga gemeinsam auf. Die Zeit zuvor in Estland gehört der Vergangenheit an. Sie sehen sich mit allem was dazugehört als Deutsche. Zu Beginn des Krieges gerät ihre ansonsten beschauliche Welt aus den Fugen. Sie schließen sich einer geheimen Bewegung an, die ihren Grundstein zum Agentendasein legt. Die beiden werden schon bald Mitglied in der SS. Hubert ist dort sehr erfolgreich und zieht seinen jüngeren Brüder Konstantin mit sich.

Nach Kriegsende ziehen die zwei Vorteile aus ihrem Wissen während dieser Zeit. Die Allierten haben Verwendung für das Wissen, was die beiden gesammelt haben. Koja fungiert für den Geheimdienst, bald schon für mehrere Mächte, ein riskantes Spiel. Was für den einen Erfolg bedeutet, ist für den anderen eher ein Abstieg. Dies belastet die Beziehung der Brüder, aus der früheren Verbundenheit ist mittlerweile so was wie Hass geworden.

Doch dieser Roman bietet dem Leser nicht nur eine Spionagegeschichte. Auch die Liebe spielt eine große Rolle, in Form von der jüdischen Eve. Die damals in der Familie Solm aufgenommen wurde, als diese noch in Estland lebte. Sie soll später zwischen den Brüder stehen, indem sie zwar Hubert heiratet, Koja aber dennoch liebt. Die berühmte Dreiecksbeziehung nimmt auch hier seinen Lauf. Wie man sich denken an, zehrt dies zusätzlich an den kaum noch vorhanden Banden der Geschwister. Etwas Ruhe kehrt ein, als Koja die Russin Maja kennenlernt. Doch auch diese Bindung gestaltet sich durch die Situation sehr schwierig.

Ein auf und ab zwischen Spionage und Liebe. Der Leser wird durch viele Jahre der deutschen Geschichte begleitet. Ein Epos, dass mich fasziniert hat. Was sicherlich dem Erzählstil des Autors geschuldet ist. Chris Kraus wohnt in Göttingen und legte mit „Das kalte Blut“ seinen zweiten Roman vor. Ein Autor, den ich definitiv im Auge behalten werde! Ein Toptitel aus dem Hause Diogenes, immer wieder ein Garant für hochkarätige Literatur.