Rezension von Silvia

Anne Fulda, französische Journalistin und Mitarbeiterin an der neben Le Monde wichtigsten Tageszeitung Frankreichs, dem Figaro, hat im April 2017 die erste Biografie zu Emmanuel Macron veröffentlicht. Dieser war zu diesem Zeitpunkt zwar als Kandidat in aller Munde, aber noch nicht französischer Präsident. Deshalb wurde der deutschen Übersetzung vom Mai 2017, erschienen im Aufbau-Verlag, um die sich vier Übersetzer gleichzeitig verdient machten, ein Vorwort der deutschen Autorin und Mitarbeiterin am Zeitmagazin, Elisabeth Räther, vorangestellt, in welchem der vielversprechende Präsident Macron assoziativ thematisiert wird.

Die Biographie selbst zeichnet das Leben Macrons von der Geburt 1977 in der französischen Provinz an nach und breitet im Schwerpunkt das umfangreiche Netzwerk an Personen, die den Gymnasiasten, Absolventen der Elite-Verwaltungshochschule ENA, den Direktor im Finanzministerium, Investmentbanker, Amtsleiter im Elyseepalast, Wirtschaftsminister und Präsidentschaftskandidaten förderten und verehrten, vor den Augen des Lesers aus. Einigen Raum nehmen dabei die allseits präsente, 2013 verstorbene Großmutter und deren Vorfahren ein. Die Mutter Macrons wird v.a. in ihrem Lamento, der Einfluss der Ausgangsfamilie auf den Sohn werde von der Öffentlichkeit zu gering geschätzt, dargestellt. Brigitte, seit 2007 Ehefrau Macrons, seine ehemalige Französischlehrerin, die für den 16-Jährigen drei Kinder und eine gesicherte Existenz als Gattin eines Bankers verließ, kommt ebenfalls zu Wort.

Sehr detailliert äußert sich Fulda zu den unzähligen, meist väterlichen Mäzenen Macrons. So erhält man einen interessanten Einblick in das vielschichtige Geflecht an einflussreichen Personen, die die Elite Frankreichs ausmachen. Die Autorin beschreibt Macron als leuchtenden Fixstern, der es versteht, die wirtschaftliche, politische und kulturelle Prominenz Frankreichs mittels Empathie und eines faszinierenden Intellekts an sich zu binden und um sich kreisen zu lassen. Man tut bei der Lektüre allerdings gut daran, die wichtigsten Namen der politischen, philosophischen und literarischen Intellektuellenszene Frankreichs zu kennen, da derartiges Wissen über weite Strecken als selbstverständlich vorausgesetzt wird, um mit den oft beinahe listenartig aufgeführten Namen von Wegbegleitern Macrons etwas anfangen zu können.

Die Präsidentschaftswahl gewonnen hat Macron mit Hilfe dieses Netzwerkes, aber auch mittels seines unbedingten Durchsetzungswillens genauso wie mit dem Anspruch, ein „Anti-System-Kandidat“ zu sein. Umso überraschender ist es in seiner Biographie nachzulesen, wie stark der Sohn zweier Ärzte die Hilfe von Institutionen und Vertretern ebenjenes Systems in Anspruch genommen hat, bis er ins Präsidentenamt gelangte. Er besuchte eine renommierte Jesuitenschule, die Elitehochschule ENA, wurde vom Geldadel wie den Rothschilds ebenso protegiert wie von der Politprominenz um seinen Vorgänger im Präsidentenamt, Hollande.

Der Verlag verspricht in seinen Informationen zum Buch u.a. eine Antwort auf die spannende Frage „Welche Rolle wird er (Macron) für Deutschland und in Europa spielen ?“ Diese Frage bleibt dann aber in der Biographie selbst weithin unbeantwortet. Zu erfahren, was an politisch konkretem Programm Deutschland und Europa von Macron erwarten können, hat die Autorin in den von ihr mit seinen Wegbegleitern geführten Gesprächen wohl auch nicht beabsichtigt. So enthält die Biographie insgesamt wenig Informationen über konkrete inhaltliche Prägungen des charismatischen Präsidentschaftskandidaten. Welche Werte und Lebensanschauungen Macron sich von den ihn umgebenden Personen zu eigen gemacht hat, bleibt bis auf wenige Angaben wie z.B. das von der Großmutter eingeforderte strikte Arbeitsethos oder die an den Enkel weitergegebene Liebe zur Literatur seltsam unklar. Auch Brigitte erscheint lediglich als glühende, von ihm faszinierte Verehrerin und nicht als Lieferantin von politischen Ideen, wie man es doch von einer Frau mit so viel größerer Lebenserfahrung auch erwarten könnte.

Vielmehr scheint Macron gerade die Gönner und Förderer lediglich instrumentalisiert zu haben für seinen unbedingten Karrierewillen. Störend auf einen an sachlichen Informationen interessierten Leser wirkt der bisweilen unangebrachte Plauderton, wenn es z.B. in der Einschätzung über einen wichtigen Chronisten heißt: “So ist Jaques Attali eben – etwas schroff. Er will immer sofort zum Kern der Sache, right to the point“ oder wenn unvermittelt nicht so recht stimmige Anleihen aus dem sicher recht umfangreichen Wissen Fuldas zu Literatur und Filmen eingefügt werden. So beschreibt die Autorin z.B. das Verhalten Macrons gegenüber Francois Hollande mit den Worten: “Er hat ihn, genau wie Anne Baxter ihre ältere Kollegin Bette Davis in Alles über Eve, eingehend beobachtet.“

Die Biographie bietet somit v.a. ein interessantes psychologisierendes Organigramm des Netzwerkes Macron und seiner Entstehung, jedoch ohne den Versuch, vertiefte Informationen zu dessen politischem Programm zu bieten. Man hätte gerne mehr erfahren über die Genese konkreter politischer Zielsetzungen und diese Ziele selbst, die über das bekannte Bekenntnis zu Europa und innerfranzösische Reformen hinausgehen.