Interview mit Claus-Peter Leonhardt

 

(c) Claus-Peter Leonhardt, Fotograf: Peter Unsinn

(c) Claus-Peter Leonhardt, Fotograf: Peter Unsinn

Frankfurter. Geboren 1951. Immer Autor, hunderte Mal Autodafé und Exodus. Parallel zum Studium Gründung einer Buchhandlung in der Provinz. Im Gründungsjahr 1975 von Rechten zerstört, wurde sie über 14 Jahre zur größten Buchhandlung der Region. Danach Dorfentwicklungsplaner, Verleger in eigenen und fremden Verlagen, Chefredakteur, Hochschuldozent für Medien und Wirtschaftspädagogik, Unternehmensberater. Nach langer, schwerer Erkrankung nur noch Autor. Vorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller in Hessen.

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Keineswegs. Jeder Text ist eine eigenständige Arbeit an Sinn und Wort. Dieses Werken gestaltet mich tiefgreifend und in korrespondierender Weise wie ich den Text aus meinem Leben, Denken und Fühlen ausforme.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Wichtig für Buchhändler als Einkaufsberater und für Leser, die nicht auf der Suche nach neuen Entdeckungen sind.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Schlafen. Das Gehirn arbeitet weiter. Laufen. Ich arbeite weiter. Nichts tun. Ich werde wieder und füge mich zusammen. Faulenzen ist eine gute Erfahrung. Sprechen. Wenn ich keinen Dialogpartner finde, suche ich sie mir, indem ich Leserbriefe schreibe oder ein Gespräch auf der Straße provoziere. Die Einsichten in die Seelen sind so bereichernd. Sie geben neue Geschichten.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Schwer zu sagen. Es ist beständige Tätigkeit.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Auf den Text, die eigene Persönlichkeit und gute, dauerhafte Arbeit im Umfeld.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Die Vielzahl passt nicht auf diese Seiten. Marshall McLuhan, Ernst Bloch, Doris Lessing, Max Delbrück, James Joyce, Homer, die enge Zusammenarbeit mit Ervin Laszlo, Paul Valéry, Plato, Musil, das Denken meines Großonkels Birket-Smith, den ich nie kennen lernen durfte, mich in die Ethnologie führte, Pierre Clastres und Diamond, Bruno Snell, das I Ging, Buckminster Fuller…

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Die Lage in den Feuilletons ist durch ökonomische Zwänge und belesene Nichts-sagenheit geprägt.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Das kann ich nicht beantworten, da ich immer noch ein Anfänger bin und beständig Fehler mache.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

In einem Krimi (die unter Leon Fest erscheinen) habe ich eine Sexszene beschrieben, die aus gemeinsamen und intimen Erfahrungen entstand. Meine Beobachtung bei Lesungen ist, dass authentische Beschreibungen der Erotik nicht ankommen, die Menschen fliehen. Entweder obszöne Grautöne oder erwartbare, langweilige Szenen führen zu Kichern und den verschämten Einkauf.
Ich weiß nicht, was Menschen suchen. Schwer fällt mir eine realistische Darstellung des Todes, den ich erlebt habe, und der so anders ist, als ich es jemals lesen konnte.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Dazu gibt es unendlich viel zu sagen und zugleich ist darüber zu schweigen. Die Annäherung an Tabus der Moderne kann tödlich sein. Es sind unfreie Zeiten des Geistes.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Nimmt es mich mit, geht das von 10 Uhr über den Tag bis 2 oder 3 Uhr morgens. Andere Tage quälen mich „Geister“ so peinvoll, bis ich begriffen habe, dass der Text Mist ist. Dann schreibe ich, und falle nach 2 oder drei Stunden um. Manchmal ist es fast tödlich, oft ein Ritt mit den Wolken.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Drei Bücher. Das erste ist ein Essay darüber, durch welche Denkmechanismen und mentale Strukturen Menschen immer wieder so zerstörerisch mit der einzigen Welt umgehen und sich gegenseitig umbringen. Folgt einer wissenschaftlichen Arbeit der 80er Jahre, die ich damals machte. Das zweite ist ein Krimi über eine Leiche, die man in einem 1000 Jahre altem Grab findet. Sie liegt dort erst 50 Jahre. Eine Reise in die Geschichte der Macht und Kathedralen. Das dritte ist ein Roman über die seltsame Chemie des Wasser, der in einem zauberhaften U-Boot beginnt.

Fabelhafte Bücher: Mit bedanken uns herzlich für das Gespräch.


 

Claus-Peter Leonhardt im www