Franco Rest (geb. 20. August 1942 in Ferrara, Italien); Erziehungswissenschaftler, Philosoph, Theologe; Sterbebeistands- und Ethikforscher; Pflegewissenschaftler; seit 1972 Hochschullehrer. Für die Verdienste um seine ehrenamtliche Arbeit (u. a. als Mitbegründer der Hospizbewegung in Deutschland, als Vorstandsmitglied der „Aktion Mehr Menschlichkeit in Krankenhaus und Praxis“, Düsseldorf, und als Direktor der Dietrich Oppenberg Akademie für hospizliche Bildung und Kultur, Wuppertal) 2006 Landesverdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen; 2006 Forschungspreis der Fachhochschule (University of applied sciences) Dortmund für die Hospizforschung. Seit 2003 auch als Schriftsteller, Dichter und Poesietherapeut tätig.

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Nein, ehrlich gesagt nein! Ich schreibe, weil mich etwas reizt, ganz unabhängig davon, ob es je gedruckt wird und vor allem auch nicht orientiert an den Erwartungen der Leserschaft bzw. verlegerischer Lektorate. Allerdings kommt es auch vor, dass ich unmittelbar gebeten werde, etwas Bestimmtes zu schreiben. Dann hat der Anfragende das Problem der „Konkurrenz“.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise  die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Weder lese ich sie noch orientiere ich mich an ihnen. Sie bedienen m. E. zu sehr die Ökonomie und den Durchschnittsgeschmack. Ich schreibe für „erlesene“ Leser und eher in Genre-Lücken, also z.B. zwischen Sachbuch, Wissenschaft, Roman, Lyrik. Meine Bücher passen nicht in eine Bestsellerliste.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Es wird behauptet, dies sei üblicherweise so. Ich bezweifle das. Ich schreibe, wenn mir danach ist, und ich pausiere, wenn ich pausieren will. Ich unterwerfe mich keinem Schreibzwang. Eher leide ich an so etwas wie „Tinten-Inkontinenz“, soll heißen, es fließt und ich kann manchmal einfach nicht an mich halten. Dann lasse ich es auch laufen oder nutze saugfähige Windeln bzw. Vorlagen, soll heißen, ich habe Schränke für Schreibablagen, bewusst unvollendeter „Werke“. Beispielsweise setze ich z.Zt. oftmals die Priorität, mich um meine schwerkranke Frau zu kümmern, und das „Geschreibsel“ dem Computer zu überlassen.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Bisher nahezu keine. Ich habe eine eigene Website. Im Übrigen hoffe ich irgendwann (vielleicht nach meinem Tod) „entdeckt“ zu werden. Da ich nicht vom Schreiben leben muss, sind mir Verkaufszahlen eher widerwillig. Besonders Lyrik braucht Lesungen. Da ich jedoch „hauptberuflich“ pflegender Angehöriger bin, kommt es kaum zu Lesungen. Zudem beobachte ich, dass durch Slamisierung (Poetry-Slams) die ernsthafte Lyrik im Leben der Menschen nur noch durch Vereinzelung rezipiert wird.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Wie ich bereits schrieb, interessiert mich nicht das Marketing. Entweder der Verlag sorgt für den Bekanntheitsgrad oder man findet eines Tages die „unverkäuflichen Bücher des ach so unbeachtet gestorbenen Schriftstellers…“

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Inspiration finde ich einerseits bei den „Alten“ (wie Rilke, Hesse, Heine, Fontane, Novalis) oder bei den Alltagsmenschen, den Nicht-Schriftstellern. Am meisten beeinflusst hat mich meine Frau, so lange sie noch in der Lage war, mich zu kritisieren. Manchmal schließe ich die Augen und höre dann Gespräche von mir völlig unbekannten Kollegen, die sich über meine Werke unterhalten… Das ist sehr lehrreich.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Wie Ihre Fragen schon nahe legen, ist auch der Kulturbetrieb maßlos korrumpiert und verkapitalisiert. Vermutlich müssen Newcomer sich mehr in Internet-Blogs präsentieren und der Kulturbetrieb müsste diese Internet-Blogs wahrnehmen. Allerdings hat die E-Book-Unkultur die Sichtung zusätzlich erschwert.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Ich kann nur empfehlen zu schreiben, wenn es einem Menschen nach Schreiben zumute ist. Allerdings braucht jeder Schreiber nebenher einen Geldberuf oder einen solventen „Partner“ (wie das bei der bildenden Kunst schon immer Gang und Gebe war).

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Nein; ich schreibe einfach nicht über etwas, das zu schreiben mir schwer fällt. Mir fließt genug aus der Feder, so dass ich mich nicht zu „Sex-Szenen“ hinreißen lassen muss.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren  insgesamt zu dem Thema?

Ich bin weder Jude noch Moslem. Die Kritiken müssen die schreiben, deren Heimat sie kritisieren wollen. Allerdings verfasse ich durchaus manches zu meiner Wahrnehmung eines Gegenüber. Wenn sich Juden oder Christen oder Muslime über die Darstellung dessen, wie ich sie wahrnehme, beschweren, versuche ich darauf zu reagieren. Ich lasse mir allerdings nicht den Mund verbieten. Drohbriefe werden grundsätzlich nicht beantwortet und unverzüglich vernichtet. Ich gebe sie auch nicht an die Polizei weiter. Bezüglich des Judentums lasse ich als Deutscher eine besondere „Etikette“ walten; ich verberge nicht meine Scham und meine Mit-Verantwortung für eine nachhaltig friedvolle Zukunft. Wenn mich Muslime als „Ungläubigen“ bezeichnen, um damit eine Rechtfertigung für Unflätigkeiten zu gewinnen, versuche ich sie zu ignorieren.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Ich schreibe, wenn es mir meine sonstigen Pflichten erlauben. Da diese sehr vielfältig sind, verbleiben meist die Nachtstunden…

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Z.Zt. schreibe ich u.a. von dem, was mir Säulenfiguren in aller Welt erzählen.

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.

 


 

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