Interview mit Franziska Röchter

 

Foto: joespics (c) F. Röchter

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(c) F. Röchter

Franziska Röchter ist Dichterin, Autorin, Herausgeberin, Verlegerin.
Als Autorin ist sie tätig in den Bereichen Lyrik, Prosa, Poesie, Poetry Slam, Kultur-journalismus. Sie betreibt den chiliverlag (www.chiliverlag.de), der bekannte und wenig bekannte Menschen und Autoren verlegt. Zusammen mit anderen Künstlern realisiert sie sehr spezielle Projekte, wie z.B. bis ans ende der zeiten. amen (Adam Grimann), poesía del paraíso infernal (Drube / Rodríguez) u.v.m.

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Ehrlich gesagt schon manchmal. Aber um nicht an der eigenen Sinnlosigkeit zu scheitern, sollte man diese Gedanken verwerfen. Da ich grundsätzlich ein positiv gestimmter Mensch bin, gelingt mir das. Ich glaube, Schriftstellerei ist eh hauptsächlich was für Idealisten mit hoher Frustrationstoleranz. Oder für Menschen mit einem relevanten Beziehungsapparat.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Um es auf den Punkt zu bringen: Geld regiert überall. Die gefälschten Ranking-Zahlen namhafter TV-Sender haben es ja öffentlich vorgeführt. Wir leben in einem Zeitalter, in dem fast jeder behaupten kann, dass er „erfolgreicher Autor“, „Öffentliche Person“ oder potentieller Superstar ist. Es gibt so viele selbstgemachte Gottheiten, viele leider vollkommen substanzlos. Durch das Internet ist eine parallele Scheinwelt entstanden, die mit der Realität oft nichts zu tun hat. Man muss schauen, wie die Zahlen zustande kommen. Da sich natürlich Bücher, die besser beworben und gehypt werden können, auch besser verkaufen, sagt ein Ranking nicht zwingend etwas über ihre wirkliche Qualität aus. Gottseidank gibt es immer noch Menschen, die Vorgesetztes hinterfragen.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Sich vor Augen zu halten, mit wieviel Crap manche Menschen zu Berühmtheit und Reichtum gelangen. Die Vorstellung, dass man auf jeden Fall nicht untalentierter ist.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Ich kann das nicht beziffern, weil ich ein spontaner Mensch bin und mich gern im Netz verlaufe. Da ich ja auch als Verlegerin tätig bin, denke ich, dass ich schon etwas mehr als andere virtuell unterwegs bin. Wenn ich wahrnehme, mit welcher Dreistigkeit oder Unbedarftheit manche Menschen sich selbst bewerben, denke ich, ich bin noch zu bescheiden.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Ein guter Mix von allen Möglichkeiten ist sicher nicht schlecht. Mit dem Internet erreicht man u.U. die meisten Menschen. Allerdings könnte durch Omnipräsenz oder Penetranz auch der gegenteilige Effekt eintreten: dass der potentielle Leser abstumpft, abblockt und von der Menge der werbedurchtränkten Inhalte nichts mehr wissen will. Dass die ewigen „Ich habe gemacht, getan, mein Erfolg, mein Buch, mein Preis … bla bla“ – Poster nur noch nerven.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Rilke, Heine, Goethe, Doris Lessing, D.H. Lawrence, Friedrich Ani, Kafka, Bas Böttcher und v.v.m., … na, ich könnte jetzt etliche bekannte Dichter aus der Gegenwart nennen, das kann ich leider aus verschiedenen Gründen nicht machen, ggfs. weil ich sie persönlich kenne. Sagen wir so: Menschen, die originelle Neologismen erfinden und überhaupt etwas Neues erfinden, auf dem Teppich und vor allem Mensch bleiben, fallen mir positiv auf.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Ein Autor, der heute neu anfängt und nur Autor sein will, wird u.U. nicht weit kommen. Kommunikations- und Medienvirtuose, gleichzeitig technisch versiert, extrovertiert. Möglichst gut situiert. Das beste Rezept wäre: jeder Autor hat einen guten Journalisten zum Freund. Oder gleich mehrere …

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Nicht alles rauszuhauen, was man bereits geschrieben hat, nur weil der eigene Name darüber steht.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Naja, Dinge, von denen man null Ahnung hat, sollte man vielleicht nicht vorrangig behandeln. So sollte ich zum Beispiel keinen Roman schreiben, der von der philosophischen Essenz funktioneller Gleichungen oder Algebra handelt.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Bevor man sich speziell zu diesen Themen äußert, sollte man profunde Kenntnisse über die historisch bedingten Entwicklungen dieser Problematiken besitzen. Oft wird nur populistisch in Kerben gehauen. Zumindest sollten persönliche Meinungen von echten Fakten deutlich abgegrenzt werden.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Das Schöne als Freier Autor ist, dass man sich seine Zeit einteilen kann und dann aktiv werden kann, wann immer man den größten Impuls dazu verspürt oder das übrige, „echte“ Leben mit seinen Wirren es zulässt. Natürlich sollte eine Grunddisziplin und Regelmäßigkeit vorhanden sein. Solange man aber nicht Auftragskünstler ist oder zu festen Abgabeterminen verpflichtet, kann sich musisch küssen lassen, wann immer man möchte.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Ich verrate Ihnen gern, was in verlegerischer Hinsicht nach der Leipziger Buchmesse ansteht: Einige sehr interessante Autoren warten bereits auf die Umsetzung ihrer Einzel-Werke. Es gibt einen weiteren Band Politische Lyrik, düstere Kurzgeschichten, verschiedene anthologische Projekte. Für meine eigene Lyrik muss ich noch einen Verlag finden. Wenn ich mal Zeit habe, zu suchen.

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.

Vielen Dank, dass ich zu Wort kommen durfte.


Franziska Röchter im www