(c) Hans-Martin Große-Oetringhaus

(c) Hans-Martin Große-Oetringhaus

Hans-Martin Große-Oetringhaus ist 1948 im Sauerland geboren. Lehrerstudium; Pädagogikdiplom; arbeitete als Diplompädagoge in einer Obdachlosensiedlung. Promovierte in Pädagogik. Nahm zehn Jahre lang einen Lehrauftrag zur Pädagogik der Dritten Welt an der Universität Münster wahr und war Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wissenschaftliche Pädagogik. Betätigt sich als Journalist und Schriftsteller und arbeitete von 1984 bis 2013 als Referent für Globales Lernen bei der internationalen Kinderhilfsorganisation terre des hommes. Seit 1980 inzwischen über 60 Buchpublikationen und Mitarbeit in über 50 Anthologien. Hans-Martin Große-Oetringhaus lebt heute in Krefeld.

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Nein, weil das Buch, das ich schreiben möchte, ja noch nicht geschrieben ist und bei den 100.000 noch fehlt.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Sie fördern vor allem die großen Verlage und bedienen den Mainstream. Das Ausgefallene, Besondere oder thematisch Spezifische wird man dort nicht allzu oft finden.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Natürlich gibt es da kein Geheimrezept, weil jede und jeder anders lebt, anders arbeitet, anders schreibt. Bei mir hilft gründliches Recherchieren im Vorfeld, eine Radtour oder ein Gang durch die Natur beim Gedankensammeln und ein Becher Tee beim Aufschreiben.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Ich halte Lesungen in Schulen für sehr wichtig, um auf die kommenden Generationen von Leserinnen und Leser zuzugehen, um sie für das Lesen und die Literatur zu begeistern. Das kann die eigene Autorenwebsite nicht leisten. Sie ist aber ein wichtiges Serviceangebot für Veranstalter, für Leserinnen und Leser und nicht zuletzt auch für die Schule. Zum Pflichtprogramm zählen natürlich auch Pressekontakte und Messebesuche. Schwierig ist es, das alles in Stunden zu messen.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Ich denke, ich kann besser schreiben, als mich vermarkten. Darum bin ich wirklich nicht geeignet, Erfolg versprechende Marketingkonzepte von mir zu geben.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Das sind so viele, dass sie sich gar nicht alle aufzählen lassen. Und vermutlich sind es noch viel mehr, als mir selber bewusst ist. Als Kind brachten mich Reiseberichte zum Lesen und pflanzten in mir die Sehnsucht nach fernen Lebenswelten. Sven Hedin: Abenteuer in Tibet. Meno Holst: Durch tausend Abenteuer – Mit Sven Hedin im Herzen Asiens. Heinz Helfgen: Ich radle um die Welt – Willi Wegner: Feuer für Melbourne – Mit dem Fahrrad nach Australien. Die Schutzumschläge der Bücher sind genauso ausgefranst wie die Kleidung jener, von denen sie berichten. Weltenbummler waren es, Forscher und Abenteurer, über die ich in den Büchern las. Der Funke ihrer Neugierde sprang über, schwelte lange, bis ich selbst in die Welt zog und später von dem berichtete, was ich dort gesehen, gehört und erlebt hatte. Es waren andere Menschen, andere Länder, über die ich schrieb; andere Fragen, die ich hatte; andere Dinge, die mich interessierten; andere Zusammenhänge, die ich sah. Aber eines war gemeinsam: der Drang, über den eigenen Tellerrand zu blicken, die Neugierde, zu sehen, wie andere leben. Der Funke, der vor langer Zeit übersprang, schwelt heute noch. Was Bücher alles vermögen!

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Im Bereich von Lyrik läuft in NRW ein ganz interessantes Projekt der Gesellschaft für Literatur: PostPoetry. Arrivierte LyrikerInnen wie Anfänger werden gebeten, anonym Texte einzusenden. Getrennt werden Preise vergeben. Die Preisträger der arrivierten Lyrikerinnen verpflichten sich, eine der AnfängerInnen zu betreuen und eine gemeinsame Lesung mit ihr/ihm durchzuführen. So werden Newcomer motiviert, in die eingeschlagene Richtung weiterzuarbeiten. Das Beispiel könnte auch für andere literarische Gattungen Schule machen.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Nicht mutlos machen lassen, selbst wenn es schwierig ist, einen Verlag zu finden.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Bei mir ist es so, dass ich mich beim Schreiben solcher Szenen schwertun würde, die ich gar nicht beschreiben möchte und die gar nicht zu meinem Thema oder meiner Darstellung passen würden.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Gesellschaftlich und damit auch politisch Stellung beziehen, halte ich für Schreibende sehr wichtig. Schreiben ist ihre Möglichkeit, Einfluss – und sei er noch so bescheiden – auf gesellschaftliche Zustände und Veränderungen zu nehmen. Das kann sehr indirekt und im Kleinen sein, kann aber genauso gut konkrete gesellschaftliche Probleme thematisieren. Viele meiner Bücher, gerade auch die Kinder- und Jugendbücher, beschäftigen sich mit dem Leben junger Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Deren Leben ist oft bestimmt durch Armut und Kinderarbeit, durch ein Leben auf der Straße, durch Krieg und Kriegsdienst. Aber sie nehmen auch oft ihr Leben in die eigenen Hände, organisieren sich, setzen alles ein, um ihr Leben und das ihrer Umwelt zu verbessern. Sie werden zu Protagonisten gesellschaftlicher Veränderungen. Von ihren Erfahrungen weiter berichten, empfinde ich als eine meiner Aufgaben. Und die ist hochpolitisch.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Eine wichtige Voraussetzung für mein Schreiben war und ist das Recherchieren. Das bedeutete für mich, Kontakt aufzunehmen mit jenen Menschen, über deren Leben ich schreiben wollte. Das Schreiben selbst geschah dann, als ich wieder zuhause war, am Schreibtisch. Um Gedanken zu sortieren fahre ich oft mit dem Read durch die Natur und kehre mit geklärten Gedanken und neuen Ideen zurück, die ich dann allerdings schnell aufschreiben muss, damit sie nicht wieder verfliegen. Die meisten meiner Bücher habe ich zuvor mit Stift aufs Papier gebracht und erst danach am PC abgetippt und überarbeitet.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Hans-Martin Große-Oetringhaus: Verlage haben mir zu verstehen gegeben, dass in Zeiten von weltweiten Konflikten und Unsicherheiten, junge Leserinnen und Leser auch einmal davon verschnaufen möchten. Ich solle doch mal etwas ohne dramatische Probleme schreiben. Das habe ich in meinem jüngsten Manuskript getan. In ihm geht es nicht um einen politischen Konflikt in einem weit entfernten Land, sondern es handelt hier bei uns. Dabei geht es um die Beziehung des achtjährigen Jaro zu seinem Großvater und zu seiner Freundin Mila.

Endlich Sommerferien! Aber eigentlich kann sich Jaro, der gerade die 3.Klasse beendet, gar nicht so richtig darauf freuen, denn er hat ein Problem. Seine Eltern haben das Angebot zu einer Forschungsreise nach Neuguinea, gerade während der Ferien. Darum wollen sie Jaro während dieser Zeit in einem Internat unterbringen. Jaro ist verzweifelt. Aber zum Glück hat sein Großvater eine großartige Idee. Jaro darf zu ihm kommen. Das bedeutet, dass Jaro in seinem Ort bleiben und die Ferien mit seiner Freundin Mila verbringen kann. Und die beiden haben bereits einen besonderen Plan. Sie wollen im Bach einen Damm bauen und ihn so zu einem kleinen Badebecken aufstauen.

Aber wie geht Jaro damit um, dass seine Eltern so weit fort sind? Und wie hilft ihm Großvater dabei? Wie kann die Freundschaft mit Mila wachsen? Und gelingt es schließlich den beiden, ihren Plan umzusetzen? Unvorhergesehene Ereignisse sorgen immer wieder für neue Spannung und Dynamik. Das gemeinsame Leben mit Großvater macht beide zu Lehrenden wie Lernenden. Sie können über ihre Einsamkeit, Enttäuschungen und Verluste reden und sich gegenseitig Mut machen und die Augen öffnen. Und dadurch auch die Herzen. Dabei sorgt Mila dafür, dass Probleme gelöst und ihr gemeinsamer Plan realisiert werden kann. Eine selbstverständliche Freundschaft wächst und hilft, auch dramatische Situationen wie Großvaters Herzattacke zu überstehen.

Eigentlich sind es ganz gewöhnliche Ferien. Doch die Beziehung zu seinem Großvater und zu Mila lassen sie zu etwas ganz Ungewöhnlichem und Besonderem werden. Das hat mich den Arbeitstitel „Jaros ungewöhnlich gewöhnliche Ferien“ wählen lassen.

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.


Weitere Hintergründe zum Autor

Der Autor verbrachte zahlreiche Arbeits- und Studienaufenthalte in Afrika, Asien, Lateinamerika, Nordamerika und Australien. Verschiedene Preise, u.a. den Preis der Leseratten des ZDF, den Kinder- und Jugendliteraturpreis der Stadt Bad Wildbad, den 2. Platz des Hans-im-Glück-Preises und eine Auszeichnung des Nationalkomitees für die UN-Weltdekade Bildung für nachhaltige Entwicklung.

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