Interview mit Matthias Bronisch

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

(c) Foto vom Autor zur Verfügung gestellt

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Matthias Bronisch: Da ich in erster Linie für mich schreibe, mit dem, was mich umtreibt, zurecht kommen muss, geht dahin kein Gedanke. Allerdings, wenn die Veröffentlichung ansteht, dann findet man sich plötzlich in einer unüberschaubaren Herde.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Matthias Bronisch: Da ich den Spiegel abonniert habe, überfliege ich sie natürlich, aber bis heute habe ich noch keine Leseentscheidung von ihr abhängig gemacht.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Matthias Bronisch: Abwarten. Aber häufiger: einfach anfangen, auch wenn dieser Anfang im Papierkorb landet.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Matthias Bronisch: Sie werden sich wundern, nicht viel. Eine Homepage genügt. Viel mehr Zeit investiere ich in die Erstellung einer 3 x jährlich erscheinenden Literaturzeitschrift („Tentakel“) und seit 36 Jahren in einen „Jugend schreibt-Wettbewerb“. Weiterhin in die Arbeit für die Bezirksgruppe des Schriftstellerverbandes NRW. Mich befriedigt es, anderen auf die Beine zu helfen, auch durch Lesungen in OWL.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Matthias Bronisch: Natürlich ist naheliegend, sich den richtigen, d.h. für das Projekt den geeigneten Verlag auszusuchen. Aber heute ist auch vieles andere möglich, z. B. BoD und dann die Presse einsetzen.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Matthias Bronisch: O Gott, jetzt müsste ich sehr hoch greifen, z.B. Kafka, aber auch einige andere, vor allem auch immer wieder neuere, wie zuletzt Katja Petrowskaja. In der Lyrik sind es experimentelle Autorinnen und Autoren, obwohl ich selber eher etwas konventioneller in meiner Sprache bin.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Matthias Bronisch: Dazu wird es kaum kommen. Den Mut haben die Kritiker kaum, obwohl es ja zum Glück immer wieder auch Neuerscheinungen junger Autorinnen und Autoren gelingt, ins Feuilleton zu kommen, meist aber, wenn sie spektakulär sind.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Matthias Bronisch: Vielleicht doch mal in eine qualitativ gute Schreibwerkstatt zu gehen, in der ernsthaft Kritik geübt wird. Ansonsten: schreiben, schreiben, schreiben.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Matthias Bronisch: Für mich ist Schreiben schwer, immer eine Anstrengung. Einige Themen entfallen, vielleicht wegen der Entwicklungsphase, in der man ist, vielleicht auch wegen der Grunddisposition. Man sollte sich wohl auf das konzentrieren, was mich etwas angeht, statt z. B. Tagesthemen nachzulaufen.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Matthias Bronisch: Es scheint mir nur engagierte Literatur zu geben. Aber wenn es um die Frage geht, was die meisten unter engagierter Literatur verstehen, dann liegt zur Zeit wohl etwas im Argen. Ich denke, dass es gut ist, wenn Schriftsteller sich mit den Problemen ihrer Zeit auseinander setzen, auch den gesellschaftlichen und politischen. Aber nicht jeder ist dafür gemacht.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Matthias Bronisch: Keine festen Zeiten, auch wenn ich weiß, dass das produktiver wäre.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Matthias Bronisch: Ein Frauenschicksal. Sie heiratet, da ihr Mann nicht aus dem Krieg zurückkehrt, ihre Kinder und verzichtet auf ein eigenes Leben als Frau.

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.

Hintergründe zum Autor

Bio-Bibliografie
Geboren 1937 in Stettin
1950 – 56 Gymnasium in Petershagen/Weser
Studium in Münster und Hamburg: Kunstgeschichte, Archäologie, Literaturwiss., Psychologie
1963-66 und 1971-76 Lektorate an den Universitäten in Novi Sad, Belgrad, Skopje
Seit 1976 Lehrer in Bielefeld
Seit 1978 Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller (VS)
Seit 2013 Mitglied im PEN
1978 Übersetzerpreis „Grigor Prlicev“ des makedonischen Schriftstellerverbandes

Matthias Bronisch im www