Interview mit Rolf Polander

 

© Rolf Polander

© Rolf Polander

Rolf Polander, geb. 1947 in Kappeln/Schlei, verbrachte seine Kindheit in Wetzlar und lebt seit 1960 in Köln. Langjährige Tätigkeit in verschiedenen Verlagen. Daneben Schreiben von Lyrik und kurzen Prosastücken sowie Übersetzungen von Lyrik, Kinderbuch und Sachbuch. Seit 2003 als Grafiker und Produktioner, Übersetzer und Autor selbstständig. Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien. An selbstständigen Veröffentlichungen zuletzt: Unnütze Gedichte. 2014.

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Rolf Polander: Wenn ich zu schreiben beginne, treibt mich anderes an als der Gedanke an die Konkurrenz. Da ich aber ausschließlich kurze Texte schreibe (Lyrik, Kurzgeschichten u. ä) entsteht ein neues Buch in der Regel aus Texten, die über einen längeren Zeitraum gesammelt wurden. Bei ihrer Zusammenstellung für eine Buchveröffentlicchung überlege ich dann schon, wie ich mich von vorhandenen Büchern abheben kann, welche »Mischung« einem gedachten Zielpublikum gefallen könnte, welcher Titel wirkungsvoll wäre – kurz, ich mache mir ein paar Gedanken, die man als »Produktmarketing« bezeichnen könnte.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise  die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Rolf Polander: Wenn ich selbst mich auch niemals daran orientieren würde, sehe ich mir doch immer mit Interesse und manchmal mit Schaudern an, in welche Richtung der Mainstream fließt.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Rolf Polander: Einfach nicht schreiben und etwas anderes tun! Ich halte nichts davon, wenn einem nichts einfällt, das weiße Blatt oder den leeren Bildschirm anzustarren wie das Kaninchen die Schlange. So steigert man sich nur in die Schreibblockade hinein. Ebenso wenig allerdings halte ich davon, überall herumzulaufen und darüber zu klagen (oder sich damit interessant zu machen), dass man eine Schreibblockade habe. Es gibt so viele Dinge, die man außer zu schreiben tun kann. Man tue sie und wird irgendwann zum Schreiben zurückkehren. Ist dies nicht der Fall, und man merkt, dass einem die anderen Dinge besser gefallen als das Schreiben, bleibe man bei diesen anderen Dingen.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Rolf Polander: Ich denke es wird zu der Zeit die ich tatsächlich schreibe (oder überlege, was ich schreiben soll) vielleicht noch einmal ein Viertel hinzuzurechnen sein. Dazu gehört ja zum Beispiel auch, dass ich diese Interviewfragen beantworte, damit mein Name wieder in einem weiteren Blog zu lesen ist – so lange, bis all die Leute, denen er schon zig mal irgendwo begegnet ist, endlich auf die Idee kommen, sich ein Buch von mir zu kaufen. (Zumindest stelle ich mir das gerne so vor.)

Fabelhafte Bücher: Das wäre Ihnen jedenfalls zu wünschen. Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Rolf Polander: Ich glaube nicht, dass man diese Frage generell beantworten kann. Ich würde den Autor fragen, was er glaubt, wer seine Bücher lesen soll. Umso genauer er seine Zielgruppe beschreiben kann, umso besser kann er die Marketinginstrumente auswählen.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Rolf Polander: Was mich beeinflusst, ist die Summe all dessen, was ich gelesen habe. Das alles bildet sozusagen den Humus, aus dem wächst, was ich schreibe. Was mich aber im Einzelfall inspiriert, sind weniger die Werke, die ich bewundere sondern eher, was ich beobachte oder erfahre – auch Texte, die etwas enthalten, was meine Aufmerksamkeit erregt, aber das hat dann mit ihrer literarischen Qualität nicht unbedingt etwas zu tun.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Rolf Polander: Wenn ich ein Rezept hätte, wie man solche exklusiven Kreise öffnet, würde ich dort längst rezensiert.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Rolf Polander: Ich würde empfehlen, das Buch zu schreiben, es erst einmal in die Schublade zu legen und das nächste Buch anzufangen. Die Vorstellung, gleich mit dem ersten Buch groß herauszukommen, sollte man fahren lassen. Die »Schreibe« muss sich entwickeln. Viele Autoren sind später froh, dass ihre Erstlinge nie veröffentlicht wurden. Man muss sich doch nur einmal anschauen, was für schwache frühe Texte manche Herausgeber von Werkausgaben ans Tageslicht befördern.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Rolf Polander: Das eigentlich Interessante spielt sich beim Sex, wie bei vielen anderen Dingen auch, ja im Kopf ab. Deshalb wird, wer nur Techniken beschreibt, schnell langweilig. Man lese doch nur einmal die Beschreibung der Choreografie von Massenkopulationen bei de Sade. Ich glaube in diesem Punkt sollte man sich getrost auf den Leser verlassen. Er wird im Zweifelsfall selbst aus vagen Andeutungen genau seine Lieblingsperversion imaginieren.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren  insgesamt zu dem Thema?

Rolf Polander: Ich betrachte mich nicht als politischer Autor in dem Sinne, dass ich die Welt nach einem bestimmten Programm oder Muster verändern möchte. Meine Themen sind eher allgemein-menschliche Verhaltensweisen, die ich zu beschreiben und oft auch lächerlich zu machen versuche. Zur konkreten Politik oder zur Zeitgeschichte nehmen meine Texte eher selten Stellung. Ein Beispiel könnte ein Gedicht sein, das jetzt im Frühjahr 2015 in einer Anthologie politischer Lyrik erschienen ist, die Schlafende Hunde IV heißt und von Thomas Bachmann herausgegeben wurde. Das Gedicht heißt Psalm und nimmt auf den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern bezug. Seine Aussage wird sicher weder den einen noch den anderen gefallen, aber ich denke, vielleicht ist der Platz zwischen den Stühlen der einzig angemessene für einen skeptischen Beobachter der Zeitläufte.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Wenn ich eine Idee habe, beginne ich spontan zu schreiben und muss, wenn ich erstmal im »flow« bin, auch dabeibleiben. Eine Geschichte oder ein Gedicht muss über eine gewisse Schwelle gekommen sein, ehe ich die Arbeit aus der Hand lege. Nur dann kann kann ich den Text später in zeitlich geplanten Arbeitsschritten weiterführen und/oder überarbeiten.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Mein nächstes Buch wird wahrscheinlich wieder ein Gedichtband sein. Ich arbeite zur Zeit an mehreren Sammlungen, von denen zwei ziemlich weit gediehen sind, die eine enthält Gedichte nach Märchenmotiven, die andere Texte in der Art meines 2014 erschienenen Bandes Unnütze Gedichte, wobei ich aber eine stärkere Mischung von heiteren Gedichten und solchen mit eher ernstem Hintergrund anstrebe. Der Band soll metrisch gebundene wie Arbeiten in freirhythmischen Versen enthalten. Daneben wachsen Sammlungen zu verschiedenen anderen Themen. Auch ein Band mit Kurzgeschichten ist schon recht weit fortgeschritten.

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.


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