Interview mit Ursula Muhr

 

(c) Ursula Muhr

(c) Ursula Muhr

Ursula M. Muhr, geboren 1955 in Franken, Studium in Mannheim, diverse Brotberufe, zwei Kinder. Seit 1989 freie Autorin, über 100 Bilderbücher, Kinderbücher, außerdem Krimis, Satiren, Hörspiele, Mundarttexte und Lyrik für Erwachsene. 2010 Stadtschreiberin in Gotha. Seit 10 Jahren alljährliche Lesereisen durch Tiroler Schulen auf Einladung der Tiroler Kulturservicestelle.

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Ich denke darüber nach, allerdings sicher nicht gerade dann, wenn ich ein neues Buch in Angriff nehme. Da interessiert mich zunächst mal nur mein neues Projekt. Der Gedanke an den Buchmarkt ist der größte Inspirationskiller, den ich mir denken kann.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Als Leser habe ich es aufgegeben, mich daran zu orientieren. Mein Lesegeschmack scheint sich nicht in den Bestseller-Listen widerzuspiegeln. Als Autor bin ich zufrieden in meiner Nische.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Die Nerven behalten. Zwangspausen in freiwillige Pausen umdeuten und genießen. Nicht nachgeben. Die Erfahrung zeigt, dass es vorübergeht.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Vermutlich viel zu wenig. Ich habe zwar einen aussagefähigen Internetauftritt, der immer wieder auf den neuesten Stand gebracht wird, das ist aber auch schon alles. Die sog. sozialen Netzwerke finde ich eher beunruhigend. Allerdings lade ich auf den Lesungen und Workshops an Schulen die Schülerinnen und Schüler immer dazu ein, mit mir zu korrespondieren, wenn sie z. B. eine Frage haben oder mir Selbstgeschriebenes zeigen möchten. Das ist erfrischend und inspirierend, und zwar, wie ich hoffe, für beide Seiten. Bedingung: entweder via Email oder per Post. Auf hingeschluderte Posts über Whats app oder was auch immer habe ich keine Lust.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Besprechungen in der Presse. Schwer zu kriegen, aber meiner Erfahrung nach wirksam.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Auch Journalisten haben wenig Zeit. Es ist einfacher, die üblichen Verdächtigen zu besprechen, als sich wirklich mit einem Newcomer zu befassen. Eine Lösung für dieses Problem weiß ich auch nicht. Angesichts der Flut neuer Bücher in jedem Jahr habe ich fast schon Mitleid mit allen, die sich durch diese Berge durchwühlen müssen.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Der einzige Fehler, den ich wirklich bereue, ist der, ohne Honorar gelesen und teilweise auch geschrieben zu haben. Da würde ich jedem raten, genug Selbstbewusstsein aufzubringen und das abzulehnen. Gleichzeitig frage ich mich, ob ich dann das erreicht hätte, was ich erreicht habe – vielleicht war es ja doch ein notwendiger Schritt, ohne den ich nicht weitergekommen wäre?

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Gewalt. Ich lasse sie also weg – auch in meinen Fantasygeschichten, ein Genre, das ja eher gewaltaffin ist. Die Bücher sind trotzdem spannend, auch wenn sich insbesondere Jungs das erst mal nicht vorstellen können.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Wenn ein Autor über solche Themen schreibt, dann muss er zwingend auch eine Haltung dazu haben und möglichst gut Bescheid wissen. Schreibt er aber nicht darüber, dann ist es sein Privatvergnügen, was er über diese Probleme denkt.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Der Vormittag ist immer reserviert. Der Nachmittag ist zwar der Arbeit gewidmet, aber nicht unbedingt dem Schreiben. Da kann es auch mal die Entwicklung eines neuen Flyers sein, die Beantwortung einer Interviewanfrage oder die Steuererklärung. Abends habe ich frei. Das war für mich übrigens am schwersten, mir selbst frei zu geben. In den ersten Jahren war ich immer „im Dienst“, hatte ständig Stift und Papier griffbereit oder Manuskripte in der Handtasche. Irgendwann habe ich eingesehen, dass das der direkte Weg in den Wahnsinn ist.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Es wird ein Jugendbuch geben, das sich mit der Vergangenheit in einer Familie beschäftigt. Ein Mädchen wird auf sehr geheimnisvolle Weise damit konfrontiert, wie sich ihre Urgroßeltern in der Zeit von 1939 bis 1945 verhalten haben. Außerdem ein Kinderbuch über Farben und wieder einen neuen Comic mit der wunderbaren Cartoonistin Irma Stolz.

Fabelhafte Bücher: Mit bedanken uns herzlich für das Gespräch.