Rezension von Annemarie zu „Jana Bommersbach: Ein geraubtes Leben. 23 Jahre unschuldig in der Todeszelle – Der Fall Debra Milke“

Das einzige geliebte Kind wird ermordet. Von einem Bekannten. Und man selbst wird wegen Mordes an dem Kind verhaftet. Zum Tode verurteilt. Millionen Menschen hassen einen, betrachten einen als Abschaum. Fast die ganze Familie wendet sich von einem ab. Nur vier Leute auf der ganzen Welt glauben einem. 23 Jahre voller Angst davor, hingerichtet zu werden, in einer winzigen Zelle zu hausen. Die Probe der eigenen Hinrichtung miterleben zu müssen. Die eigene Todesart aussuchen zu müssen, die Henkersmahlzeit, den Verbleib der eigenen sterblichen Überreste nach der Hinrichtung.

Und das alles vollkommen unschuldig. Wegen der Falschaussage eines notorischen Lügners. Was kann es Schlimmeres geben?

Die deutschstämmige US-Amerikanerin Debra Milke hat genau diese Hölle erlebt. Im Jahr 1989 wird ihr vierjähriger Sohn Christopher in der Vorweihnachtszeit auf einem Ausflug ermordet. Er wollte den Weihnachtsmann besuchen. Debra Milke wird verdächtigt, den Mord an ihrem Sohn in Auftrag gegeben zu haben. Einzig aufgrund der Falschaussage eines Polizisten, der ohne Beweise behauptet, sie hätte vor ihm ein Geständnis abgelegt, wird sie inhaftiert und zum Tode verurteilt. Der Vater glaubt an die Schuld der einst so geliebten Tochter und stirbt in dem Glauben daran. Die eigene Schwester betrachtet sie als Monster und stimmt dafür, dass sie hingerichtet wird.

Trotz der mehr als dürftigen Beweislage gegen sie kämpft Debra Milke Jahr um Jahr vergebens dafür, dass ihr Fall wieder aufgenommen wird. Endlich, im Jahr 2013, wird Milke im Alter von 51 Jahren freigelassen und 2015 endgültig für unschuldig erklärt. Ihre geliebte Mutter – eine der wenigen, die immer zu ihr gehalten haben, erlebt das nicht mehr.

Das Buch – von Jana Bommersbach in Zusammenarbeit mit Debra Milke verfasst – behandelt die ganze Geschichte aus Milkes Sicht. In der Mitte des Buches sind mehrere Seiten mit Farbfotos von Debra, ihrer Schwester ihrem Sohn und dem, der sie ins Gefängnis gebracht hat.

Rezension

Dieses Buch ist der Bericht einer zutiefst beeindruckenden Frau. Obwohl sich alle Leute von ihr abwenden, obwohl sie viele Jahre in einer winzigen Zelle dahinvegetieren muss, obwohl sie erleben muss, wie die Vorbereitungen ihrer eigenen Hinrichtung getroffen werden, verliert Milke nie ihre Würde, ihre Selbstachtung und –disziplin und ihren Sarkasmus.

Ihr Buch ist nicht nur eine eindrückliche Geschichte einer jungen Frau, der eine himmelschreiende Ungerechtigkeit passiert, sondern auch – vermutlich ungewollt – ein eindrucksvolles Plädoyer gegen die Todesstrafe in den USA. Ich persönlich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Die Geschichte ist so spannend, so erschreckend und so entsetzlich real, dass es schwer fällt, mit dem Lesen zu unterbrechen. Teilweise musste ich aber doch eine kleine Pausen einlegen und tief durchatmen. Debras Geschichte ist nichts für schwache Nerven. Zu entsetzlich ist das, was ihr zugestoßen ist, zu erschreckend, wie leicht ein Mensch, der fest im Leben stand, aufgrund winziger Indizien zum Tode verurteilt werden kann.

Und etwas sehr Bemerkenswertes fehlte bei Milke: Die Verbitterung. Viele Menschen wären nach so einem erlittenen Unrecht wohl sehr verbittert und wütend gewesen – aber: Solche Emotionen lässt Milke nicht zu. Und das finde ich absolut bewundernswert.

Fazit

Ein Bericht über eine unglaublich starke Frau, der entsetzliches Unrecht geschieht. Die Geschichte geht unter die Haut und lässt einen nicht mehr los. Absolut lesenswert!