Rezension von Annemarie

Sophie Daull lebt mit ihrem Mann und ihrer einzigen Tochter Camille in Paris. Eines Abends im Dezember kommt Camille, eine bis dato vollkommen gesunde Jugendliche im Alter von 16 Jahren, vom Theater nach Hause. Es geht ihr nicht gut. Sie hat Fieber und legt sich hin. Vier Tage später, am 23.12.2013, ist sie tot – einen Tag vor Heiligabend. Gestorben an einer unerkannten Infektion.

Dieses Buch wurde von ihrer Mutter verfasst, Sophie Daull, die ihr einziges Kind plötzlich verloren hat. In ihrem Werk erzählt sie von der Zeit seit Camilles Krankheitsausbruch. Dabei schreibt sie in einer Art Tagebuch an ihre Tochter.

Im Buch gibt es zwei Handlungsstränge, die parallel laufen und in Kapiteln, die sich abwechseln, erzählt sind. Beide sind zur besseren Unterscheidung in unterschiedlichen Schriftarten – der eine Handlungsstrang in Arial, der andere in Times New Roman – verfasst. Im ersten Handlungsstrang erzählt die Autorin die Zeit von Camilles Erkrankung an bis zu ihrer Beerdigung. Diese Handlung wird beinahe durchgehend im Tagesabstand ohne längere zeitliche Pausen erzählt. Der zweite Handlungsstrang behandelt die Zeit der Trauer nach Camilles Beerdigung und erläutert lückenhafter Sophie Daulls Zeit der Trauer und des Schmerzes bis etwa drei Monate nach Camilles Tod.

Sehr emotional erzählt die Autorin von den Geschehnissen, von ihrem Schmerz und vom Abschied und schreibt dabei direkt aus ihrer Seele.

Rezension

Das Buch wird seinem Titel nicht gerecht. Der Titel „Adieu, mein Kind“ ließ mich ein kitschiges, fiktives Herzschmerz-Drama erwarten. So hatte ich das Buch allein aufgrund seines Titels ursprünglich gar nicht lesen wollen. Und bin froh, dass ich es nach dem Durchlesen der Inhaltsübersicht doch getan habe.

Dieses Buch ist nicht leicht zu lesen. Das liegt nicht daran, dass die Autorin nicht gut schreibt – im Gegenteil, Sophie Daull schreibt so gut über ihren Schmerz – erst den Schmerz, dass sie ihre Tochter leiden sieht und ihr nicht die Schmerzen nehmen kann, dass sie ihre Tochter nicht retten kann und schließlich über den tiefen Schmerz einer Mutter, die auf einmal keine Mutter mehr ist, ihr einziges Kind aufgrund einer Infektion verloren hat – dass der Leser selbst einen Teil des Schmerzes mitspürt und miterlebt. Es kommen viele Faktoren zusammen, die diesen Tod gerade so grausam und schlimm erscheinen lassen. Zum einen, dass Camille noch entsetzlich jung ist und Pläne für die Zukunft hatte. Zum anderen, dass sie aus heiterem Himmel, während alle Welt davon ausgeht, dass sie Grippe hat, binnen weniger Tage stirbt. Die Tatsache, dass ihr die Ärzte nicht geholfen haben, weil sie nicht erkannt haben, dass Camille keine Grippe hat. Und schlussendlich, dass Camille direkt am Tag vor Heiligabend stirbt – just in einer Zeit, in der eigentlich gefeiert wird. Allein der Gedanke, dass beide Eltern jedes Mal um Weihnachten den Todestag ihres einzigen Kindes miterleben müssen, ist nicht leicht zu ertragen.

Im Gegenzug dazu nimmt einen das Werk aber gerade dadurch sehr mit, packt und fängt einen. Fast hat man das Gefühl, die Autorin persönlich kennenzulernen, fast spürt man die Tochter posthum wieder zum Leben erwachen, sieht sie vor seinem inneren Auge. Das Buch ist eben unheimlich fesselnd geschrieben. Das bedeutet aber auch, dass bei Lesen sicherlich die eine oder andere Träne fließen wird und die Trauer, die aus diesem Buch strömt, nicht so leicht abzuschütteln ist.

Gestört hat mich allerdings, dass die Autorin doch ziemlich selbstmitleidig schreibt. So sieht sie die vielen Hilfsangebote, die von allen Seiten auf sie einprasseln, gar nicht richtig, echauffiert sich teilweise sogar über Menschen, die sich Mühe geben, ihr zu helfen, und verkriecht sich nur in ihrer Trauer. Teilweise fand ich die Ansichten von Sophie Daull auch etwas merkwürdig. So betrauert sie etwa vor allem, dass ihre Tochter nie einen Freund hatte (ich finde, dass das nicht das Wichtigste im Leben ist) und denkt beim Anblick der nackten, schwerkranken Tochter vor allem daran, dass deren Schamgefühl verletzt ist. Eine Bekannte von mir, die das Buch ebenfalls gelesen hat, hat sich über die Einstellung der Autorin dermaßen geärgert, dass sie das Buch schon nach kurzer Zeit beiseitegelegt hat.

Besonders empfehle ich dieses Buch Menschen, die wissen möchten, was in Trauernden vorgeht und daraus für ihr eigenes Verhalten im Umgang mit Trauernden lernen wollen, sowie Menschen, die selbst trauern. Denn, so schlimm die Situation auch ist, irgendwie verarbeitet Frau Daull in ihrer Schrift auch den Tod der Tochter, und ist zudem in ihrem Schmerz für Trauende eine Gleichgesinnte.

Fazit

Eine enorm empfindsam geschriebene Schrift voller Trauer und Liebe, in der eine verwaiste Mutter vom plötzlichen Tod ihrer Tochter und ihrer Trauer erzählt. Jedem zu empfehlen, der bereit ist, ein wirklich emotionales, packendes Buch zu lesen. Besonders auch für Bekannte und Angehörige von Trauernden sowie für Trauende selbst zu empfehlen. Man sollte allerdings wissen, dass die Autorin ziemlich in ihrer Trauer versinkt und ihre Einstellung teilweise doch etwas gewöhnungsbedürftig ist.