Rezension von Mona

donnell geheimnisse„Die Geheimnisse der Welt“ (orig. „Closed doors“) ist der zweite Gegenwartsroman der schottischen Autorin Lisa O’Donnell. Nach ihrem grandiosen Erstlingswerk „Bienensterben“ („The death of bees“), war ich wahnsinnig euphorisch, ein weiteres Buch der Autorin lesen zu dürfen.

Und auch hier hat sie mich wieder vollauf begeistern können!

Worum geht es in „Die Geheimnisse der Welt“?

Dies ist die Geschichte des elfjährigen Michael Murray, der in Glasgow sein junges Leben genießt und sich um nichts weiter sorgt, als seine Fußballkünste. Eines Tages kommt seine Mutter blutverschmiert und völlig aufgelöst nach Hause, Michael wird erzählt, ein Exhibitionist habe seine Mutter überrascht. Mit seinen jungen Jahren weiß Michael mit dieser Aussage nichts anzufangen, entwickelt aber eine wahnsinnige Wut gegen den Exhibitionisten, den Peiniger seiner Mutter.

In der Kleinstadt der Murrays entwickelt sich rasch das Gerücht, Michaels Vater hätte seine Frau geschlagen und aus diesem anfänglichen Gerücht wird zusehends Hass gegen den Frauenschläger. Michael indes musste seinen Eltern versprechen, niemandem von dem Exhibitionisten zu erzählen und muss seinen eigenen Kampf gegen die umhergehenden Gerüchte bestreiten.

Irgendwann gibt es weitere Opfer und Michaels Mutter muss sich mit der Frage konfrontieren, ob sie dies hätte verhindern können, wenn sie die Straftat zur Anzeige gebracht hätte. Für den geneigten Leser ist eigentlich von Vornherein klar, dass sich bei der Straftat um eine Vergewaltigung handelt, nicht um die Konfrontation mit einem Exhibitionisten.

Und um dieses Thema spinnt sich die komplette Geschichte. Sehr eindringlich verdeutlicht uns die Autorin, welche Konsequenzen dieser Vorfall für die unmittelbar beteiligte Mutter, ihre Familie und Freunde, aber auch Außenstehende, hat. Die Geschichte aber enthält so viel mehr, so viele Feinheiten, über die man im Verlauf stolpert. Obwohl das Buch nicht einmal 300 Seiten umfasst, entfacht es eine Wucht, ohne sich jedoch in Übertreibungen zu verlieren. Allein die Gewaltigkeit der Themen, die übrigens sehr zum Nachdenken anregen können und dem Leser den Spiegel vorhalten, macht das Buch mehr als lesenswert.

Komplett für mich abgerundet hat die Geschichte die Erzählperspektive. Michael erzählt aus seiner kindlich naiven Sicht, versucht rund um das einschneidende Erlebnis ein normales Jungenleben zu leben und trotzdem zu verstehen und auch irgendwie zu helfen. Durch Michael gelang es der Autorin sehr zart und einfühlsam an die verschiedensten Themen heranzugehen, ohne diese jedoch zu verharmlosen.

In „Bienensterben“ ließ die Autorin zwei verwahrloste jugendliche Mädchen sprechen und hat das über alle Maßen glaubwürdig geschafft. Hier spricht zu uns die Stimme eines elfjährigen Jungen, der mit den Umständen völlig überfordert ist und keine Sekunde habe ich daran gezweifelt, dass die Geschichte wirklich von einem Kind erzählt wird. Die Autorin hat ein unglaubliches Talent dafür, sich in verschiedenste Charaktere hineinzudenken und ihnen Ausdruck zu verleihen.

Die Charaktere waren im Übrigen allesamt wahnsinnig gut ausgearbeitet und jeder für sich einzigartig. Auch das beherrscht die Autorin perfekt – Charaktere zu erschaffen, die nicht bloß authentisch, sondern absolut liebenswürdig und individuell sind.

Fazit

„Die Geheimnisse der Welt“ ist eine dieser zarten Geschichten, die trotzdem überwältigen können. Mich hat die Autorin mit ihrem zweiten Buch vollends von sich überzeugt!