Rezension von Zoe

Inhalt

„Andere Menschen, in die wir uns verlieben, erinnern uns an die Ideen, die in uns schlummern, die wir vergessen haben.“

So fasst die Philosophin Nora Kreft Sokrates` Auffassung der Liebe zusammen. Aber lässt sich dieses Gefühl, das uns nachts stundenlang wachhält, wirklich in einem Satz festhalten?

Für Bolu Babalola reicht diese Beschreibung nicht. In ihrem neuen Buch „In all deinen Farben“, das im März 2022 beim Eisele-Verlag erschien, widmet sie all ihre Kraft der Liebe und ihren verschiedenen Ausdrucksformen.

In dreizehn Kurzgeschichten verwebt sie die ursprünglichen Fäden lang bekannter Liebesgeschichten der griechischen, west-afrikanischen und nah-östlichen Mythologie auf ganz neue Weise. Die Frauen sind hier nicht länger ein Accessoire, das keine eigene Meinung besitzen darf. Vielmehr könnnen sie in Babalolas Neuinterpretationen die Rolle einnehmen, die ihnen schon lange zusteht, nämlich die Hauptrolle.

Die ersten zehn Kurzgeschichten nehmen die Leser:innen mit auf eine Welt- und Zeitreise durch die verschiedensten Erzählungen der Mythologie. Babalola gelingt es, die traditionellen Liebesgeschichten in den Kontext der modernen Zeit zu setzen. Dabei gibt sie den Frauen der Geschichte das Ruder in die Hand und mit einem Mal ergibt sich ein ganz neuer Blickwinkel, aus dem man das „alt bekannte“ betrachten kann.

Der Olymp verwandelt sich in eine der erfolgreichsten Modezeitschriften und die sonst so eingespielten griechischen Figuren müssen sich nun als Redakteur:innen behaupten. Venus wird zur „sadistisch veranlagten“ und egozentrischen Abteilungschefin und Psyche muss sich als ihre Assistentin durchschlagen.

In einer anderen Geschichte findet sich Nofretete als „Hausherrin des berühmtesten und verruchtesten Nachtclubs von Theben City“ wieder. Sie wird zum Symbol der Selbstbestimmtheit von Frauen und sorgt mit ihren skrupellosen Mitstreiterinnen dafür, dass kein Mann es wieder wagen wird, nur eine einzige Frau in ihrer Nähe als minderwertig zu behandeln. Unter Nofretetes Leitung entsteht ein zu Hause und eine Familie für all diejenigen, die sich gemeinsam mit ihr gegen die vorherrschende Unterdrückung stellen.

Auch lernt eine junge Frau, dass ihr Körper nicht bestimmt, wer oder was sie ist. Sie versteht, dass sie so viel mehr ist als ihr Äußeres und dass ihre Persönlichkeit, sowie ihr Charakter das sind, was sie zum Strahlen bringt. Die Erkenntnis, dass die Akzeptanz und Liebe zu sich selbst das ganze Weltbild verändern können, bringt diese Frau dazu, den Platz ihrer Sehnsüchte zu erreichen.

Die Tochter einer Bauernfamilie opfert sich selbst, um ihre Familie vor Armut und Tod zu bewahren. Sie wächst über sich hinaus und schafft es, mit Hilfe ihrer Intelligenz und Kühnheit, die Entscheidungsgewalt über ihr eigenes Leben den Männern vorzuenthalten. Mit der unechten, vorgespielten und auf Äußerlichkeiten beruhenden Liebe gibt sie sich nicht zufrieden, sondern kämpft für die ehrliche und aufrichtige Liebe, die ihr zusteht.

All das gibt nur einen ganz leichten Vorgeschmack auf die Vielfalt, die Babalola mit ihren Texten zum Vorschein bringt. Besonders mit ihren letzten drei Erzählungen gibt die Autorin einen persönlichen Einblick und lässt Liebesgeschichten ihrer ganz eigenen Kreativität entspringen, ohne die Mythologie als Vorbild zu nutzen.

Was aber alle ihre Kurzgeschichten gemein haben ist, dass die Frauen treu zu ihren Werten und sich selbst stehen. Keine verändert oder verbiegt sich, um angenommen oder „geliebt“ zu werden. Sie alle gehen ihren eigenen Weg und lernen viel darüber, was es heißt zu lieben und geliebt zu werden. Dieser Weg ist nicht einfach oder geradlinig, doch am Ende stehen die Protagonistinnen nie alleine da. Sie haben immer sich selbst und die Gewissheit, dass sie genau so, wie sie sind, vollkommen richtig sind.

Ich hatte bis dato noch nicht viele Sammlungen an Kurzgeschichten gelesen. Doch mir gefällt es sehr, innerhalb eines Buches in so viele verschiedene Welten einzutauchen. Babalola lässt in jede „love story“ ihre ganz eigene Auffassung und vielleicht auch Erfahrung der Liebe einfließen. Sie bleibt ihrem Stil durchweg treu und präsentiert die Liebe als eine sehr positive, allumfassende und über unserem Verständnis stehende „Macht“. All ihre Geschichten schließen mit einem “ Happy End“, an dem die Hauptfigur das erreicht, was für sie von Bedeutung ist.

Mit Hilfe des leicht zugänglichen, aber ausdrucksstarken Schreibstils fesselte mich die Autorin in ihre Welten und ließ mühelos Bilder und Emotionen entstehen, die mich auch nach dem Lesen noch beschäftigten. Vor allem mit der Interpretation der Nofretete hat sie mich in ihren Bann gezogen. Denn diese neue Erzählung war ganz losgelöst von der traditionellen Aufarbeitung der Liebe, die mir sonst in Bücherregalen begegnet.

Dennoch muss ich festhalten, dass mir ein bisschen der „Herzschmerz“ gefehlt hat. Zeitweise hatte ich das Gefühl, den Ausgang der Story schon zu kennen, bevor ich überhaupt den Anfang gelesen hatte. Alle Geschichten verbreiten einen sehr positiven und nahezu perfekten Verlauf der Liebe und ich musste nie befürchten, dass die Hauptfigur ihre Träume oder Begierden nicht erreicht.

Für mich dürften mehr Plot-Twists, Überraschungen und auch ein bisschen Liebeskummer dabei sein. Denn dann könnte ich mich mehr mit den Geschichten im echten Leben identifizieren und mit den Figuren mitfiebern, aber das mag jeder anders empfinden.

Fazit

Insgesamt hat mir das Buch aber sehr gut gefallen. Es ist eine angenehme Lektüre und in meinen Augen kann man es zu jeder Tages- und Nachtzeit lesen, wenn man sich nach ein bisschen positiver und verliebter Stimmung sehnt. Ich kann es allen empfehlen, die eine ganz neue und moderne Interpretation der Mythologie erleben wollen. Und auch denen, die nach Geschichten suchen, in denen die Liebe die stärkste und positivste Kraft ist.