Rezension von Ramon

Der Junge Max wächst in den 1980er Jahren in Stavanger, Norwegen auf. Seine Eltern gehören der 68er-Generation an und haben eine Vorliebe für politische Manifeste. Immer wieder sprechen sie über den Vietnam-Krieg. Dieser wird in ihren Erzählungen, so nimmt es Max war, zum größten Verbrechen überhaupt. Auch Max beginnt sich für den Vietnam-Krieg zu interessieren und schaut alle Filme darüber, die er bekommen kann. Besonders gefangen nimmt ihn der Film „Apocalypse Now“ von Francis Ford Coppola, der sich fortan auch als ein Leitmotiv durch den Roman zieht. Doch Max verarbeitet das Gesehene auf eine andere Art, als seine Eltern sich das wünschen würden. Mit Freunden spielt er immer wieder Szenen des Vietnam-Krieges nach und kämpft dabei auf Seiten der Amerikaner. Einmal geht beim Spielen etwas schief, er wird verwundet, muss ins Krankenhaus und fühlt sich stolz als „Kriegsveteran“.

Die Entwurzelung führt zu Kreativität

Schließlich kommt es zum großen Konflikt zwischen den Eltern. Der Vater, ein Pilot, erhofft sich bei American Airlines bessere Arbeitsbedingungen als zu Hause. Also will er ausgerechnet ins Zentrum des so verhassten Imperialismus ziehen, in die USA. Der Vater setzt sich durch, doch die Mutter leidet, weil sie sich in der Provinz auf Long Island nicht mehr entfalten kann wie zuhause. Auch Max fühlt sich jetzt heimatlos und unsicher. Weil er nicht mehr seine Muttersprache sprechen kann, fällt es ihm schwer, auf andere zuzugehen. Doch dadurch erwacht auch seine Kreativität. In Briefen an seine alten Freunde in der Heimat erdenkt er sich ein spannenderes Leben als er es eigentlich führt. In der Theatergruppe findet er mit Mordecai einen neuen Freund, der seine künstlerischen Interessen und Ambitionen teilt und mit dem er über Filme und Musik fachsimpeln kann. Sehr bewegend schildert Harstad dabei, wie Max sich von Mordecai abhängig fühlt. Als dieser nur noch Zeit mit seiner neuen Freundin verbringt, fühlt Max eine große Leere. Doch dann begegnet er seiner großen Liebe, einer sieben Jahre älteren Künstlerin namens Mischa Grey. Diese fördert den noch etwas richtungslosen Max in seinen künstlerischen Bestrebungen, so dass er schließlich eine Laufbahn als Regisseur einschlägt. Schließlich wird Max genau wie Mischa zu einem erfolgreichen postmodernen Künstler …

Viele Metaebenen

Spätestens ab hier gewinnt der Roman immer mehr Metaebenen. Denn die vielen Kunstwerke und Theaterstücke, die Max und Mischa schaffen, werden oft sehr detailliert beschrieben. Nachdem im ersten Teil des Romans sehr viele real existierende Kulturgüter erwähnt wurden, wird im zweiten Teil gezeigt, zu welchen eigenen Werken diese Einflüsse führten. Dies schlägt sich bis in die von Johan Harstad selbst vorgenommene künstlerische Gestaltung seines Buchs nieder. Sowohl auf der Innenseite des Schutzumschlags als auch auf dem Buch selbst sind fiktive Ausstellungskataloge und Grafiken von Mischa Grey abgedruckt. Das Titelbild des Romans zeigt wiederum die Schauspielerin Shelley Duvall, der Mischa ähnlich sieht. 

Doch die Geschichte um Max und Mischa ist nur ein Handlungsstrang dieses 1248 Seiten langen Romans. Viel Platz ist auch der Geschichte von Max‘ Onkel Owen gewidmet, der tatsächlich im Vietnam-Krieg gekämpft hat. Seine Tagebücher aus den Jahren 1966-1970 sind im Roman abgedruckt.

Den Erzählrahmen der Geschichte bildet Max‘ Gegenwart, in der er als Theaterregisseur in Wiederholungen zu erstarren droht. Von dieser Gegenwart aus werden lange Rückblenden in die Vergangenheit unternommen, bis sich am Schluss der Kreis schließt.

Der Roman enthält immer wieder sehr üppige Abschweifungen, so dass es nicht immer leicht ist, einen roten Faden auszumachen. Dieser findet sich weniger auf der Ebene einer äußeren Handlung, sondern bei den Leitmotiven. Das Thema Vietnam und insbesondere der Film „Apocalypse Now“  spielen hierbei eine zentrale Rolle. Wenn Max den Film als Metapher für sein Leben benutzt, wirkt er dabei immer auch ein bisschen gespreizt und pathetisch. Doch genau damit spielt der Roman. Geht es Max wirklich so schlecht? Ist sein Leiden so existenziell? Oder leidet er nicht vor allem unter Langeweile? Unter Leere, weil er genügend Zeit und Muße hat, um viel nachzudenken?

Persönlicher Eindruck

Dieser Roman ist oft sehr süffig geschrieben und raffiniert konstruiert. Nur eines hat mich gestört. Nahezu alles wird vom Erzähler mit der gleichen Aufmerksamkeit bedacht. Immer wieder gibt es lange Sätze mit zu vielen nebensächliche Details, die weder Figuren noch Handlung wirklich erhellen. So habe ich mich offen gestanden gegen Schluss hin dabei erwischt, manchen Bandwurmsatz eher „wissenschaftlich“ zu lesen – Satzanfang, Satzende und dann noch mal in der Satzmitte gucken, ob man etwas Wesentliches verpasst hat. Dadurch muss man als Leser aufpassen, die Stellen, an denen der Text zu einer Essenz findet, nicht zu überlesen. Denn in dem manchmal zu ausschweifenden Erzählen verbergen sich immer wieder gelungene Metaphern und sensible Beobachtungen zur Kunst und zum Leben. Die zu langen Passagen treten aber zum Glück nur phasenweise auf. An anderen Stellen war ich wiederum sehr froh über das gemächliche Erzähltempo. Wenn Max und Mischa sich kennenlernen etwa. Diese Liebesgeschichte überzeugt vollkommen.

Fazit

Das Buch ist allen zu empfehlen, die ausgedehnte Wälzer mögen, die beim Lesen gerne lange in einer Stimmung und bei den gleichen Figuren bleiben wollen und die sich bei Romanen vor allem für die innere Entwicklung der Figuren und nicht für die äußere Handlung interessieren.