Interview mit Judith Le Huray

 

(c) Judith Le Huray

(c) Judith Le Huray

Judith Le Huray, geboren 1954, ist in Stuttgart aufgewachsen. Bereits vor der Einschulung war sie eine Leseratte, mit sechs Jahren wollte sie Schriftstellerin werden. Das dauerte jedoch einige Jahrzehnte, denn zunächst arbeitete sie als Erzieherin im Kindergarten und -heim, machte – völlig talentfrei – eine Schneiderlehre und leitete als Tanzpädagogin zwei Jahrzehnte lang ein eigenes Studio. 2009 hat sie endlich ihren Traum wahr und das Schreiben von Kinder- und Jugendbüchern zu ihrem Beruf gemacht. Besonders gern verfasst sie witzige und spannende Bücher, die als Klassenlektüre auch für leseschwache Schüler geeignet sind.

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Klar, die Konkurrenz ist enorm, und wenn man auf die Buchmessen geht wird man von der Flut neuer Bücher förmlich erschlagen. Das eigene ist gerade mal eine Nadel im Heuhaufen, die der Leser erst mal finden muss. Da ich vorwiegend bei Verlagen veröffentliche, die Klassenlektüren herausbringen, kann ich zum Glück trotzdem nicht über mangelnde Verkaufszahlen klagen.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise  die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Ich persönliche beachte sie kaum. Natürlich würde ich gerne mal auf Bestsellerlisten landen, nicht nur auf der des Verlags, aber dabei werden ohnehin nur Teile der Vertriebswege berücksichtigt. Außerdem sind wohl manche guten Plätze erkauft.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Wenn ich verkrampft die leere Seite auf dem PC anstarre, bringt mich das nicht weiter, das bereitet höchstens Kopfschmerzen. Meist hilft es, das bisher Geschriebene gründlich zu überarbeiten, danach geht es weiter. Wenn nicht, dann stürze ich mich vorübergehend in Büro-, Garten- oder Hausarbeit oder gehe mit dem Hund Gassi, um den Kopf freizukriegen.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Die Lesungen nehmen bei mir mehr Zeit ein als die Schreiberei und verhelfen mir zu einem Großteil des Einkommens. Ich bin an ca. 80 Tagen im Jahr zu etwa 150 Lesungen im gesamten deutschsprachigen unterwegs. Ich liebe diese Abwechslung. Außerdem: Lesungen sind nicht nur Werbung und Verdienstmöglichkeit, sondern man tritt auch in direkten Kontakt mit der Zielgruppe. Meine Website halte ich immer aktuell, bei den sozialen Netzwerken dagegen bin ich eher zurückhaltend.

Fabelhafte Bücher: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Das kann man nicht pauschal sagen, es muss immer zur Person, Zielgruppe und zum Buch passen.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Ich habe keine direkten Vorbilder, aber wenn ich ein Buch lese, dann achte ich schon auf den Umgang mit der Sprache, auf die Ideen, auf den Spannungsaufbau, auf das Handwerk, und lerne daraus. Dabei lasse ich mich vor allem von neueren Büchern inspirieren, um den Zeitgeist und die richtige Sprache zu treffen.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Die Zeitungen wollen verkaufen. Also setzen sie auf Artikel, die für eine breite Masse interessant sind. Die will vermutlich nichts von Autor Unbekannt beim Verlag Niegehört lesen.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Auf jeden Fall nichts übers Knie brechen, üben, mehrmals kritisch überarbeiten und erst dann ein Manuskript abschicken, wenn es rundum stimmig ist. Niemals über DKZ-Verlage veröffentlichen.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Ich versuche Themen zu meiden, von denen ich keine Ahnung habe (auch die beste Recherche ist nie so gut wie eigene Erfahrung), oder die mir selbst nach vielen Versuchen besonders schwer fallen, weil sie mir peinlich sind oder ich den Zugang warum auch immer nicht finde. Es muss nicht jeder alles können und alles schreiben.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren  insgesamt zu dem Thema?

Es kommt immer auf die Intention des Schriftstellers und die Zielgruppe an. Auf jeden Fall haben wir Autoren die Chance, den Leser zum kritischen Nachdenken anzuregen. Da ich viele Klassenlektüren schreibe, kommt das Thema „Toleranz“ in meinen Romanen regelmäßig vor, da es mir sehr wichtig ist, obwohl ich keien politischen Bücher schreibe.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Meine Hauptschreibzeiten sind normalerweise dann, wenn ich längere Zeit keine Lesungen habe, also vor allem im Winter und Hochsommer. Meist frühstücke ich zunächst gemütlich, dann mache ich ein bisschen Haus- und Büroarbeit. Anschließend, ca. 10.00 Uhr, überarbeite ich das am Vortag geschriebene Kapitel. So komme ich wieder in die Geschichte rein. Manchmal schreibe ich gleich am vormittag weiter. Ansonsten gehe ich mittags mit dem Hund Gassi und überlege mir währenddessen das neue Kapitel. Das schreibe ich dann am Nachmittag. Während lesungsreicher Zeiten mache ich eher nur Überarbeitungen, vielleicht auch von Schubladenmanuskripten, und ansonsten Büro- und Organisationsarbeiten.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten? Es ist wieder ein Jugendroman zum Thema (Cyber-)Mobbing, der voraussichtlich 2016 beim Hase und Igel Verlag erscheinen wird.

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.


www.judith-lehuray.de