(c) Carina Bartsch

(c) Carina Bartsch

Eine Geschichte muss man nicht nur lesen, man muss sie spüren„, sagt Carina Bartsch. Und die 28-jährige weiß, wovon sie spricht: Ihren Debütroman „Kirschroter Sommer“ und die Fortsetzung „Türkisgrüner Winter“ haben so viele Menschen gelesen, dass die junge Autorin die Kindle-Hitlisten stürmte. Daneben ist Carina Bartsch ein weiterer Volltreffer gelungen: Die beiden Bände sind so erfolgreich, dass Amazon die Vermarktung im englisch-sprachigen Raum übernehmen wird. Für Selfpublisher ist das der absolute Ritterschlag.

FaBü: Wenn es um Indieautoren und eBooks geht, wird der Öffentlichkeit hierzulande ein schizophrenes Bild geboten: Einerseits präsentieren bekannte Medienhäuser wie DER SPIEGEL die Tellerwäscher-zum-Millionär-Storys von Selfpublishern wie Amanda Hocking, die erfolgreicher sind als viele Verlagsautoren. Andererseits nehmen just dieselben Medien solche Autoren in den Bestsellerrankings nicht wahr. Warum diese Ignoranz?

Carina Bartsch: Darüber kann man natürlich die wildesten Spekulationen aufstellen. Mein persönlicher Eindruck ist, dass die Getrennthaltung von Selfpublishing und Verlagsveröffentlichungen nicht gänzlich unbewusst stattfindet. Einerseits sind Medien gezwungen, up to date zu sein und auch über solche Erfolge zu berichten, andererseits soll Selfpublishing nicht unnötig gepusht und im gleichen Atemzug mit Verlagsveröffentlichungen genannt werden. In dem spezifischen Fall „Bestsellerliste“ könnte allerdings auch noch eine andere Ursache zugrunde liegen. Ich habe jetzt schon von mehreren Quellen gehört, dass z.B. Amazon angeblich keine eBook-Verkaufszahlen rausgibt. Trotz Recherche konnte ich bisher nicht herausfinden, ob das tatsächlich zutrifft oder nicht. Sollte es der Fall sein, würde das natürlich eine Erklärung liefern, schließlich ist KDP die erfolgreichste Selfpublishing Plattform, somit würden bei Bestsellererrechnungen höchst relevante Zahlen wegfallen. Diese Aussage ist allerdings, wie gesagt, ohne jegliche Gewähr.

FaBü: Muss man nicht vielleicht auch die Genres wenigstens zum Teil mit verantwortlich machen? Leicht verdauliche Unterhaltungsliteratur, z. B. aus dem Fantasybereich, liegt bei eBooks im Trend. Sie genießt aber auch nicht dasselbe Ansehen, wie Romane, die gesellschaftliche Themen verarbeiten. Von Liebesromanen ganz zu schweigen.

Carina Bartsch: So aktuell ist der Fantasytrend nicht mehr, die Genres haben sich im Selfpublishing längst ausgeweitet und sind vielfältig geworden, aber davon mal abgesehen, ist Unterhaltungsliteratur das Genre, das auch in den von Ihnen erwähnten Bestsellerrankings ganz deutlich dominiert. Deshalb glaube ich nicht, dass es an Ansehensmangel des Genres liegt. Wäre das doch der Fall, müsste der Fairness halber überall mit dem gleichen Maß gemessen werden, was heißt, dass auch eine Verlagsveröffentlichung innerhalb eines solchen Genres nicht wahrgenommen werden dürfte – und das ist nicht der Fall.

FaBü: Ein Thema das Indieautoren ebenso wie die ganze eBook-Branche umtreibt, ist der Preis. Also wenn Du an die 99-Cent-eBooks denkst, oder an die Kindle-Tages-Deals: Wie beurteilst Du das?

Carina Bartsch: Mich persönlich haben die Dumpingpreise immer eher abgeschreckt als angelockt. Wenn ich ein Buch für 99 Cent sehe, dann gehe ich davon aus, dass ich nicht viel von dem Werk erwarten kann. Das war auch der Grund, warum ich bei meinen eigenen Veröffentlichungen nicht auf den Ramschpreis zurückgegriffen habe. Ich denke schon, dass es wichtig ist, den Preis für den Leser lukrativ zu halten, gerade dann, wenn man als Autor noch unbekannt ist, aber zum Verscherbeln wären mir meine Bücher zu schade gewesen. Wenn man den Indie-Markt beobachtet, sieht man, dass bei der Preisgestaltung allmählich ein Wandel vonstattengeht. Inzwischen etablieren sich Preise von 2,99 € oder 3,99 € immer mehr und lösen die 99 Cent ab.

FaBü: Wenn wir mal eine provokant zugespitzte Kritik äußern dürfen: Wenn eBook-Autoren ihre ohnehin nicht-stofflichen Produkte zu Preisen aus dem 1-€-Shop anbieten, sollten Sie sich vielleicht nicht wundern, wenn z. B. der SPIEGEL nicht bereit ist, diese mit gebundenen 25 €-Werken von Jonathan Franzen & Co. in ein Ranking zu stellen!

Carina Bartsch: Ist der Inhalt der Bestsellerliste eine Frage des Kulturguts, des Verkaufspreises oder eine Frage der Verkaufszahlen? Somit ist die Frage eigentlich schon beantwortet. Wie gesagt: würde man anfangen nach Qualität zu sieben, müsste überall gesiebt werden, und ich bin mir sicher, dass dabei auch etliche Verlagsveröffentlichungen unter den Tisch fallen würden.

Außerdem muss ich hier eine Gegenfrage stellen: Wem würden Sie menschlich mehr Anerkennung zuteilwerden lassen? Einem Autor, dessen Buch durch die Verlagsmaschinerie mit einem sechsstelligen Marketingbudget zu einem Bestseller gemacht wurde – oder einem Autor, der stets auf sich allein gestellt war, kein Budget für Werbung hatte, es aber trotzdem mit der Bereitschaft, sich den Hintern für das eigene Buch aufzureißen, geschafft hat, sich gegen alle Größen des Buchhandels durchzuboxen?

Ich müsste keine Sekunde überlegen, wie meine Antwort ausfallen würde.

 

 

 

 

 

 

FaBü: Das ist allerdings ein kluger Gedanke. Andererseits – beim Verlagsautor liegt dann vermutlich die Leistung eben auch darin, dass er einen Verlag davon überzeugen konnte, für Ihn die Marketingmaschine anzuwerfen. Trotzdem gebe ich Ihnen Recht. Reden wir über eBooks. Wie wird nach Ihrer Einschätzung der eBook-Trend – im Verein mit den von Verlagen emanzipierten Indieautoren – die Verlagswelt beeinflussen?

Carina Bartsch: Autoren werden selbständiger. Schreiben ist, wenn man sich nicht gerade Bestsellerautor nennen kann, eine brotlose Kunst – der Wunsch, von dem, was man liebt, leben zu können, ist groß und in meinen Augen auch nicht verwerflich. Bücher sind ein Milliardengeschäft, alle verdienen großzügig daran mit, Verlage, der Einzelhandel, Großhändler, Verlagsauslieferungen etc. – bei den Urhebern dagegen bleibt der geringste Anteil hängen.

Um mal eine konkrete Zahl zu nennen: Bei einem Taschenbuch bekommt der Autor durchschnittlich 5 % vom Nettoverkaufspreis. Bisher funktionierte das System in der Weise, es gab keine Alternative, ein Buch zu veröffentlichen; wenn man Autor werden wollte, blieb nur dieser Weg. Inzwischen hat sich die Welt allerdings weiter gedreht. Zusätzlich zum Offsetdruck gibt es nun den Digitaldruck, mit dem es sich lohnt, auch eine kleinere Auflage von Büchern drucken zu lassen. Den größten Wandel brachte aber die Erfindung des eBooks mit sich. Lange hat es gedauert, aber mittlerweile feiert das Medium in Deutschland seinen Durchbruch. Damit einher öffneten sich viele neue Türen für Autoren. Selfpublishing bietet sowohl unbekannten als auch bekannten Autoren Chancen, ein NoName wie ich konnte auf einmal gegen große Verlagshäuser anstinken.

Selfpublishing bedeutet Selbstverwirklichung und ist für mich sogar ein Liebesbeweis ans Schreiben: Ich habe sehr hart dafür arbeiten müssen und nichts geschenkt bekommen, um dahin zu kommen, wo ich heute bin. So viel Aufwand betreibt man nicht für etwas, das man „halt irgendwie mag“, so viel Aufwand betreibt man nur für etwas, das einem wirklich am Herzen liegt.

FaBü: Das klingt für mich wie ein Plädoyer, nicht in erster Linie auf den monetären Erfolg zu schielen, sondern eher darum, mit dem Herzen dabei zu sein.

Carina Bartsch: Genau. Es geht nicht nur um den Mehrverdienst, auch der ideelle Faktor ist beim Selfpublishing wahnsinnig hoch. Zudem beinhaltet es das von jedem erstrebte und gleichzeitig unbezahlbare Gut dieser Welt: die absolute Freiheit. Ich persönlich kann heutzutage sagen, dass die damaligen Verlagsabsagen das Beste waren, was mir hätte passieren können. Ich denke, dass in Zukunft noch weit mehr Autoren in diese Selbstständigkeit finden werden, und Verlage umdenken müssen, wenn sie ihre Autoren halten wollen.

FaBü: Immerhin waren die Verlage für die Qualitätskontrolle gut. Auch wenn bei denen sicher vieles nicht durch die Firewall kam, was wohl veröffentlichungswürdig war und umgekehrt Werke gefördert wurden, die besser nie das Tageslicht gesehen hätten. Über das Selfpublishing wird natürlich jetzt auch viel, viel Unsinn publiziert. Brauchen wir Qualitätsstandards und wie könnten die aussehen?

Carina Bartsch: Es stimmt natürlich, dass auch sehr viel Schund im Indiebereich veröffentlicht wird, trotzdem bin ich gegen eine Qualitätskontrolle. Würden sich einzelne Leute hinsetzen, als Richter fungieren und Indie-Manuskripte nach eigenem Ermessen als gut oder schlecht beurteilen, hätten wir dasselbe System wie in der Verlagswelt. Gerade der Erfolg vieler Indie-Autoren zeigt aber, dass diese Entscheidungen nach eigenem Ermessen oftmals die falschen waren – und das bei weitem nicht so selten, wie man vielleicht annehmen würde. Eines der Dinge, die ich in an der Indie-Welt liebe, ist die Tatsache, dass Bestseller nicht durch ein hohes Marketingbudget, einen bekannten Namen und bezahlte Platzierungen in Buchhandlungen „gemacht“ werden – ganz allein die Leser entscheiden, was ein Bestseller wird und was nicht. Ist das nicht für einen Autor die höchste Auszeichnung?

Ich finde, dass es genauso bleiben sollte. Was Rechtschreibung angeht, würde ich allerdings Kontrollen sehr befürworten.

FaBü: Kommen wir zur letzten Frage. Im Web gibt es manchmal eine Diskussion, die wir ziemlich abstrus finden: Der Kampf Papierbuch gegen eBook. Viele hängen sich z. B. dieses „i pledge to read the printed word“-Button auf ihren Blog. Wir finden das eBook ist längst etabliert, aber weniger als Alternative, denn als Ergänzung. So wie Taschenbücher die gebundenen Ausgaben ergänzt haben. Wie sehen Sie das? Geht mit dem eBook das traditionelle Buch unter?

Carina Bartsch: Ich sehe das genau wie ihr und kann eurer Meinung nur zustimmen: eBooks sind eine Ergänzung. Es wird nicht auf ein Entweder-Oder hinauslaufen. Ein Buch bleibt ein Buch, und ein eBook bleibt ein eBook. Beide Medien haben ihre Vor- und Nachteile, stehen aber nicht in direkter Konkurrenz zueinander, sodass das eine das andere ablösen wird.

Ich kann durchaus verstehen, wenn manche lieber ein gedrucktes Buch in den Händen halten, das ist natürlich immer eine Geschmacksfrage. Extreme Abneigung kann ich dagegen nicht wirklich nachvollziehen, weil eBooks auch wahnsinnig positive und praktische Eigenschaften besitzen. Nicht zuletzt bieten sie jungen Autoren eine Chance.

FaBü: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch und wünschen Dir weiterhin viel Erfolg.

Carina Bartsch: Vielen Dank, hat mich sehr gefreut, und mir großen Spaß bereitet, eure Fragen zu beantworten! Alles Gute für euch weiterhin!