© Kay Lipka

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Charlotte Habersack wurde 1966 in München geboren und wuchs dort als älteste von drei Schwestern auf. Als Kind war ihre Lieblingsbeschäftigung das Lesen und schon mit Sieben begann sie, ihre ersten, eigenen Geschichten zu schreiben. Später studierte sie Germanistik in Augsburg und München und arbeitete neben ihrem Studium als Kinoredakteurin beim Fernsehen. Heute schreibt sie vor allem Drehbücher und Romane für Kinder. Sie lebt mit ihrem Mann in München, liest immer noch viel und reist mit dem Motorrad durch fremde Länder.

 

 

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

 

 

Charlotte Habersack: Wenn ich über die Buchmesse laufe oder durch eine Buchhandlung gehe, ist die Flut der Bücher schon entmutigend. Natürlich denke ich dann darüber nach, ob die Welt ausgerechnet noch ein Buch von mir braucht. Aber Leserbriefe und Lesungen geben mir zum Glück das gegenteilige Gefühl. Wenn z.B., wie neulich, ein Junge während meiner Lesung, die Kapuze seines Hoodies übers Gesicht gezogen und völlig zugeschnürt hatte, sie dann aber langsam, wie eine Blüte, wieder öffnet, am Ende abstreift und zusammen mit den anderen laut lacht – dann ist das Berechtigung genug.

 

 

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

 

 

Charlotte Habersack: Ich habe davon gehört, dass die Plätze auf einigen Ranglisten gekauft werden. Das ist eine Realität, mit der wir Autoren umgehen müssen. D.h. eigentlich müsste ich bei meiner Vertragsgestaltung darauf achten, ob der Verlag bereit ist, solche Marketing-Strategien für mich zu unternehmen. Darauf habe ich aber keine Lust. Ich bin Autorin und will mich mit dem Verlag lieber über Inhalte austauschen. Bleibt nur zu hoffen, dass ich mich langfristig mit Inhalten durchsetze, auch wenn mir niemand einen Platz auf der Rangliste oder auf dem Büchertisch kauft. Ich bitte auch keine Freunde, mir amazon-Rezensionen zu schreiben.

 

 

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

 

 

Charlotte Habersack: Bei mir tauchen diese Ängste in der Regel immer dann auf, wenn ich ein neues Buch beginne. Neue Figuren, eine neue Welt erschaffen, ist unheimlich anstrengend. Das Einzige, was hilft, ist mich daran zu erinnern, dass dieser Durchhänger jedes Mal auftaucht und ich ihn immer wieder überwunden habe. Wichtig sind dann auch Kollegen, die eine erste Leseprobe bekommen und mir Mut machen.

 

 

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

 

 

Charlotte Habersack: Meine Homepage habe ich selbst gebastelt und überarbeite sie ca. jedes halbe Jahr. Meine facebook-Autorenseite vernachlässige ich mit zunehmend gutem Gewissen. Vielleicht schmälert es meinen Erfolg, dass ich mich nicht darum kümmere, aber es gibt zurecht Fachleute für so was in den Verlagen. Ich bin Autorin, keine Marketing-Expertin. Beim Urlaub buchen geht der Trend ja auch zurück zum Reisebüro. Nachdem die Leute es erst toll fanden, alles selbst auszusuchen, merken sie, wie angenehm es ist, Dinge aus der Hand zu geben, sich auf Fachleute zu verlassen.

 

 

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

 

 

Charlotte Habersack: Ich versuche einfach ‚fabelhafte’ Bücher zu schreiben und hoffe, dass das irgendjemand bemerkt. Dass meine Bücher ihren Weg zu den Kindern finden.

 

 

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

 

 

Charlotte Habersack: Bewusst oder unbewusst – ich bin sicher von all’ den Autoren beeinflusst, die ich in meiner Kindheit gelesen habe. Und das waren sehr viele! Besonders aber liebe ich Christine Nöstlinger. Sie vereint Witz, Hintergründigkeit und Authentizität. Ich hoffe, dass man davon auch etwas in meinen Büchern wiederfinden kann.

 

 

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

 

 

© Gabriella Meros

© Gabriella Meros

 

 

 

Charlotte Habersack: Kritiker sehen sich ja auch mit der großen Flut an Neuerscheinungen konfrontiert. Klar, dass sie sich gerne auf die Verlage konzentrieren, von denen üblicherweise Qualität kommt. Und auf die Autoren, die sie schon kennen und schätzen. Leider habe ich auch kein Geheimrezept dafür, wie man auf sich aufmerksam machen könnte, aber es ist schon öfter vorgekommen, dass eine Kritiker-Mutter oder ein Kritiker-Vater beobachtet haben, wie ihr Kind eins meiner Bücher nicht mehr aus der Hand legen konnte oder beim Lesen sehr lachen musste. Auf diesem Weg bin ich schon zu der einen oder anderen guten Kritik gekommen.

 

 

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

 

 

Charlotte Habersack: Wirkliche Fehler habe ich nicht gemacht. Ich kann nur empfehlen, Selbstzweifel zu überwinden. Sie gehören dazu.

 

 

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

 

 

Charlotte Habersack: Ich bin nicht gerade die Königin des Melodrams. Es fällt mir entschieden leichter, witzig zu sein, als große Gefühle zu beschreiben. Deshalb schreibe ich auch eher humorvolle Bücher.

 

 

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

 

 

Charlotte Habersack: Ich habe einen fertigen Roman über ein türkisches Mädchen in der Schublade, das gegen Kopftuch und Vater rebelliert. Der Verlag und ich haben uns schließlich schweren Herzens entschlossen, das Buch doch nicht zu veröffentlichen. Es war einfach zu heikel, v. a. als nicht muslimische Autorin, über so ein Thema zu schreiben. Generell wünsche ich mir aber, dass sich alle gesellschaftsrelevanten Themen auch in Kinder- und Jugendbüchern wiederfinden.

 

 

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

 

 

Charlotte Habersack: Wunschvorstellung: Frühstück, Zeitung lesen, schreiben, Mittagessen, schreiben, Sport, Abendessen, ins Kino gehen, gesunder Schlaf;

 

 

Realität: Frühstück, Zeitung lesen, schreiben, Selbstzweifel, schreiben, Unterzucker, plötzliche Nahrungsaufnahme, kein Sport, schlechtes Gewissen, wach liegen und darüber nachdenken, was ich alles nicht geschafft habe.

 

 

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

 

 

Charlotte Habersack: Es wird wieder eine Kinderbuchreihe für den Carlsen-Verlag. Diesmal für 8-12-jährige. Es wird spannend und ein bisschen fantastisch. Der erste Band erscheint im Frühjahr 2016.

 

 

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.

Charlotte Habersack im www