Interview mit Elke Schleich

 

Foto: Elke Schleich

Foto: Elke Schleich

Elke Schleich, geboren 1953 in Gelsenkirchen. Pferde und das geschriebene Wort – beides faszinierte sie schon als Kind. Heute lebt sie mit Ehemann und Katze in Herten-Westerholt, ganz in der Nähe eines Reiterhofes, den sie nach langer aktiver Zeit im Sattel immer noch täglich besucht. Elke Schleich ist Sekretärin an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen. Schriftstellerische Tätigkeit seit den 70er Jahren. Für „Ruf doch mal an“ wurde sie bei der Recklinghäuser Autorennacht 2008 der Neuen Literarischen Gesellschaft Recklinghausen mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. 2009 war sie mit „Als Lorrek noch durch Schalke fuhr“ Preisträgerin beim Gelsenkirchner Storywettbewerb.

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Also wenn ich ein neues Buch in Angriff nehme, denke ich über alles Mögliche nach, was die Handlung und die Figuren betrifft. Nach und nach wird dann alles immer klarer, immer vertrauter, ich sehe einzelne Szenen vor mir, höre die Dialoge, bin im Kopf meiner Figuren. Und dann brenne ich darauf, alles niederzuschreiben. Das nimmt so viel Raum ein in mir, dass da wenig Platz ist für Gedanken an die Konkurrenz.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Ich schaue sie mir an, aber sie reizen mich nicht. Viel lieber suche ich nach Unbekanntem, nach Neuem, von einem Autor, der noch nicht in aller Munde ist. Und ich freue mich riesig, wenn ich so ein Kleinod entdeckt habe. Gerade bei kleinen Verlagen ist da sehr viel Spannendes zu finden! Es ist schon merkwürdig, dass so einer Menge von Lesern das Gleiche gefällt. Es trägt doch z. B. niemand gern die gleichen Klamotten wie sein Nachbar. Doch beim Lesegeschmack fühlt man sich im Mainstream anscheinend wohler.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Mir hilft es, wenn ich mich mit den Texten anderer beschäftige. Damit meine ich jetzt nicht, dass ich es mir mit einem Buch auf der Couch gemütlich und mir meine Gedanken zum Gelesenen mache. Ich greife dann gern zu Manuskripten von Kollegen. Man gibt sich ja hin und wieder gegenseitig etwas zum Probelesen, zu dem man konkrete Vorschläge zur Verbesserung erwartet. Über diesen Umweg komme ich meist wieder in meinen Schreibfluss.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Täglich eine halbe Stunde, schätze ich mal. Rund um den Erscheinungstermin des Buchs sicher auch mehr.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Fernsehen und Radio natürlich! Nein, im Ernst, diese Medien sind marketingmäßig unschlagbar. Ich hatte einmal das Glück und Vergnügen, dass der WDR einen Hörbeitrag über mein Buch gebracht hat. Eine Mail flatterte mir ins Postfach, man hätte in der WAZ etwas über mein Buch gelesen und wolle gern ein Interview machen. Schnell war ein Termin gefunden und die Journalistin erschien mit ihrem Aufnahmegerät. Ich war nervös, aber alles lief total locker ab, wir waren auf einer Wellenlänge. Kurz darauf wurde der Beitrag gesendet. Und danach ging richtig die Post ab bei den Verkaufszahlen. Deshalb mein Tipp für Neulinge: Die Lokalpresse des Heimatortes. Ein Interview, woraus ein Zeitungsartikel entsteht, ist so gut wie sicher. Und ebnet den Weg dafür, dass auch anstehende Lesungen angekündigt werden und darüber berichtet wird. Kontinuierliche Pressearbeit ist wichtig. Ich bin froh, dass mein Verlag sie mir weitgehend abnimmt, aber man muss als Autor auch selbst immer wieder nach neuen Möglichkeiten und Ideen zur Vermarktung suchen, gerade vor Ort, wo man näher dran ist, um Kontakte zu knüpfen. Zu dem Thema fällt mir gerade auch der „Virenschleuderpreis“ ein, der jährlich tolle Aktionen würdigt und vorschlägt.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Astrid Lindgren (obwohl ich keine Kinderbücher schreibe), Barbara Noack, Amelie Fried, Daniel Glattauer – sicher auch noch einige andere, die mir jetzt nicht einfallen.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Ach, ich weiß gar nicht, ob ich so eine Rezension überhaupt einem Newcomer wünschen sollte … Leider hat sowohl ihre Anzahl als auch die Qualität merklich nachgelassen. Man fragt sich oft, ob der Rezensent das Buch überhaupt von vorn bis hinten gelesen hat.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Ich würde empfehlen, nicht sofort ein ganzes Buch ins Auge zu fassen. Als Anfänger möchte ich doch gern ein schnelles Feedback haben, damit ich überhaupt weiß, ob ich Talent zum Schreiben habe. Mit Kurzgeschichten anzufangen, übt außerdem ungemein, nicht auszuschweifen, auf den Punkt zu kommen und überhaupt … Und dann die ersten fertigen Texte nicht nur wohlmeinenden Verwandten und Bekannten zum Lesen geben, sondern besser „neutralen“ Personen. Die finden sich in Schreibgruppen (klappt z. B. super übers Internet), wo man gegenseitig kommentiert. Positiver Nebeneffekt: Man lernt, mit Kritik umzugehen! Und als Letztes: Wenn dann schließlich der Roman fertig ist, sich niemals auf einen Druckkostenzuschussverlag einlassen und es nicht nur bei den großen Publikumsverlagen versuchen! Es gibt viele Kleinverlage, die tolle Bücher herausbringen. Bei denen hat man als absoluter Frischling eher eine Chance.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Ich könnte keine brutalen Gewaltszenen beschreiben. Muss ich aber auch nicht.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Wer dazu etwas zu sagen hat im Kontext zu seinen Büchern, sollte es tun. Ansonsten finde ich, dass ich meine Meinung zu solchen Themen nicht unbedingt in die Welt posaunen muss, nur weil ich Autorin bin, und erst recht nicht, um des reinen Provozierens willen.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Ich reserviere feste Zeiten, in denen ich mich an den PC setze, aber ich bin (leider) dennoch schreibstimmungsabhängig. Heißt, dass dann manchmal trotzdem kein einziger neuer Satz entsteht. In diesen Fällen überarbeite ich geschriebene Texte oder ergänze ein Storyboard oder mache irgendwas anderes, was dem neuen Projekt zu Gute kommt.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Zurzeit schreibe ich unter dem Arbeitstitel „Ruhrpott mit Herz – Geschichten von gestern“ eine Sammlung von Episoden. Jede für sich ist abgeschlossen, doch bleiben die Hauptfiguren die gleichen. Erzählt werden Geschichten, die das Leben im Ruhrgebiet in der Zeit von 1945 bis 1975 widerspiegeln.

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.


Elke Schleich im www