Interview mit Heike Wulf

 

(c) Heike Wulf

(c) Heike Wulf

Heike Wulf lebt als Schriftstellerin und Lese- und Literaturpädagogin in Dortmund. Sie arbeitet als freie Redakteurin und Herausgeberin und leitet das von ihr entwickelte Wort-Café in der Mayerschen Buchhandlung in Dortmund. Zahlreiche Veröffentlichungen in Anthologien. 2011 erschien ihr erster Krimiband „Am Abgrund ist die Aussicht schöner“.

 

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Heike Wulf: Wenn ich marketingtechnisch denken würde, müsste ich das tun. Aber dann wäre ich sicherlich keine Schriftstellerin geworden. Denn damit reich zu werden ist utopisch. Selbst das Überleben schaffen in der heutigen Zeit nur wenige. Nein, ich schaue immer was mich interessiert. Was mich bewegt.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Heike Wulf: Ich muss gestehen, ich überflieg sie nur. Mir ist das wurscht und der allgemeine Geschmack interessiert mich auch nicht. Und wer darüber hinaus weiß, wie Bücher in Buchhandlungen – je nach Geld und Größe der Verlage – platziert werden, den wundert nichts mehr. Ich bin da nie „up to date“. Ich hab schon immer die Bücher gelesen, die mir „zufliegen“. Und das machen sie von allen Seiten. Ich hab immer ein Stapel ungelesener Bücher, ältere wie auch aktuelle, die ich nach Lust und Laune zur Hand nehme.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Heike Wulf: Das kenn ich leider auch nicht. Hat jemand eins für mich? Ich muss mir auch die Zeit freischaufeln, um an meinen Texten zu arbeiten und bewundere organisierte Autoren, die sich den Wecker stellen und vor der eigentlichen Arbeit bereits am Schreibtisch sitzen!

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Heike Wulf: Ich liebe es vorzulesen. Das macht mir unheimlich Spaß. Und natürlich hab ich alles online. Das gehört dazu. Die genaue Zeit kann ich nicht beurteilen.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Heike Wulf: Raus gehen – lesen. An Wettbewerben teilnehmen. Versuchen die ersten Geschichten in Anthologien unterzubringen. Sich so einen Namen machen. Und immer dran bleiben.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Heike Wulf: Agatha Christie – ich morde einfach auch so unheimlich gerne wie sie.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Heike Wulf: Denen müsste sich mal jemand widmen. Am besten eine bekannte Persönlichkeit. Elke Heidenreich hat das wunderbar mit „Lesen!“ gemacht. Das war immer eine tolle Mischung von bekannten und unbekannten Autoren. Leider ist sie rausgeflogen beim ZDF. Wehe dem, der zu ehrlich ist.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Heike Wulf: Tja, ich bin nicht unzufrieden und meine den richtigen Weg gegangen zu sein. Sicherlich bin ich keine berühmte Schriftstellerin. Mein Roman ist immer noch nicht fertig. Mein Erzählband: “Am Abgrund ist die Aussicht schöner“ aber fast vergriffen. Raten würde ich jedem Anfänger: Lernt erst mal das Handwerk. Beim Schreiblust-Verlag, für den ich ehrenamtlich arbeite, habe ich öfter bei der Auswahl der eingereichten Texte mitgearbeitet und nicht nur einmal die Hände über den Kopf zusammen geschlagen. Schreiben ist auch ein Handwerk. Das ist vielen nicht bewusst. Die schreiben einfach drauf los. Das ist grundsätzlich nicht verwerflich. Nur sollte ich damit nicht immer sofort rausgehen.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Heike Wulf: Zu dem Thema hatte ich letztens noch einen Workshop. Man muss wissen, worauf es ankommt, wozu Sexszenen benötigt werden und worauf man achten sollte, um nicht kitschig zu werden. Obwohl meine oft sozialkritischen Geschichten auch Gewaltszenen enthalten, merke ich, dass mir das sehr nahe geht und manchmal auch schwer fällt.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Heike Wulf: Schreiben ist Kultur. Schreiben ist Freiheit im Denken. Wir können und dürfen uns nicht einschränken lassen, nur weil es engstirnige Menschen gibt. Ich bin so unendlich dankbar darüber, in wie viele Köpfe ich dank der Literatur schon schauen konnte. Ob ich selbst so denke, fühle, das ist doch dabei unerheblich. Aber sicherlich ist es doch interessant, zu erfahren, wie fühlt ein Gegner der Siedlungspolitik? Warum fühlt er so? Warum ist es so? So lange es keine rechten Parolen sind. Und selbst das kann interessant und aufschlussreich sein. Ich hab das Buch „Vom Saulus zum Paulus“ von Johannes Kneifel gelesen. Ein war Rechter, der ausgestiegen ist und seine Geschichte erzählt hat. Von Anfang bis Ende super interessant.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Heike Wulf: Nur, wenn ich in Stimmung bin. Ich wünschte manchmal, ich wäre da strukturierter.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Heike Wulf: Ich hab zwei Projekte. Da eine ist ein Buch über Menschen in der sogenannten Midlife-Crisis sind und ihren Weg suchen und dabei auch die Vergangenheit nochmal aufarbeiten. Hört sich steif an, ist aber auch sehr humorvoll.

Als nächstes möchte ich ein Buch über Frauen mit Migrationshintergrund und Gewalt schreiben. Über ihre Leben hier in Deutschland. Wie es Ihnen geht, wie sie fühlen, was sie erlebt haben. Welche Probleme sie haben und auch was gut läuft. Ich hab schon zwei Geschichten und bin gerade auf der Suche nach weiteren.

Fabelhafte Bücher: Mit bedanken uns herzlich für das Gespräch.


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