J. Monika  Walther

 

© Barbara Dietl

© Barbara Dietl

J. Monika Walther, geboren in Leipzig, stammt aus einer jüdisch-protestantischen Familie, aufgewachsen in Leipzig und Berlin – und kreuz und quer in der ganzen Westrepublik; lebt seit 1966 im Münsterland und den Niederlanden, arbeitet seit 1976 als Schriftstellerin: Lyrik, Hörspiel, Prosa. Und immer wieder schreibt sie erfolgreiche Kriminal-geschichten. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, Preise und Stipendien.

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Nein. Literatur entsteht nicht in Konkurrenz, sondern nur im eigenen Blick in die Welt. Warum dann welche Bücher mehr wahrgenommen werden als andere, figuriert sich nach völlig anderen Gesetzen als denen des Schreibens und der Kunst. Viele Titel sind Mode und unwichtig, viele befriedigen kurzfristig Lesebedürfnisse, viele Neuerscheinungen sind nur Wiederholungen, aber generieren Geld, alles gut, aber wer sich darauf als Autor und Schriftstellerin einlässt, hat langfristig verloren. Abgesehen davon, dass sich mit Büchern, mit Literatur selten Geld verdienen lässt.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise  die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Es gibt drei Feuilletons, die ich sehr mag: ZEIT, Süddeutsche und FAZ, da gibt es auch diese und jene Listen, aber vor allem Hinweise auf Bücher, auch auf Kriminalromane, die man nie selbst entdecken würde, auf Schätze. Diese Rezensionen sind mir lieber als die Rankings, die leider so oft immer das Gleiche und Dasselbe abbilden.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Früher dachte ich jedes Mal: Nun ist alles vorbei, ich werde nie wieder schreiben. Inzwischen weiß ich, dass noch größeren Projekten zwar Neues in Kopf und Seele ist, aber die Wörter noch fehlen; also lese ich, schaue, denke nach, oder ich schreibe einfach Unsinn, der dann manchmal der Anfang des Neuen ist.

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Von allen wird heutzutage immer mehr erwartet: Eine Sängerin und Autorin muss schön sein und welterfahren und witzig und sexy und so weiter. Das muss dann jede und jeder selbst entscheiden, wie weit er oder sie dieser Mode nachgibt. Im Internet bin ich vielfach präsent, von Webseite über Portale in NRW bis Facebook. Das wird auch alles gepflegt.

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Ich bin zu einer anderen Zeit bekannt geworden, so dass ich bis heute vom Schreiben leben kann. Das Wichtigste ist ein Profil zu gewinnen und nicht den Moden hinterher zu rennen, beharrlich und leidenschaftlich zu sein.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Ich habe von Kindesbeinen an sehr viel gelesen und natürlich waren die ersten Gedichte von Trakl und die erste Prosa von Kafka beeinflusst, aber das legte sich schnell, je mehr an Wissen dazukam. Ich finde Uwe Johnson, die Bachmann, Emily Dickinson, die Droste und Helga M. Novak großartig.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Da wird sich nicht viel ändern, das ist das System, der Betrieb und immer wieder gelingt es ja dann doch, dass neue und alte Autoren und Schriftsteller „entdeckt“ werden, manchmal viel später erst, aber ansonsten ist der Literaturbetrieb eben auch ein „Betrieb“.

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Beharrlich zu bleiben, sich nicht zu sehr verwirren zulassen vom „Betrieb“ und vor allem nicht zu glauben, dass mit dem Buch der Lebensunterhalt zu verdienen ist. Da muss dann viel anderes dazukommen: Verwertungen, Lesungen, Hörspiel usw. Also nüchtern bleiben und sich nicht zu überschätzen.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Bei Gewaltszenen. Die finde ich manchmal heute mehr als breit ausgewalzt, obwohl doch weit weniger genügt, um in unseren Köpfen die Bilder zum Leben zu erwecken und ähnlich ist es auch mit der Erotik.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren  insgesamt zu dem Thema?

Wenn Autoren keine Haltung haben, gleich in welchem Bereich, dann sollten sie doch lieber nicht schreiben, aber ich erwarte von jedem Menschen, dass er zu sich steht.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Ich habe einen ganz normalen Arbeitstag ab acht Uhr und starte mit der Beantwortung von Mails und Telefonaten, um dann Notizen zu sortieren und mit dem Schreiben zu beginnen. Von zwei Uhr bis vier lese ich, um dann das Geschriebene zu korrigieren und den Anschluss für den nächsten Tag zu finden.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Gerade eben habe ich einen Band mit Gedichten von 2010 bis 2015 fertiggestellt. Er wird im Herbst erscheinen. Im Augenblick recherchiere ich für meinen nächsten Roman um Kommissar Simonsberg  (2014 erschien „Himmel und Erde“) und arbeite an der Novelle „Am Weltenrand“.

Fabelhafte Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.


J. Monika Walther im WWW