Interview mit Ursel Scheffler

 

(c) Maurice Köhl

(c) Maurice Köhl

Ursel Scheffler wurde am 29.07.1938 in Nürnberg geboren und lebt heute in Hamburg. Sie ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Bücher der Autorin gibt es in über 30 Sprachen, auch in Chinesisch. Sie macht Lesereisen im In- und Ausland. Einige ihrer Bücher erhielten Preise von Kinderjurys und andere internationale Buchpreise, z.B. critici en erba, Bologna, Die Eule, Japan, ABDA Publizistikpreis und den amerikanischen Kinderbuchpreis für „Tomate“ „The Stranger“.

 

Fabelhafte Bücher: Jedes Jahr buhlen im deutschsprachigen Raum weit mehr als 100.000 Bücher in Neuauflage um die Aufmerksamkeit der Leser. Die „Konkurrenz“ ist also gewaltig. Denken Sie über sowas nach, wenn Sie ein neues Buch in Angriff nehmen?

Als ich im letzten Jahrtausend das erste Mal auf der Frankfurter Buchmesse war, hat mich die Fülle erschlagen. Und nur einem Zufall und einem inhaltlichen Anliegen verdanke ich es, dass ich trotzdem anfing zu schreiben. Kinderbücher! Da wurde man ja sowieso nicht ernst genommen („Ach so? Ein nettes Hobby“) und ich konnte mich ungestört entwickeln. Ich bin trotz der aufmunternden Ratschläge („Schreib doch mal etwas Gescheites, etwas für Erwachsene“) meinem Thema treu geblieben, auch als meine Kinder längst erwachsen waren.

Fabelhafte Bücher: Bestsellerlisten wie beispielsweise die Spiegel-Bestseller-Liste waren immer schon heiß umstritten und doch orientieren sich nun mal viele Menschen an den Lesegewohnheiten anderer Leser. Wie stehen Sie zu solchen Bücherrankings?

Das ist, wie jeder weiß, ein Marketing-Tool und man muss sehr genau hinsehen, ob man sich darauf einlässt. Manchmal bemerkt man erstaunt, dass ein Buch trotzdem gut ist, obwohl es empfohlen wird.

Fabelhafte Bücher: Schreibblockaden, Selbstzweifel oder einfach zu viel zu tun: Jeder Autor hat mal Durchhänger. Was ist Ihr Geheimrezept?

Es ist, wie immer im Leben, wenn man in einer Sackgasse gelandet ist, muss man sich umdrehen und zurücklaufen. Die Lösung heißt Papierkorb (bzw „delete“) und etwas ganz anderes anfangen.
Außerdem verhilft es oft zu der Erkenntnis, dass Schreiben nicht alles ist, sondern das es auch wichtig, sich mit dem täglichen Leben und seinen banalen Problemen zu beschäftigen. Keller aufräumen, Unkraut jäten, um die Alster radeln, eine Ausstellung besuchen, endlich mal wieder Freunde anrufen…

Fabelhafte Bücher: Ob Indieautor oder Verlagsautor – längst wird erwartet, dass Autoren auf ihre Leser zugehen. Lesungen reichen nicht mehr, der Autor sollte möglichst auch im Internet präsent sein. Wie viel Zeit setzen Sie ungefähr für diese Aktivitäten rund ums Buch ein?

Gefühlt (und nicht gestoppt) fällt mehr als die Hälfte der Zeit für Lesungen, Verlagsgespräche, Mailbeantworten, Fanpost und Themenrecherche an. Eine Webseite ist unerlässlich. Allerdings empfinde ich Facebook als lästigen Tratschpolypen (frei nach Annett Loisan: „man muss nicht alles wissen müssen“)

Fabelhafte Bücher: Wenn Neulinge Sie nach einem Tipp fragen würden: Auf welches Marketinginstrument setzen Sie in erster Linie?

Ich verlasse mich beim Marketing auf meine Verlage. Eigene Aktivitäten beschränken sich auf Lesungen, Webseite, s.o.
Mein Tipp: Suchen Sie sich einen Verlag, der zu Ihren Themen passt. Es sei denn sie sind selbstbewusst genug, als „Indie-Autor“ zu starten… Senden Sie nie unverlangte Manuskripte ein. Machen Sie den Verlag durch eine kurze Anfrage zum Thema (schriftlich oder auf der Buchmesse) neugierig.

Fabelhafte Bücher: Von welchen Schriftstellern sehen Sie sich in Ihrem eigenen Werk beeinflusst? Wer inspiriert Sie?

Als ich 1975 startete, war mein großes Vorbild im Kinderbuch die fantasievolle Welt von Michael Ende.

Fabelhafte Bücher: Wieso werden von den großen Feuilletons, egal ob Spiegel, FAZ, ZEIT oder sonstigen Granden des Literaturbetriebs, immer nur die üblichen Verdächtigen rezensiert, die ohnehin jeder kennt? Wie könnte es gelingen, Newcomer stärker in den Vordergrund zu rücken?

Das müssen Sie doch „die üblichen Verdächtigen“, in diesem Fall die Reszensenten, selbst fragen ;-)

Fabelhafte Bücher: Nach Ihren Erfahrungen – welche Anfängerfehler würden Sie im Nachhinein vermeiden – was können Sie Neulingen empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu schreiben?

Da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Ich würde mich keinesfalls verbiegen lassen und jedem Trend folgen, sondern meinem eigenen Gespür. Es ist ja auch nicht jeder, der schreiben möchte, automatisch ein begnadeter Schriftsteller auf den die Welt gewartet hat.

Es ist wie beim Fußball: Viele wollen spielen, aber nur wenige werden Superstars. Und manches große Talent bleibt unentdeckt.

Fabelhafte Bücher: Viele Schriftsteller tun sich beim Schreiben von Sex-Szenen ziemlich schwer. Gibt es Themen oder Situationen, bei deren Beschreibung Sie sich schwer tun?

Im Kinderbuch kann ich zum Glück auf Sexszenen verzichten. Und bei der Lektüre von Erwachsenenromanen im Grunde meist auch, da finde ich die übertriebene voyeuristische Übersexualisierung oft peinlich.

Fabelhafte Bücher: Als heikel gelten auch politische Zuschreibungen, etwa Islamkritik oder Kritik an jüdischer Siedlungspolitik um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie gehen Sie mit dem Thema um und welchen Umgang erwarten Sie sich von Autoren insgesamt zu dem Thema?

Ich finde diese Themen – grad auch im Kinderbuch – wichtig. Toleranz und Verständnis für andere Nationen / Religionen / Asylanten etc. wecken ist mir ein Anliegen. Da haben Bücher eine Brückenfunktion. Kinder sind da sehr aufgeschlossen und haben große soziale Empathie.

Fabelhafte Bücher: Wenn Sie schreiben – wie strukturieren Sie Ihren Tag? Schreiben Sie, wenn Sie gerade in Stimmung sind? Oder haben Sie sich feste Zeiten reserviert?

Schreiben ist mein Beruf. Also schreibe ich jeden Tag, wenn mich nicht jemand davon abhält oder ich Interviewfragen beantworte (;-)) Ich bin Frühaufsteher. Morgens schaffe ich am meisten.

Fabelhafte Bücher: Bitte verraten Sie uns etwas über Ihr aktuelles Projekt. Wovon soll Ihr nächstes Buch handeln, was können Sie schon verraten?

Neben den Folgebänden für Serien (z.B. „Kommissar Kugelblitz in Berlin“) habe ich in den letzten drei Jahren vor allem an einem Band „Griechische Sagen“ gearbeitet, der 2015 im Verlag Herder/Kerle erscheinen wird. Ein arbeitsintensives aber sehr spannendes Projekt.

Fabelhafte Bücher: Mit bedanken uns herzlich für das Gespräch.


 

Weitere Hintergründe zur Autorin

Ursel Scheffler ist  u.a. Lesebotschafterin der Stiftung Lesen und hat 2011 die erfolgreiche Aktion „Büchertürme“ gegründet, bei der Grundschulkinder im lesesportlichen Wettbewerb turmhohe Bücherstapel lesen. Die Initiative wurde mit dem Lesepreis 2014 der Stiftung Lesen ausgezeichnet. Außerdem engagiert sie sich für Integration und Mehrsprachigkeit in der Kinderliteratur

Ursel Scheffler im www