(c) Birgit Böckli

(c) Birgit Böckli

 

Birgit Böckli gehört zur Riege der sehr erfolgreichen eBook-Autoren hierzulande und längst wurden auch traditionelle Verlage auf sie aufmerksam. Neben dem Spiekeroogkrimi „Friesensturm“, der im vergangenen Jahr bei Droemer Knaur auch als Taschenbuch erschienen ist, gibt es von ihr eine Reihe von eBooks verschiedener Genres, teils mit und teils ohne Verlag veröffentlicht, die meisten davon befassen sich auf die ein oder andere Weise mit den Abgründen der menschlichen Psyche, wie beispielsweise die Kurzgeschichtensammlung „Und dennoch ist es Leben“ zeigt, die ihr besonders am Herzen liegt. Im Moment arbeitet Birgit Böckli an einer Fortsetzung zu Friesensturm, die voraussichtlich noch in diesem Jahr erscheinen wird, außerdem schreibt sie an einem ziemlich schrägen Frauenbuch, das sie im Herbst als eBook herausbringen möchte.

 

 

Beste Bücher: Wenn es um Indieautoren und eBooks geht, wird der Öffentlichkeit hierzulande ein schizophrenes Bild geboten: Einerseits präsentieren bekannte Medienhäuser wie DER SPIEGEL die Tellerwäscher-zum-Millionär-Storys von Selfpublishern wie Amanda Hocking, die erfolgreicher sind als viele Verlagsautoren. Andererseits nehmen just dieselben Medien solche Autoren in den Bestsellerrankings nicht wahr. Warum diese Ignoranz?

 

Birgit Böckli: Ich denke, das liegt in erster Linie daran, dass auch Magazine wie der Spiegel selbstverständlich ihren Lesern gegenüber eine Verantwortung wahrnehmen wollen. So beliebt die neuen Möglichkeiten, die sich mit dem Selfpublishing eröffnen, unter Autoren auch sein mögen, diesen „selbstgemachten“ Büchern hängt noch immer ein nicht ganz einwandfreier Ruf an, und das leider auch nicht ganz zu Unrecht. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass es unter den von Autoren selbst herausgebrachten Büchern neben vielen äußerst lesenswerten Romanen eben auch eine Menge lieblos dahin geschriebener Texte voller Rechtschreibfehler gibt, von denen sich einige dennoch erstaunlich gut verkaufen. Doch bei allem Verständnis finde ich es nicht richtig, Bücher von Indie-Autoren außen vorzulassen, da dies ganz einfach ein unvollständiges und verzerrtes Bild für den Leser liefert.

 

Beste Bücher: Muss man nicht vielleicht auch die Genres wenigstens zum Teil mit verantwortlich machen? Leicht verdauliche Unterhaltungsliteratur, z. B. aus dem Fantasybereich, liegt bei eBooks im Trend. Sie genießt aber auch nicht dasselbe Ansehen, wie Romane, die gesellschaftliche Themen verarbeiten. Von Liebesromanen ganz zu schweigen.

 

Birgit Böckli: Das ist durchaus möglich, aber ich finde, das sollte man dem Leser dann auch sagen. Solange ich mich lediglich auf Verkaufszahlen beziehe, darf ich da als Redakteur eigentlich keinen Unterschied machen. Ich persönlich bemesse den Wert eines Buches eher daran, was ich als Leser daraus für einen Nutzen ziehen kann, und ein paar schöne, entspannende Stunden, in denen ich vollkommen in eine Geschichte eintauchen kann, empfinde ich als ebenso wertvoll wie die Gedanken, die aus der Lektüre eines gesellschaftskritischen Buches entstehen mögen.

 

Beste Bücher: Ein Thema das Indieautoren ebenso wie die ganze eBook-Branche umtreibt, ist der Preis. Also wenn Du an die 99-Cent-eBooks denkst, oder an die Kindle-Tages-Deals: Wie beurteilst Du das?

 

Birgit Böckli: Der Preis ist sicherlich eine wichtige Frage, und ich habe den Eindruck, dass hier bisher sowohl Verlage als auch Autoren noch sehr unsicher sind. Die Branche ist einfach zu neu, es fehlen die Erfahrungswerte. Auch ich biete mehrere eBooks für 99 Cent an, allerdings handelt es sich hierbei um Kurzgeschichten oder Novellen. Den Trend, vollständige Romane zu übertrieben niedrigen Preisen zu handeln, halte ich, ebenso wie die inzwischen fast regelmäßig stattfindenden Verschenk-Aktionen, für kontraproduktiv, ja sogar für schädlich. Nicht wenige Leser warten inzwischen bereits darauf, dass ein eBook irgendwann einmal kostenlos zu haben sein wird. Wie viel Arbeit eigentlich in einem solchen Schreibprozess steckt, wird zunehmend ausgeblendet. Gleichzeitig gibt es natürlich auch das andere Extrem in Form von Verlags-eBooks, die zu teilweise horrenden Preisen auf den Markt kommen, so dass viele Leser davor zurückschrecken. Davon halte ich genauso wenig, allerdings schadet diese Art von Preiskalkulation schlimmstenfalls dem eigenen Buch.

 

 

 

 

 

 

 

 

Beste Bücher:  Wenn wir mal eine provokant zugespitzte Kritik äußern dürfen: Wenn eBook-Autoren ihre ohnehin nicht-stofflichen Produkte zu Preisen aus dem 1-€-Shop anbieten, sollten Sie sich vielleicht nicht wundern, wenn z. B. der SPIEGEL nicht bereit ist, diese mit gebundenen 25 €-Werken von Jonathan Franzen & Co. in ein Ranking zu stellen!

 

Birgit Böckli: Diesen Kritikpunkt kann ich durchaus nachvollziehen, aber nach dem bisherigen System dürften auch da fairerweise keine Unterschiede gemacht werden, solange es um die reine Käuferzahl geht. Sollten Magazine wie der Spiegel daran interessiert sein, ein vollständiges und objektives Bild zu zeigen, müssten sie vielleicht die Präsentation mehrerer separater Listen in Erwägung ziehen.

 

Beste Bücher: Wie wird nach Deiner Einschätzung der eBook-Trend – im Verein mit den von Verlagen emanzipierten Indieautoren – die Verlagswelt beeinflussen?

 

Birgit Böckli: Ich glaube, dass der eBook Markt weiter zunehmen wird, jedoch nicht in dem Ausmaß und mit der Geschwindigkeit, wie es in den USA der Fall ist. Unter den Indie-Autoren wird es, genau wie unter ihren verlagsgebundenen Kollegen, immer wieder zu einzelnen Erfolgsstories kommen. Dass die Welle der verlagsfreien Autoren eine Gefahr für traditionelle Buchverlage darstellt, kann ich mir nicht ernsthaft vorstellen. Im Augenblick wird auf allen Seiten um die besten Plätze gerungen, das ist meiner Meinung nach nicht mehr als das übliche Auf und Ab einer Branche, die sich zwar in einer Umverteilungsphase befindet, aber dank vieler unterschiedlich orientierter Leser für jeden eine Nische bieten dürfte.

 

Beste Bücher: Immerhin waren die Verlage für die Qualitätskontrolle gut. Auch wenn bei denen sicher vieles nicht durch die Firewall kam, was wohl veröffentlichungswürdig war und umgekehrt Werke gefördert wurden, die besser nie das Tageslicht gesehen hätten. Über das Selfpublishing wird natürlich jetzt auch viel, viel Unsinn publiziert. Brauchen wir Qualitätsstandards und wie könnten die aussehen?

 

Birgit Böckli: Die meisten wirklich schlecht geschriebenen Bücher werden vermutlich auch von allein nicht lange auf den Verkaufsplattformen sichtbar bleiben und verschwinden nach kurzer Kenntnisnahme seitens der Leser in der Versenkung. Dennoch halte ich solche Negativbeispiele für durchaus schädlich. Wer sich einmal über ein eBook voller Fehler geärgert hat, wird beim nächsten Mal genauer hinschauen und im Zweifelsfall zukünftig ganz die Finger von Indie-Büchern lassen, was einfach schade ist, denn auch dort gibt es wirklich großartige Werke zu entdecken. Daher halte ich sehr viel von einer Qualitätskontrolle. Das Problem ist nur, wie diese umgesetzt werden sollte. Solange die Verkaufsplattformen selbst beinahe alles auf ihrer Seite dulden, kann eine solche Kontrolle nur als freiwilliges Gütesiegel zur ersten Orientierung dienen. Einen solchen Versuch hat vor kurzem eine Gruppe von Autoren mit dem Quindie-Projekt gestartet, eine sehr schöne Sache, der ich mich in Kürze auch anschließen werde.

 

Beste Bücher: Kommen wir zur letzten Frage. Im Web gibt es manchmal eine Diskussion, die wir ziemlich abstrus finden: Der Kampf Papierbuch gegen eBook. Viele hängen sich z. B. dieses „i pledge to read the printed word“-Button auf ihren Blog. Wir finden das eBook ist längst etabliert, aber weniger als Alternative, denn als Ergänzung. So wie Taschenbücher die gebundenen Ausgaben ergänzt haben. Wie siehst Du das? Geht mit dem eBook das traditionelle Buch unter?

 

Birgit Böckli: Manchmal glaube ich, dieser Widerwillen entspringt einer unterschwelligen Angst vor dem eBook, das als vermeintlicher Gegner und Konkurrent der gedruckten Medien erlebt wird. Möglicherweise wird das gedruckte Exemplar tatsächlich eines Tages die Ausnahme darstellen, die sogenannte Luxusausführung, die der Leser sich nur für seine Lieblingsromane leisten wird, aber ich denke, soweit sind wir zumindest in Deutschland noch lange nicht. Aktuell sehe ich keine Bedrohung für das Taschenbuch, sondern eher eine Bereicherung, wenn ich als Leser entscheiden kann, in welcher Form ich meine Bücher lesen möchte. Das ist doch wunderbar und sollte uns eigentlich alle freuen.

 

Beste Bücher: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch und wünschen Dir weiterhin viel Erfolg.