Rezension von Beste Bücher

Als Theo Decker 13 Jahre alt ist, besucht er mit seiner Mutter das New Yorker Metropolitan Museum of Art und inspiziert dort das von seiner kunstbegeisterten Mutter heiß geliebte Meisterwerk „Der Distelfink“ des niederländischen Meisters Fabritius. Mehr noch als das Bild interessiert sich der junge Mann jedoch für eine hübsche Gleichaltrige – Pippa. Ein süßer Rotschopf der ebenfalls verstohlene Blicke zuwirft und mit seinem Großvater dasselbe Meisterwerk betrachtet. Dann geschieht, was das Leben des Jungen von da an in ein unweigerliches „Davor“ und „Danach“ aufteilt: Das Museum wird von einem Bombenanschlag erschüttert, bei dem viele Menschen sterben – auch seine innig geliebte Mutter. Theo überlebt leicht verletzt.

Theo befreit sich selbst aus den zerstörten Mueumsräumen und klemmt sich dabei das Gemälde unter den Arm. Die letzten Worte wechselt er im Museum mit dem Großvater des Mädchens, Welton Blackwell. Bevor dieser stirbt, ermutigt er Theo das Bild mitzunehmen, gibt ihm einen wertvollen Siegelring und nennt ihm eine Adresse in Greenwich Village, die in Theos Leben noch eine bedeutende Rolle spielen wird. Dann stibt Blackwell und Theo stolpert durch irgendwelche Seitenausgänge auf die Straße.

Die nächsten Jahre sind für die junge Hauptperson, die aus der Ich-Perspektive schreibt, geprägt von Trauer und Angst. Trauer über den Tod der Mutter, die nach dem Verschwinden des Vaters der Mittelpunkt seines Lebens war. Seine Angst gilt dem Jugendamt, dem „Herumgereicht werden“ zu verschiedenen Verwandten oder Pflegeeltern bzw. dem Kinderheim. Für die ersten Monate kommt er bei der reichen alten Familie seines Klassenkameraden Andy Barbour unter.

Als Theo – eigentlich Theodore – die Adresse in Greenwich Village aufsucht, trifft er auf den Antiqutätenrestaurateur James Hobart, der zusammen mit dem verstorbenen Welton Blackwell eines der angeseheneren Antiquitätengeschäfte der Stadt betrieben hat. Hobart genannt „Hobie“ entwickelt sich schnell zum väterlichen Freund Theos, dem sich dieser eher öffnet, als den zahlreichen Lehrern, Behördenmitarbeitern und Psychologen, die sich von offizieller Seite um ihn sorgen. Bei Hobie trifft Theo auch Pippa wieder, die sich von dem Anschlag erholt.

Theos Leben ändert sich schlagartig, als zweierlei passiert: Die minderjährige Pippa wird von einer wenig wohlmeinenden Verwandten nach Texas geholt, während sich der spiel- und alkoholsüchtige Vater Theos aus heiterem Himmel meldet, und Theo zu sich und seiner Freundin Xandra nach Las Vegas verfrachtet. In Vegas verbringt Theo nun seine Jugendjahre. Er lernt den ungefähr gleichaltrigen Ukrainer Boris kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden wird. Doch Boris, wie Theo Halbwaise, ist kein guter Einfluss. Gemeinsam stehlen die Jungen und verbringen ihre Tage häufig umnebelt im Alkohol- und Drogendelirium. 

Schließlich stirbt Theos Vater bei einem Autounfall unter Alkoholeinfluss und Theo, mittlerweile 15 Jahre alt, schnappt sich noch in der selben Nacht seine Habseligkeiten und flieht nach New York zu Hobie. Das Gemälde begleitet ihn seit damals die ganze Zeit – wobei es derart dick unter Zeitungspapier eingepackt ist, dass er es immer nur verstohlen berührt, aber nie wirklich ansieht. Alleine das Auspacken würde ihn 20 Minuten kosten… und so kommt es, dass Theo viele Jahre braucht, um eine sehr grundlegende Entdeckung zu machen.

Rezension

goldfinch

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Um es gleich vorweg zu sagen: Donna Tartts Bestseller (englisch: The Goldfinch) ist natürlich selbst ein Meisterwerk. Grandios, intellektuell, anrührend und fesselnd. Tartt in eine Reihe mit Dan Brown und Philipp Roth zu stellen, ist keine Übertreibung. Dass das Buch in vielen Ländern der Erde zum Bestseller avancierte, sollte niemanden täuschen – mit über 1000 Seiten und vielen Passagen, die man zum besseren Verständnis auch drei oder viermal lesen kann, ist „Der Diestelfink“ weder quantitativ noch qualitativ leichte Kost. Andererseits kommt der Roman im Gewand eines Kriminalromans daher und ist daher auch schlicht spannend und unterhaltsam.

Obwohl die Bestsellerautorin mitunter ein wenig ins Fabulieren kommt, sind ihre Eindrücke, Ansichten und Schlussfolgerungen in einigen Fällen derart pointiert niedergeschrieben, dass man die Passagen einfach mehrfach lesen möchte, ob man sie nun teilt oder nicht:

„Denn es ist mir gleich, was irgendjemand sagt oder wie oft und gewinnend sie es sagen: Niemand wird mir jemals, jemals einreden können, das Leben sei ein fantastisches, lohnendes Geschenk. Denn dies ist die Wahrheit: Leben ist Katastrophe. Die Grundtatsache des Daseins – des Umhergehens auf der Suche nach Nahrung und Freunden und all dessen, was wir sonst noch tun – ist Katastrophe. Vergesst all diesen „Unsere kleine Stadt“-Unsinn, den man sich erzählt: das Wunder des neugeborenen Kindes, die Freude an einer einzelnen Blüte (…) besser nie geboren als in diese Kloake“.

Der Textauszug – aus dem Zusammenhang gerissen – soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Der Distelfink“ ein zutiefst lebensbejahendes, mut machendes Buch ist. 

Die Stimmen der Anderen

Die Dramaturgie des Weltbestsellers ist rasant und behandelt mit Tod, Liebe, Trauer und Kunst genügend der „großen Fragen“, wie die TAZ zutreffend bemerkt. Das es dabei das ein oder andere Klischee gibt, wie die Rundschau bemerkt – völlig gleichgültig. Stilistisch wohl gelungen – hier ist der Rezensentin der NZZ recht zu geben- , ist die Beschreibung der verschiedenen Milieus. Von den besseren Kreisen New Yorks über die Zocker in Las Vegas bis hin zu den internationalen Kunstdieben aus dem letzten Drittel des Bestsellers scheint alles glaubwürdig und mit Tiefe geschrieben. Das die Faszination für das eine spezielle Werk von Fabritius ein wenig übertrieben ist und mitunter in „Kapriolen abgleitet“, stimmt andererseits auch. Mit unumwundener Begeisterung spricht die FAZ von „Der Distelfink“.

Weiterführende Seiten

Donna Tartt bei BBC über „Der Distelfink“ (engl. Goldfinch)