Rezension von Fenna Wächter

Lorenz (Renz) hat sich hochgearbeitet: vom Arbeiterkind und Schulverweigerer, zum Arzt. Doch dann kommt er eines Tages nach Hause und seine Frau liegt in ihrem eigenen Blut im Wohnzimmer; ein Einbrecher hat sie getötet. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Feridun Zaimoglus Roman einsetzt, ist Renz kein Arzt mehr. Er lebt in einer kleinen Wohnung in Duisburg, malt in seiner Freizeit Ikonenbilder und beginnt den Tag damit, sich einen kleinen Happen der Asche seiner Frau auf der Zunge zergehen zu lassen.

Geld verdient er mit dem Kiosk seines Schwiegervaters – die beiden Männer stehen dort abwechselnd an der Kasse. Ihr Kundenstamm sind Menschen die immer noch nicht fassen können, dass die goldenen Zeiten des Ruhrgebiets vorüber sind, und die ihre Tage statt mit der Asche einer Toten mit einem Schnaps beginnen. Eines Tages schließlich erhält er einen Anruf: der Mörder seiner Frau soll aus der Haft entlassen werden. Der Anrufer bietet Renz einen Deal an – er soll gemeinsam mit dem Gauner Karl den verstörten Josef aus Warschau holen und sich ein wenig um ihn kümmern.

Im Gegenzug soll Renz die Chance auf Vergeltung erhalten, auf die er seit Jahren sinnt und den Mörder seiner Frau töten können. Renz nimmt an und das obwohl er doch eigentlich auch eine ganz andere Chance auf einen Neuanfang hat: Marja, die selbst einem Toten nachtrauert von dem sie sich nicht lösen kann. Zwar beteuert sie wiederholt, dass sie Renz eigentlich nicht mehr sehen möchte, und doch springt sie ihm bei, wenn er sich ab und zu dazu durchringt, um Hilfe zu bitten.

aimoglu_russZaimoglus Buch ist sprachgewaltig geschrieben und doch konnte ich es kaum zu Ende bringen. Zu düster war die Stimmung: eine hässliche Stadt voller gebrochener Menschen, tragische Schicksale, frustrierende Szenen, die oft im Nichts beginnen und im Nichts vergehen, kein einziger Charakter, der sich dem Leser je vollends erschließt oder eine Identifizierung mit ihm möglich macht. Verbindungen zwischen verschiedenen Personen werden selten erläutert und in den seltensten Fällen erschloss sich mir die Motivation eines Charakters hinter seinen Handlungen. Jede der Figuren balanciert an ihrem persönlichen Abgrund entlang, ohne dass ich als Leserin je den Drang verspürte, mitzufiebern oder auch nur mitzufühlen. Vielleicht gehöre ich nicht der richtigen Generation an, oder vielleicht fehlt mir einfach die Verbindung zum Ruhrgebiet. Eine „deutsche Saga“, die der Klappentext verspricht oder auch Bestseller-Potenzial, sehe ich hier leider nicht.