Rezension von Mona

„Jede Lebensgeschichte kennt drei Arten von Personen: diejenigen, die bei uns bleiben. Andere, die uns irgendwann verlassen. Und dann noch die, die uns gegen ihren Willen entrissen werden.“ (S. 307)

„Die fabelhaften Schwestern der Familie Cooke“ ist ein Familiendrama der amerikanischen Schriftstellerin Karen Joy Fowler, die ihren internationalen Durchbruch mit dem Roman „Der Jane Austen Club“ hatte und nun wieder einen zutiefst berührenden und unglaublich klugen Roman erschaffen hat.

Dies ist die Geschichte von Rosemary. Eine zugleich tiefgründige und gnadenlose Geschichte einer Familie, die gar nicht so zerrüttet sein müsste, wenn gewisse vergangene Dinge anders verlaufen wären. Rosemary leidet sehr unter dem Verlust ihrer Schwester Fern, von der sie im Kindesalter getrennt wurde. Diese Trennung hat außerdem für alle anderen Familienmitglieder schwerwiegende Auswirkungen, durch welche sie sich voneinander distanzieren, wenn auch ungewollt.

Obwohl das Buch ca. 350 Seiten umfasst, ist dies tatsächlich schon alles, was man über den Inhalt verraten kann, ohne zu viel zu verraten. Denn Rosemary und Fern verbindet eine sehr innige und wahrlich außergewöhnliche schwesterliche Beziehung über die – und da bin ich mir sehr sicher, die meisten in Romanform noch nichts gelesen haben werden. Außerdem enthält das Buch aufgrund dieser ungewöhnlichen Beziehung gesellschaftliche Kritik und ebenso viele (verhaltens‑)psychologische Aspekte.

Um niemandem dieses einzigartige Leseerlebnis zu nehmen, halte ich mich, was den Inhalt anbelangt, nun völlig zurück.

„Wenn man jung ist, merkt man das alles nicht, da meint man, so etwas wäre normal. Aber es kommt der Zeitpunkt, da stellst du fest, dass deine ganze Familie bekloppt ist.“ (S. 151)

Das Buch ist in der Ich-Perspektive geschrieben und Rosemary schwenkt zwischen unterschiedlichen Vergangenheitspassagen und der Gegenwart hin und her. Das verlangt dem Leser eine gewisse Konzentration ab, ebenso wie die zahlreichen psychologischen Bezüge. Außerdem erfährt der Leser erst nach ca. 1/3 des Buches, was der Clou der Geschichte ist.

fowler schwesternAb diesem Zeitpunkt entwickelt sich die Handlung in eine Richtung, die mir wahnsinnig gut gefallen hat, sie war gleichermaßen unerwartet wie grandios und wird mir noch ewig im Gedächtnis bleiben. Diese Wendung ändert aber nichts am stetig mitschwingenden tragischen Unterton des Romans. Zwar haben mich Rückblicke in die Kindheit der Schwestern unglaublich verzückt und gerade Rosemarys permanent sarkastische Art gibt dem Ganzen eine humorvolle Note, aber im Grunde ist diese Geschichte für Rosemary und Fern unglaublich tragisch.

„Für einen kleinen Moment sehe ich uns so, wie wir hätten sein sollen. Intakt und heil und alle vereint. Ein wahrhaft gleißnerisches Bild. (S. 39)

Nun aber mehr zu Rosemary, denn sie ist – neben Fern, das Interessanteste an der ganzen Geschichte. Zu Beginn wird einem direkt eine Rosemary präsentiert, die wahnsinnig intelligent ist und auch durchaus über den Tellerrand blicken kann, die aber ungeheure Schwierigkeiten im sozialen Miteinander hat und von anderen als verhaltensauffällig beschrieben wird.

Ohne Rosie genauer zu kennen, mag das nach einem Menschen mit Asperger-Syndrom klingen, aber Rosie ist viel mehr durch eine entwicklungsschwierige Kindheit so geworden, wie sie heute ist. Neben der Tatsache, dass sie sich selber als totalen Freak empfindet, hat sie auch kaum Freunde oder andere wichtigen Instanzen im Leben.

Zudem kann sie ihren Eltern auch im Erwachsenenalter nicht verzeihen, dass sie von ihrer Schwester getrennt wurde. Seither ist die Einsamkeit ihr ständiger Begleiter. Trotz dieser tragischen Umstände und dem negativen Selbstbild, das sie hat, habe ich Rosemary als wahnsinnig starke Persönlichkeit empfunden, die ihr Leben besser meistert, als manch anderer und von der man gerade aufgrund ihrer Andersartigkeit eine Menge lernen kann! Ich mochte unsere Protagonistin schon auf der ersten Seite, weil sie sich und das Leben nicht allzu ernst nimmt und allem, was sie sagt, sehr viel Tiefe verleiht. Kurz gesagt: Ich war begeistert von Rosemary!

Auch wenn die Handlung manchmal ein wenig gestreckt erscheint und man das Interesse an psychologischen Hintergründen nicht verlieren darf, habe ich es sehr genossen dieses Buch zu lesen. Eine wirklich außergewöhnliche und wichtige Geschichte, die viel mehr zu sagen hat, als es von außen den Anschein macht.