Rezension von Annemarie

Still alice GenovaWie ist es, wenn man selbst plötzlich Sachen vergisst? Nicht mehr weiß, wo man ist? Irgendwann Bekannte, seine eigenen Kinder nicht mehr erkennt? Und den eigenen geistigen Verfall – zumindest in der Anfangszeit – mit aller Härte zu spüren bekommt? Das Buch „Still Alice“ befasst sich intensiv mit diesen Fragen. Die Entstehung und der Verlauf der Alzheimer-Krankheit werden anhand der (fiktiven) Professorin Alice aufgezeigt.

Mit 50 Jahren bemerkt Alice, eine erfolgreiche Psychologie-Professorin an einer amerikanischen Universität, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Sie vergisst Sachen, verliert öfters die Orientierung. Zunächst versucht sie, die Symptome zu verdrängen, sich einzureden, dass alles ganz normal ist. Dann jedoch drängt sich ihr der Verdacht auf, dass mit ihr wirklich etwas nicht stimmt. So informiert sie sich umfassend zu den Symptomen und stellt schließlich nach dem Aufsuchen mehrerer Ärzte zu ihrem Entsetzen fest, dass sie eine früh erscheinende Form der Alzheimer-Krankheit hat, die genetisch bedingt ist. Im Laufe ihrer Krankheit verschlimmern sich die Krankheitssymptome immer mehr. Sie vergisst die einfachsten Dinge, findet sich selbst in vertrauter Umgebung nicht mehr zurecht, muss ihren heißgeliebten Job als Professorin an den Nagel hängen. Besonders dramatisch ist dabei, dass Alice im Anfangsstadium ihrer Krankheit die eigene Aussichtslosigkeit ihrer Krankheit genau mitbekommt.

Als Professorin analysiert sie alles genau, versucht die Krankheit mit allen Mitteln aufzuhalten, ihren eigenen Verfall zu verhindern. Sie nimmt neuartige Medikamente ein, gründet eine Selbsthilfegruppe und versucht durch Gedächtnistraining verzweifelt, den Verlust ihres Erinnerungsvermögens aufzuhalten oder zumindest zu verlangsamen. Doch alles ist vergebens.

Irgendwann erkennt sie schließlich ihre eigenen Kinder und ihren Ehemann nicht wieder. Aber trotz aller Dramatik arrangiert sie sich schließlich mit ihrer Krankheit und findet am Schluss doch irgendwie ihren Frieden, indem sie nur noch im hier und jetzt lebt, als „Still Alice“.

Rezension

Dieses Buch ist nicht wie andere Bücher, die sich mit dem Thema Alzheimer befassen. Das Besondere ist, dass die Alzheimer-Krankheit sowohl aus der Sicht der Betroffenen als auch aus der Sicht der Angehörigen aufgezeigt wird. Man versteht die Verhaltensweisen beider Seiten und entwickelt ein Verständnis für die Komplexität, ja, den Schrecken, dieser Krankheit.

Dennoch war ich von dem Buch etwas enttäuscht. Vieles darin kam mir unglaubwürdig vor. Denn diverse Geschehnisse sind zwar möglich, aber schlichtweg unrealistisch. Es ist zum Beispiel schon etwas merkwürdig, dass ausgerechnet eine bekannte Psychologie-Professorin an der Krankheit erkrankt und innerhalb kürzester Zeit ihr Gedächtnis verliert. Dann baut sie eine Selbsthilfegruppe auf, nimmt an einer Pilotstudie zu Medikamenten gegen die Alzheimer-Krankheit teil, und ihre Tochter bekommt – genau in diesem Zeitraum – Zwillinge durch künstliche Befruchtung.

Und da die Kinder das Gen, das für das Ausbrechen dieser frühen Alzheimerform verantwortlich ist, nicht bekommen sollen, werden all die Embryonen vernichtet, die das Gen haben. Mir kam oft der Gedanke auf, dass hier einfach nur Ereignisse und Geschehnisse wahllos zusammengewürfelt werden, damit die Story nicht langweilig wird. Ich hätte mir gewünscht, dass weniger die unterschiedlichen Ereignisse als vielmehr die seelische Zerrissenheit, die emotionalen Schwierigkeiten thematisiert werden. Das ständige Aufeinanderfolgen neuer Ereignisse geht zulasten des Tiefgangs – der eigentliche Grund, weswegen mich das Buch interessierte. Daher ist das Buch für mich persönlich einfach zu oberflächlich.

Zudem wäre eine Identifikation mit Alice sicher deutlich leichter gefallen, wenn es sich bei Alice eher um eine Durchschnittsfrau gehandelt hätte und nicht um eine – ziemlich idealisiert dargestellte – gefeierte Professorin.

So bleibt dieses Buch für mich nur eines: Ein zwar emotionaler, aber doch sehr konstruierter und wirklichkeitsferner Roman, aus dem ich für mich leider nichts mitgenommen habe.