Rezension von Mira

Inhalt

Das Haus in der Dorotheenstraße“ ist eine Sammlung von fünf Novellen der deutschen
Gegenwartsliteratur, die von Hartmut Lange geschrieben und erstmals 2013 im Diogenes Verlag
veröffentlicht worden ist. Die voneinander unabhängigen Kurzgeschichten, „Die Ewigkeit des Augenblicks“, „Der Bürgermeister von Teltow“, „Die Cellistin“, „Der Schatten“ und die titelgebende Novelle „Das Haus in der Dorotheenstraße“ spielen im Südwesten Berlins rund um den Teltowkanal und erzählen die Geschichten von Menschen, die eines gemeinsam haben: Sie alle leben ein geordnetes, gewöhnliches und fast schon unaufgeregt normales Leben, das auf einmal einen Einschnitt erfährt, den sie sich nicht erklären können.

Die fünf Novellen folgen allesamt Protagonist:innen, mit denen man sich sehr leicht identifizieren kann. In „Die Ewigkeit des Augenblicks“ geht es um einen Mann, der den Verlust seiner gestorbenen Frau nicht verkraften kann, bis nach Paris fliegt und hofft, so seinen Frieden zu finden. „Der Bürgermeister von Teltow“ erzählt von einem überarbeiteten Bürgermeister, der unter dem Druck, Beruf und Familie zu vereinbaren, zusammenbricht und anfängt zu halluzinieren. In der 24 Seiten langen Novelle „Das Haus in der Dorotheenstraße“ entdeckt Gottfried Klausen, während er beruflich in London weilt, dass seine seit Jahren bestehende Ehe eine Farce ist und sich das Ehepaar Klausen längst voneinander distanziert hat.


Die kürzeste Geschichte, „Die Cellistin“, folgt einem unbenannten Ich-Erzähler, der eines Tages im Havelland eine Cellistin spielen hört; eine Erscheinung, die er sich nicht erklären kann. „Der Schatten“ handelt von einer Frau, die mit Mann und Tochter in Hohengatow lebt. Ihr Mann ist häufig auf Dienstreisen, weshalb sich Steffi Trautwein zunehmend einsam fühlt und anfängt, an der Treue ihres Mannes zu zweifeln. Charakteristisch für diese Novellen ist das mystische, offene Ende, bei dem die Leser:innen oft kein Happy End erwarten können. Zudem werden in den Novellen ungewöhnliche Begebenheiten und surreale Erlebnisse beschrieben, die man sich nicht erklären kann und die den alltäglichen Rationalismus der Geschichten aufbrechen und im Kontrast zu der nüchternen Erzählweise stehen.


Lange gelingt es, mitunter auch sehr philosophische Fragen in seinen nüchternen Sätzen zu verstecken, sodass ein einzelner Satz mehr preisgibt, als man auf den ersten Blick denken möchte. Ihm gelingt die Kunst, die Leser: innen eintauchen zu lassen in düstere, nebelverhangene kleine oder größere private Dramen, die sich abseits der öffentlichen Wahrnehmung abspielen und in denen sich viele wiederfinden können.

Allerdings zeigt der Autor in dieser Novellen-Sammlung eine sehr konservative und traditionelle Auffassung von Rollenbildern, da die Protagonist:innen bis auf eine Ausnahme immer männlich und meist die sind, die Karriere machen, während Frauen oftmals primär für den Haushalt und die Kindererziehung verantwortlich sind.

Fazit

Nichtsdestotrotz hat mich der Schreibstil von Lange und die poetische Art, Geschichten zu erzählen, sehr überzeugt. Die Nüchternheit und die direkte Formulierung, die im Kontrast zu den surrealen und ungewöhnlichen Ereignissen im ansonsten belanglosen Alltag der jeweiligen Protagonisten und Protagonistinnen steht, machen die Novellen sehr fesselnd und flüssig zu lesen. Lange schreibt so bildlich, dass man sich sehr gut in die Situationen und Schicksale hineinversetzen kann.

Ich würde diese Novellen jedem empfehlen, der oder die Freude an einfach geschriebenen, aber dennoch tiefgründigen Geschichten hat, die fesseln und durch das offene, oftmals zugespitzte Ende nicht aus dem Kopf gehen. Lange behandelt einfache poetisch-philosophische Fragen in seinen anfangs unscheinbaren Alltagserzählungen, die einen das Buch nicht mehr aus der Hand legen lassen.