Rezension von Anastasia

Der Raum hatte etwas Magisches an sich. Alles hier unten wirkte wie in einer alten vornehmen Apotheke und gleichzeitig erinnerten die zahllosen bunten Flakons an eine verrückte Hexenküche. (Anna Ruhe)

Inhalt

Luzie ist erst vor Kurzem mit ihrer Familie – ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder Benno – von Berlin aufs Land gezogen, und zwar in eine alte, fast baufällige Villa: die Villa Evie. Während Luzie ihre alte Wohnung in Berlin und ihre beste Freundin vermisst, fällt ihr auf, dass mit ihrem neuen Zuhause etwas nicht stimmt. In der Villa riecht es komisch – und zwar nach ganz vielen Gerüchen gleichzeitig. Um herauszufinden, was das alte Haus für ein Geheimnis verbirgt und wo die Gerüche herkommen, macht sich Luzie zusammen mit ihrem Bruder Benno und dem Nachbarsjungen Mats auf Entdeckertour. Dabei stoßen sie unter anderem auf einen alten Globus, der statt Ländern Pflanzenbeete abbildet, auf einen mysteriösen Schlüssel und auf Willem, einen angsteinflößenden alten Mann, der das Gewächshaus auf dem Grundstück pflegt und jedem droht, der sich diesem nähert. Irgendwann finden die Drei endlich das passende Schloss zum Schlüssel und staunen nicht schlecht. Sie sind auf ein Geheimversteck gestoßen, in dem sich hunderte von Glasflakons mit schillernden und duftenden Flüssigkeiten befinden. Dass es sich um keine gewöhnlichen Parfüms handelt, finden Luzie, Mats und Benno schnell heraus. Und plötzlich geht nicht nur von Willem eine potenzielle Gefahr aus, denn auch in den Parfümflakons lauern Düfte, die besser nicht herauswabern sollten. Als dann immer mehr Leute in der Stadt komisch werden, sind die Freunde sich sicher, dass ein Duft daran schuld ist.

Rezension

Ein Buch, das alle Sinne anspricht – nicht nur den Geruchssinn. Bereits das Cover ist eine wahre Freude für die Augen. In schillernden Farben, mit Glitzerelementen und wunderbar verschnörkelten Details strahlt es einen bereits von Weitem an.

Als ich mit dem Buch begonnen habe, ist mir zunächst der lockere und flüssige Schreibstil der Autorin, Anna Ruhe, aufgefallen. Ich habe sehr einfach in das Buch und die Geschichte hereingefunden und Luzie war mir direkt sympathisch. Das Thema ‚Gerüche‘ und ‚Düfte‘ wurde schon direkt zu Beginn aufgegriffen und zieht sich durch das ganze Buch – auch bei Passagen, die nicht unmittelbar mit der Duftapotheke zu tun haben. Die Autorin verwendet vorwiegend Alltagssprache, zwischendurch finden sich aber auch Begriffe, die für die jüngeren Leser vielleicht noch unbekannt sind. Diese werden allerdings verständlich erklärt und zum Teil sogar durch eine Illustration veranschaulicht. Außerdem finden sich in dem Buch viele lateinische Begriffe – die lateinischen Namen von Pflanzen. Hierdurch kommt der Leser mit einer vorwiegend unbekannten Sprache in Kontakt, was einen wichtigen Beitrag zum literarischen Lernen leisten kann. Die Autorin versteht es hervorragend, durch ihre sehr bildhaften Beschreibungen die unterschiedlichsten Sinne anzusprechen und gleichzeitig die Vorstellung des Lesers anzuregen. So haben beispielsweise die Düfte in der Duftapotheke die schillerndsten Farben, sie machen Geräusche (‚zischen‘) und die Gerüche werden so beschrieben, dass sie beim Leser wie auch bei der Hauptfigur Luzie die unterschiedlichsten Assoziationen hervorrufen können. Nur teilweise hatte ich Probleme, mir einige Beschreibungen bildlich vorzustellen.

Die Geschichte selbst nimmt zu Beginn erst sehr langsam an Fahrt auf – hier werden vorerst die Figuren, der Ort und die Hintergründe vorgestellt. Sobald die Kinder die Duftapotheke entdeckt haben, wird es dann aber spannender und gegen Ende fiebert man richtig mit. Die Charaktere sind alle weitestgehend realistisch dargestellt. Die Eltern sind nicht clichéhaft, sondern eher ein bisschen chaotisch. Die Geschwister haben eine gute Beziehung zueinander und Luzie kümmert sich vorbildhaft um ihren Bruder. Dass die Figuren in diesem Buch nicht perfekt sind und ihre eigenen Probleme haben (die vermutlich vielen Lesern selber bekannt vorkommen), macht das Ganze noch realistischer und glaubwürdiger: Luzie, die Heimweh und Angst vor dem ersten Schultag an der neuen Schule hat; Mats, dessen Vater die Familie verlassen hat und der ständig von seinem älteren Bruder aufgezogen wird. Durch die Ich-Perspektive erhält der Leser auch einen Einblick in Luzies Gedanken und Gefühle. Dennoch habe ich das Gefühl, Luzie nicht so richtig kennengelernt zu haben und nicht wirklich viel über sie zu wissen.

Der hauptsächliche Handlungsort – die Ville Evie, das Gewächshaus und natürlich die Duftapotheke – wird ebenfalls sehr ausführlich beschrieben und ist dadurch, dass Vieles dort alt und teilweise antik ist, noch magischer und besonderer. Meiner Meinung nach das perfekte Setting für eine fantastische Geschichte.

Die Illustratorin Claudia Carls, die auch das Cover gestaltet hat, hat auch im Buch einige Illustrationen hinterlassen. Diese sind ganz in schwarz-weiß gehalten. Die Illustrationen dienen vorwiegend dekorativen Zwecken. So findet sich auf der ersten Seite eines Kapitels jeweils ein sehr verschnörkelter, hübscher Parfümflakon. Zwischendurch gibt es aber auch Bilder, die eine Situation oder einen Gegenstand aus der Geschichte abbilden und teilweise werden auch Briefe oder Seiten aus Tagebüchern durch Illustrationen dargestellt.

Das Buch bietet eine schöne Lektüre für Zwischendurch. Wegen der Covergestaltung, der Illustrationen und des Themas werden von der Geschichte wahrscheinlich eher Mädchen angesprochen. Auch die weibliche Hauptfigur, obwohl sie nicht mädchentypisch dargestellt ist, wird diese Präferenz eher verstärken – was schade ist, da es ja auch zwei männliche Hauptfiguren gibt.

Fazit

Mit dem Auftakt der Reihe Die Duftapotheke ist Anna Ruhe eine wunderbare, fantasievolle und bezaubernde Geschichte gelungen. Im Fokus liegt der Geruchssinn – Gerüche, magische Düfte und Parfüms. Abgerundet wird das Leseerlebnis durch die wunderschönen Illustrationen von Claudia Carls. Das Buch wird zwar ab etwa 10 Jahren empfohlen, kann aber sehr gut auch für ältere Leserinnen (und Leser) geeignet sein. Es ist bereits ein zweiter Teil im Arena Verlag erschienen: Die Duftapotheke – Das Rätsel der schwarzen Blume. Ich bin schon sehr gespannt, wie es weitergeht, da einige Geheimnisse offengeblieben sind. Der erste Teil bekommt von mir 4 von 5 Sterne (empfehlenswert).