Rezension von Anastasia

„Wenn die Bücher, die niemand las, vernichtet wurden, dann wurden auch die Menschen in ihnen ausgelöscht. Wie ein Blatt im Herbst. Ein verwelkendes Blatt. Das sich auflöst und zu Staub zerfällt. Was für ein furchtbarer Gedanke.“

Inhalt

Anna liebt Bücher über alles. Einer ihrer Lieblingsorte ist daher die Bibliothek, wo sie Bücher durchblättern und ausleihen kann. Aber eines Tages erfährt Anna, dass es auch Bücher gibt, die keiner mehr ausleiht. Diese Bücher sollen nun alle vernichtet werden – für Anna eine unvorstellbare Grausamkeit. Daher fasst sie einen Plan: Sie leiht die Bücher aus, um sie zu lesen und so zu retten. Dabei entdeckt sie eine fantastische Geschichte – Der verhexte Wald –, die sie so in ihren Bann zieht, dass sie mit dem Lesen nicht aufhören kann. Doch dann fehlt die letzte Seite des Buches und somit die Aufklärung des Geheimnisses. Gemeinsam mit ihren Klassenkameraden, Lehrern und bald mit den Bewohnern des ganzen Landes versucht sie, herauszufinden, wie das Buch endet. Ob es ihnen wohl gelingen wird?

Rezension

Klaus Hagerup, der Autor dieses Buches, hat mit Das Mädchen, das die Bücher retten wollte eine wunderschöne und fast magische Geschichte geschaffen, die nur als Hommage an das Medium Buch und das Lesen verstanden werden kann.

In der Geschichte geht es daher vorwiegend um das Thema Bücher und ihre Besonderheiten. Die Grundschülerin Anna, die Bibliothekarin Frau Monsen, ein anderer Mitarbeiter der Bibliothek sowie Annas Lehrer gelten hier als Identifikations- und Vorbildfiguren: Sie alle lieben Bücher. Insbesondere durch Anna erfahren wir, was das Lesen so besonders macht. Bücher lassen Probleme vergessen, ermöglichen Freundschaften mit den Figuren und bieten spannende Geschichten. Außerdem regen sie die Fantasie an.

Jeder, der gerne liest, findet sich in diesen Beschreibungen wieder. Für Nichtleser können diese Aspekte zudem zum Lesen motivieren. Neben dem Hauptthema spielen auch ernstere Themen wie das Älterwerden, Ängste, Tod und Trauer eine gewisse, wenn auch untergeordnete, Rolle. Mit diesen wird allerdings sehr behutsam umgegangen, sodass keine Bedrücktheit auftritt.

Die Geschichte an sich ist für ein Bilderbuch recht lang, wird aber zu keiner Zeit langweilig. Gerade durch das Rätsel um das geheimnisvolle Buch bleibt die Spannung bis zum Schluss erhalten. Ansonsten ist die Geschichte eher ruhig und unaufgeregt, plätschert eher so vor sich hin.

Die Sprache ist beinahe poetisch – durch viele sehr kurze Sätze. Komplexere Satzkonstruktionen finden sich eher selten. Durch die Bildhaftigkeit der Sprache und die Verwendung rhetorischer Mittel ist der Text sehr ästhetisch. Die Wortwahl ist ebenfalls ansprechend und gut verständlich. Nur selten werden für Kinder unbekannte Wörter verwendet – aber dann auch kindgerecht erklärt.

Einige kleine Kritikpunkte gibt es allerdings. So sind einige Seiten doch sehr textbeladen – was den erwachsenen Leser eher nicht stört, den kindlichen Leser aber wahrscheinlich schon. Hier wird sich mit vielen Absätzen beholfen, die allerdings teilweise nicht ganz logisch gewählt sind – so zum Beispiel mitten in einem Gespräch. Dadurch wird der Lesefluss dann etwas gestört. Außerdem ist der Themenwechsel – erst geht es um die Rettung der Bücher, danach nur noch darum, herauszufinden, wie das Buch Der verhexte Wald endet – nicht ganz nachvollziehbar.

Die Illustrationen sind von Lisa Aisato, die unter anderem auch das Buch Die Schneeschwester von Maja Lunde (siehe meine Rezension von Die Schneeschwester) illustriert hat. Aisato hat einen ganz eigenen und sehr besonderen Malstil, der jedes Buch zu einem Kunstwerk macht – so auch hier. Die Personen sind fast fotorealistisch und weisen doch eine gewisse Abstraktheit auf. Die Farben sind warm und sehr angenehm – und die Farbwahl variiert stark, sodass sich viele Farbtöne wiederfinden und Abwechslung in die Bilder bringen. Durch die Fotorealistik wirken die Bilder sehr lebendig und Emotionen werden gut herübergebracht. Außerdem ist die Detailliertheit der Bilder hervorzuheben, die zum entdeckenden Betrachten einladen.

Fazit

Dieses Buch ist wirklich wunderschön und hat eine tolle Botschaft, die zum Nachdenken anregt. Die Kombination aus der beinahe poetischen Sprache, der ruhigen und doch spannenden Geschichte sowie den einzigartigen Illustrationen von Lisa Aisato machen es zu einem kleinen Schatz.

Durch die verträumte Art eignet es sich hervorragend als Gutenacht-Geschichte – zum Vor- oder Selberlesen. Zudem bietet das Buch gute Einsatzmöglichkeiten für den Literaturunterricht in der Grundschule. Die Schüler können darüber diskutieren, was ihnen Bücher bedeuten. Außerdem können sie einen eigenen Schluss für die Geschichte Der verhexte Wald schreiben.

Da einige ernstere Themen angesprochen werden und die Protagonistin im späten Grundschulalter ist, empfehle ich das Bilderbuch ab etwa 8 Jahren aufwärts. Wegen wenigen kleineren Kritikpunkten bekommt das Buch von mir wohlverdiente 4 ½ von 5 Sterne.