Rezension von Anjana

Inhalt

Vor sechs Jahren wurde Ralf Parceval zu lebenslanger Haft verurteilt, wegen dem Mord an 15 Menschen, die einen Terroranschlag verübten und Unschuldigen das Leben nahm. Nach deutschen Gesetz ist er ein Straftäter, in seinen Augen hat er jedoch versagt, da er die falschen Leute erwischt hat.

Nach sechs Jahren gelingt ihm die Flucht und er beginnt seine Jagd auf die, die wirklich hinter dem Attentat steckten. Und deckt dabei Dinge auf, die weiter reichen als er gedacht hatte.

Sprachlich/Literarisch

Der Thriller beginnt ohne Prolog direkt mit Kapitel eins. Er besteht insgesamt aus 75 Kapiteln, deren Länge sehr unterschiedlich sind.

Geschrieben ist das Buch aus der Sicht eines personales Erzählers, der zwischen verschiedenen Charakteren hin- und herwechselt, sich aber die größte Zeit bei dem Protagonisten Parceval aufhält. Dabei wird nicht in einem Kapitel aus der Sicht von nur einer Person erzählt, auch innerhalb der Kapitel wechseln die Blickwinkel, jedoch befinden sich die Personen dabei alle in der gleichen Szene.

Diese Erzählweise ermöglicht dem Autor Chris Landow einen Einblick in die Gedanken und Emotionen der jeweiligen Figuren zu geben, schafft jedoch auch genug Distanz um Informationen zurückzuhalten, die der Leser erst später erhalten soll.

Die verwendete Sprache ist flüssig und durchdacht, jedoch nicht abgehoben oder mit Fachwörtern beladen. Dialektik und Umgangssprache sind an den passenden Stellen verwendet worden und auch die Sprache bei dem Charakter, bei dem der Erzähler gerade verweilt, ist der Person angepasst. Ebenfalls zu erwähnen ist der Aufbau und die Gestaltung von Situationen. Landow ist es gelungen, das Verhältnis zwischen Dialog, Beschreibung von Umgebung und dem Erzählen des Geschehens perfekt in Waage zu bringen. Damit werden die Szenen nicht langatmig, man hat jedoch auch nicht das Gefühl, dass man durch die Ereignisse hindurch hastet.

All das zeugt von einer Erfahrenheit des Autors, der weiß, wie er einen flüssigen Stoff schafft und den Leser mit seiner Sprache einfängt.

Handlung

Zu Beginn ahnt der Leser nicht, welches Netz aus Zusammenhängen sich Landow zusammengesponnen hat. Scheinbar geht es um einen Häftling, der seinen Plan, die Rache für den angenommenen Tod geliebter Menschen, noch nicht zu Ende gebracht hat, und deswegen auf glühenden Kohlen sitzt. Er hat ungemeines Glück, als er aus dem Gefängnis geholt wird, um einen Verdächtigen auf die unfeine Art zu verhören, und dabei fliehen kann.

Nach und nach ergeben sich die Zusammenhänge zu dem Mord, wegen dem Parceval aus seiner Zelle befreit wird, und dem dahinter steckenden Geheimnis eines Paars, das seit mehreren Jahren schon böse Geschäfte macht. Dem Leser wird klar, dass es hier um viel mehr geht.

Im Gegensatz zu anderen Thrillern baut Landow nicht ausschließlich auf die Spannung und Neugier der Leser, die unbedingt wissen wollen, wie es weitergeht. Er geht sogar recht großzügig mit Informationen um, sodass ein mitdenkender Kopf schnell Schlüsse ziehen kann.  Was den Leser trotzdem bei der Stange hält und aus dem Werk einen spannenden Thriller macht, ist das Ungewisse über Parcevals Vorgehen. Wie wird er weiter handeln, um seinem Ziel näher zu kommen? Welche Personen spielen welche Rolle in seinem Plan?

Die Schuldigen sind schnell gefunden, es geht nicht mehr um die Suche nach dem Ziel als vielmehr um den Weg dorthin. Insgesamt ist alles schlüssig, es ergeben sich keine Widersprüche oder unklare Zusammenhänge. Der Autor hat alles durchdacht und sicher mit einem guten Storyboard gearbeitet.

Die Kulisse Berlin ist eine interessante Wahl, da es aufgrund der Nähe für viele Leser eine bessere Identifizierungsmöglichkeit mit dem Hauptprotagonisten bietet. Auch geht das Geschehen eher unter die Haut als wenn es in einer fernen amerikanischen Großstadt spielen würde.

Besonders interessant ist der Charakter von Parceval. Er stellt einen unperfekten Helden da, der ein ehrenhaftes Ziel hat, jedoch mit seinen Methoden des Öfteren über die Stränge schlägt. Hier zeigt sich deutlich die Menschlichkeit des Protagonisten und schafft erneut Nähe zwischen Leser und Charakter. Gleichzeitig kann der Leser auch etwas von Parceval lernen: Dieser hat mehrere Jahre im Gefängnis zugebracht und gelernt, zu warten, ohne jedoch sein Ziel aus den Augen zu verlieren und dafür zu kämpfen.

Abschließendes Gesamtbild

„Parceval“ von Chris Landow ist ein gelungener Thriller, der jedoch seinen fesselnden Charakter nicht durch die polizeiliche Ermittlung nach dem Täter oder durch die Leiden eines Opfers, sondern durch das Handeln des Hauptprotagonisten Parceval erhält.

Besonders gelungen ist auch das Ende. Als Auftakt einer Serie schließt sich das Geschehen auf den letzten Seiten nicht ab, es bleibt die ein oder andere offenen Frage und die Neugier auf die Fortsetzung. Jedoch endet das Buch an einer Stelle, an dem Parceval einen ersten kleinen Sieg erlangt hat, da er nun weiß, in welche Richtung seine weitere Suche nun gehen wird, da er nun die wahren Hintergründe des Attentats vor sechs Jahren kennt. Somit bleibt der Leser mit einer ersten Befriedigung zurück, die das Warten auf den nächsten Teil erträglicher macht.