Rezension von Anjana

Nathalie, eine junge Frau, kehrt nach langer Zeit für Forschungen für ihre Doktorarbeit in ihre alte Heimat nach Mossmarken ans Moor zurück. Ein Moor, welches wohl als Ort für Menschenopfer in der Eisenzeit genutzt wurde. Eigentlich will die Biologin nicht an ihre Vergangenheit denken, doch als sie erst einem jungen Mann das Leben rettet und in nächster Zeit Leichen gefunden werden, wird sie direkt damit konfrontiert. Und um zu erfahren, was an diesem geheimnisvollen Ort passiert ist, muss sie ganz an den Anfang des Weges, den sie eigentlich nie wieder betreten wollte.

SPRACHLICH/LITERARISCH

Der Roman beginnt mit einem Prolog, der etwa eine Woche vor dem ersten Kapitel liegt und damit ein klein wenig in der Handlung vorweg greift. Er gibt einen Vorgeschmack auf die kommende Handlung, erzeugt ein wenig Spannung und sorgt dafür, dass der Leser am Buch bleibt. Die Handlung hat einen personalen Erzähler, der sich vorwiegend bei den Hauptfiguren Nathalie und Maya aufhält und von ihren Gedanken berichtet.

Sehr passend sind die Rückblicke auf die Vergangenheit von Nathalie, die damit in die doch so verhasste Kindheit zurückschaut und der Leser dadurch einen Eindruck erhält, warum Nathalie so ist, wie sie ist. Diese Flashbacks sind zudem auch an passenden Stellen eingesetzt, entweder wo sich Nathalie ganz bewusst erinnert, oder wo es dann zum darauffolgenden Geschehnis in der Gegenwart passt. Die Autorin Susanne Jansson, beziehungsweise die Übersetzer Lotta Rüedder und Holger Wolandt, haben eine flüssige Sprache mit sauberer Grammatik zu Papier gebracht, weswegen sich der Roman gut lesen lässt.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Formatierung. Das Buch hat sieben zahlenmäßig nummerierte Kapitel, einen Prolog und einen Epilog. Die geringe Anzahl der Kapitel liegt jedoch nicht an der geringen Seitenzahl, sondern eher Gegenteilig an der hohen Seitenzahl eines einzelnen Kapitels. Da es innerhalb eines solchen jedoch Absätze und Seitenumbrüche gibt, die man vom Gefühl heraus als ein neues Kapitel bezeichnen könnte, da die Erzählerperspektive wechselt und somit quasi ein neuer Abschnitt beginnt, könnte man bei diesen Kapiteln auf von Teilen sprechen.

Die Absätze, die immer wieder vorkommen, sind etwas verwirrend, da sie an Stellen mitten in einer laufenden Szenerie eingesetzt sind und man als Leser für einen Moment davon ausgeht, dass es sich um einen Szenen- oder Blickpunktwechsel oder Sprung in der Zeit handelt. Es handelt sich jedoch meist um das Ende von den Gedanken eines Charakters, auf das dann wieder die Handlung vor Ort folgt. Für mich ist diese Formatierung insgesamt etwas gewöhnungsbedürftig, jedoch nicht direkt störend. Natürlich kann ich nicht sagen, ob diese Art und Weise den schwedischen Standards entsprechen und auf die deutsche Fassung übernommen wurde.

HANDLUNG

Im Buch gibt es nach meiner Ansicht zwei Haupthandlungen. Die eine bezieht sich auf Nathalie mit ihrer inneren Zerrissenheit und die Aufarbeitung ihrer Vergangenheit. Die zweite Handlung ist der Fall der gefundenen Moorleichen, der von der Polizei bearbeitet wird. Beide Handlungsstränge stehen miteinander in Verbindung, beeinflussen sich. Am Ende des Buchs führt der eine sogar zur Lösung des andere. Trotzdem ist keiner der beiden vorherrschend.

Das Buch ist ein Roman und sollte auch meiner Meinung keine andere Bezeichnung erhalten, da dafür bestimmte Kriterien nicht erfüllt werden. Nimmt man den Fall der Moorleichen und die Aufklärung durch die Polizei her und sieht ihn als einzeln stehenden Inhalt, so könnte man sagen, es handle sich bei „Opfermoor“ im einen Krimi oder gar Thriller, wenn man die Umstände betrachtet. Jedoch fehlt ihm für ein Werk dieser Genres die Spannung, das Geheimnisvolle. Die Polizeiarbeit steht hier nicht im Vordergrund, ich als Leser habe der Aufklärung des Falls nicht entgegengefiebert, war nicht von der Spannung gefesselt. Trotzdem war der Fall wichtig, da er Einfluss auf den anderen Handlungsstrang, die Aufarbeitung der Vergangenheit von Nathalie, genommen hat. Diese Handlung hingegen erzählt die Geschichte von einer jungen Frau, die sich ihrer verhassten, verdrängten Kindheit gegenüber gestellt sieht, als sie zu Beginn die Polizeiarbeit durch die Rettung eines jungen Mannes ins Rollen gebracht hat.

Dabei schien mir der Prozess der Verarbeitung, der Aufarbeitung, etwas unwirklich. Die Vergangenheit der jungen Frau wird dem Leser in den ersten Zügen des Romans dramatisch, ja fast schon unheimlich, dargeboten und stellt damit einen Anspruch, dem die restliche Handlung nicht ganz gerecht wird. Der ganze Prozess, den Nathalie dann durchlebt, läuft sehr schnell und oberflächlich ab, ganz so, als säße das Trauma doch nicht so tief, wie am Anfang vermittel wurde. Schuld hierfür können die nur reichlichen 300 Buchseiten sein, in denen es die Autorin Susanne Jansson nicht ganz geschafft hat, das Szenario auszubauen.

Auch etwas schade: Im ersten Kapitel werden „Engelchen und Teufelchen“ auf den Schultern von Nathalie dargestellt, die in ihr das Für und Wider von der Begegnung mit dem jungen Mann Johannes abwägen. Dieses „Spiel“ hätte beibehalten werden können, wird aber leider nicht weiter ausgebaut beziehungsweise kommt nicht nochmal vor.

PERSONEN/CHARAKTERE

Die Anzahl der Personen ist übersichtlich, es treten nicht ständig neue Charaktere auf, was dem Verständnis und der „Einfachheit“ und dem angenehmen Lesefluss sehr zugute kommt. Sehr passend ist die Gedankenwelt Nathalie mit den Rückblenden in ihre Vergangenheit, die dem Leser verdeutlicht, wie zerrissen sie ist. Sie ist auch die einzige, die sich handlungsbedingt im Roman etwas verändert.

Andere Figuren, wie die neugierige Maya, der gutmütige Leif oder der etwas verrückte Göran, tragen mit ihrem Charakter und ihrem Handeln zum Fortschreiten der Handlung bei und sich selbst in den unterschiedlichen Situationen treu. Eine Besonderheit ist, dass die weiblichen Hauptcharaktere wie Nathalie und Maya teile aus dem Leben der Autorin Jansson verkörpern.

ORTE

Die Kulisse des schwedischen Moors, vor dem sich die Handlungen abspielen, ist spektakulär und real dargestellt. Es hat genau die richtige Charakteristik, um einem Thriller die richtige Athmosphäre zu geben. Aber auch für die düstere Situation um die Vergangenheit von Nathalie macht Mossmarken etwas her. Da die Autorin selbst aus der Gegend kommt, kann sie somit Orte und Schauplätze realistisch und wahrheitsgetreu darstellen. Zudem haben die Beschreibungen ein „gewisses Etwas“, welches bei nur recherchierten Orten fehlt und somit die Kulisse im Buch authentischer Wirken lässt.

Ein kleiner Kritikpunkt, der aber sehr individuell ist, ist die Erwähnung, dass sich das ganze in Schweden abspielt. Hat man sich vorher nicht genauer damit auseinander gesetzt und einfach in das Buch hineingelesen oder kennt man die Ortsnamen nicht, so ist auf den ersten ein bis zwei Kapitels für den Leser unklar, dass es sich hier um das Land Schweden handelt. Manche mag das stören, andere nicht.

ABSCHLIEßENDES GESAMTBILD

Zu sagen ist, dass sich das Buch angenehm und flüssig liest und ein rundes, schlüssiges Bild gibt.. Ich bin, trotz fehlender Spannung im Fall der Moorleichen, drangeblieben und habe den Roman gerne gelesen. Mit etwas mehr Ausbau, einer höheren Seitenzahl und ein wenig mehr „Psychothrill“ als i-Tüpfelchen, würde der Roman der Bezeichnung „Psychospannung pur“ wirklich gerecht werden.