Rezension von Anjana

David Berger ist ein erfolgreicher, berühmter Anwalt, der in seinem Leben alles hat, was er braucht; einen gut bezahlten Job, eine stattliche Wohnung, eine schöne Freundin an seiner Seite und einen besten Freund, dem er alles anvertrauen kann. Alles ändert sich jedoch, als er an Tabletten kommt, die ihn wie ein Aufputschmittel wach halten sollen. Von ihnen scheint ein Unheil auszugehen, denn kurz darauf wird eine Frauenleiche in Davids Wohnung gefunden und sein bester Freund stürzt aus dem Fenster in den Tod. Und er wird für den Schuldigen gehalten. Doch nichts scheint so zu sein, wie es auf den ersten Blick aussieht, denn als die junge Nina in sein Leben tritt, beginnt ein Abenteuer, an dessen Ende mehr steht als nur der Beweis seiner Unschuld.

SPRACHLICH/LITERARISCH

Mit „Das Morpheus-Gen“ trägt der Thriller einen vielversprechenden Titel. Er lässt erahnen, dass es sich bei der Story nicht um einen gewöhnlichen Fall handelt, der in einem Wettlauf gegen die Zeit von der Polizei aufgeklärt werden muss. Das Wort Gen im Titel deutet darauf hin, dass es sich hier um die menschliche DNA dreht, die unsere Wissenschaft noch immer vor ein Rätsel stellt und ein kniffliger Fall für die Forschung ist. Diese Tatsache stellt ein Herausforderung für den Autor da, da er bei solch einem Thema gut recherchieren und korrekt wiedergeben muss, um wirklich glaubhaft zu wirken und das ganze Werk nicht als eine Art verkappten Fantasy-Roman dastehen zu lassen.

Diese Aufgabe hat Tibor Rode gemeistert, indem er nicht übermäßig viel Wissenschaftliches in die Handlung hineingebracht hat und das, was er formulierte, gut durchdacht und recherchiert ist. Das bringt außerdem noch den angenehmen Nebeneffekt, dass der Leser nicht vor dem Problem des Unverständnisses der Fachwörter oder Ähnliches steht.

Der Thriller beginnt mit einem Prolog, in dem ein Unfall beschrieben wird. Dieser scheint zu Anfang keinerlei Zusammenhang mit der Handlung zu haben, da, erstens, das erste Kapitel nicht klassisch damit beginnt, dass sich die Polizei am Unfallort befindet, und zweitens, der Unfall eine Art Rückblick ist, da der Prolog auf 1989 datiert ist, das erste Kapitel aber in der Gegenwart spielt. Die Sprache und der Stil lesen sich angenehm, man bleibt im Fluss und nicht an unnötigen Schachtelsätzen oder komplizierten Fachwörtern hängen. Jedoch findet sich kein besonderes Merkmal, die Verwendung von interessanten Metaphern oder anderen literarischen Stilfiguren, die den Schreibstil unverkennbar machen würden.

HANDLUNG

Die Handlung ist in 105 Kapitel geteilt, welche immer mit dem Handlungsort überschrieben sind, was aufgrund der Tatsache, dass sich verschiedene Handlungen an verschiedenen Orten abspielen, zur Übersicht des Ganzen beiträgt.

Zu Anfang, etwa im ersten Fünftel des Werks, wird der Leser etwas verwirrt, da viele Situationen und Personen auf einmal zusammenkommen und auch Rückblenden in das 18. Jahrhundert gemacht werden. Hier dauert es eine Weile, bis man nach und nach versteh, wie welche Person wo einzuordnen ist. Im Verlauf der Handlung klärt sich aber alles auf, wenn auch erst im letzten Drittel. Der Autor beweist damit, dass er den Überblick über seine Charaktere und Handlungsstränge hat und die Fähigkeit besitzt, den Leser lange auf die Folter zu spannen, ohne, dass es langweilig wird. Ein gutes Storyboard ist dafür unerlässlich.

Die Handlung an sich besitzt, wie schon genannt, Handlungsstränge, die zwar letztendlich auf dieselbe Situation hinauslaufen, aber von unterschiedlichen Blickpunkten betrachtet werden. Dabei sind die Beteiligten in den Situationen unterschiedlich weit in das Geschehen „eingeweiht“, wodurch auch der Leser mit Informationen angefüttert wird, was ihn manches erahnen lassen.

Prinzipiell braucht Rode relativ lange, um den Grundkonflikt mit allen seinen Facetten darzustellen, beinahe zwei Drittel des Buches werden davon eingenommen. Der Leser erwartet dann, nach dem klassischen Krimi-Schema, eine Aufklärungshandlung, die aber nicht wirklich folgt. Erst gegen Ende wird dem Leser klar, dass der Konflikt an sich die Handlung ist und die Auflösung des Ganzen nur wenige Kapitel beansprucht. Diese Vorgehensweise mag etwas ungewöhnlich erscheinen, ist aber eine geniale Variante, den Leser permanent bei der Stange zu halten, da sich immer wieder etwas Neues auftut oder eine Wendung eintritt. Die Spannung bleibt, der Leser bleibt neugierig. Auch hier wird wieder klar, dass man nicht einen klassischen Bestseller-Thriller vor sich hat.

Aufgelöst wird der Konflikt schon einige Kapitel vor dem wirklichen Ende. Auf den letzten Seiten wird das Geschehen danach noch veranschaulicht, was dem Leser eine Art Beruhigung verschafft, da der Konflikt vorher zwar gelöst wird, sich aber die Charaktere immer noch in einer verzwickten Lage befinden.

Ein Kritikpunkt ist an manchen Stellen die dramaturgische Aufteilung der Kapitel. Gut gelungen ist, das Rode an einem spannungsgeladenem Punkt das Kapitel beendet und somit ein gewisses Drama erzeugt. Leider wird dieses zunichte gemacht, indem das nächste Kapitel diese Punkt direkt aufnimmt und die Situation auflöst. Sinnvoller wäre es dabei an manchen Stellen gewesen, in solchen Szenen zu einem anderen Handlungspunkt zu springen und somit den Leser etwas auf die Folter zu spannen.

Der letzte Punkt, den ich als wirkliche Herausforderung sehe, den Tibor Rode aber gut gemeistert hat, ist, den Thriller am Ende nicht doch zu einem Fantasy-Roman werden zu lassen, da es um eine Bruderschaft geht, die aus einer Minderheit der Menschheit besteht und die einmal im Jahr ein gemeinsames Treffen, einen Ball, veranstaltet, an dem junge Mitglieder der Gruppe ihren Platz in der Gemeinschaft zugeordnet bekommen. Hier war es wirklich notwendig, sachlich zu bleiben und den Faden der Wissenschaft zu behalten. Indem sich der Hauptcharakter David Berger in diesem Moment nochmal seine Situation vor Augen geführt hat und darauf schnell die Auflösung des Problem folgt, ist Rode aber im Rahmen des Thrillers geblieben.

PERSONEN

Die Anzahl der beteiligten Personen ist zu Anfang etwas unübersichtlich, da in jedem der ersten Kapitel neue Charaktere vorgestellt werden. Da sich aber nach und nach die Zusammenhänge aufklären, kann der Leser auch nach und nach alle Personen einordnen und am Ende der Handlung sagen, wer wo einzusortieren ist.

ORTE

Die Handlungsorte der Handlung sind Grenzen übergreifend, bedeutet, dass sich der Thriller nicht in nur einem Land abspielt. Insgesamt werden drei Länder, die USA, Deutschland und Tschechien, ins Spiel gebracht. Ob Rode die Orte in real kennt und sie deswegen als Spielorte für seine Handlungen genutzt hat, kann man nicht sagen. Sollte dies nicht der Fall sein, hat er das Problem der genauen Recherche über den Stadtplan und ähnliches umgangen, indem er sich an bekannten Orten innerhalb der Städte orientiert und beispielsweise den Straßen, in denen sich Wohnungen von Personen befinden, nicht mit Namen nennt.

ABSCHLIESSENDES GESAMTBILD

Das Werk gibt ein gelungenes Gesamtbild ab. Die Handlung und die verschiedenen Blickpunkte darauf sind schlüssig und widersprechen sich nicht in ihren Details. Tibor Rode hat damit bewiesen, dass er einen Überblick über das hat, was er zu Papier bringt und am Ende keine offene Frage oder Ähnliches vergisst. Der Thriller ist durch einen flüssigen Schreibstil gut zu lesen und der Leser kommt gut voran. Auch hält sich der Autor nicht mit in die Länge ziehenden Szenen auf, die ermüden könnten. Als Einzelroman, die Handlung an sich lässt keine Fortsetzungen oder eine Roman-Reihe zu, steht „Das Morpheus-Gen“ gut da und ist ein Werk, welches zu lesen sich lohnt.