Rezension von Ramon

1971 landet Perry Rhodan als erster Mensch auf dem Mond. Dort trifft er anders als in unserer Wirklichkeit auf außerirdisches Leben und eine Jahrtausende währende Geschichte nimmt ihren Anfang. Die Science-Fiction-Heftromanserie „Perry Rhodan“ erscheint seit 1961 jede Woche mit einem neuen Fortsetzungsband. Mittlerweile gibt es mehr als dreitausend Hefte, womit es sich laut Andreas Eschbach um die längste fortlaufende Erzählung in der Menschheitsgeschichte handelt.

Eschbach, der als Gastautor schon einige Romane zu der Serie beisteuerte, hat nun eine Biografie Perry Rhodans geschrieben, die sich vor allem auf dessen Leben vor 1971 konzentriert.

Entwicklungsroman, Zeitgeschichte und Science-Fiction

Rhodan wird 1934 geboren und wächst auf als Sohn eines Verkäufers. Wir erfahren, wie Rhodans Interesse für Raumfahrt entsteht und über welche Lebensstationen er sich seinem Traum annähert, Raumfahrer zu werden. Langsam kristallisiert sich dabei auch heraus, was Perry Rhodan einzigartig macht. Er ist ein „Sofortumschalter“, kann sich also immer ohne Verzögerung auf eine geänderte Situation einstellen.

Nebenbei erfahren wir sehr viel über die 50er und 60er Jahre in den USA und wie sie das Denken und Handeln des späteren „Großadministrators der Menschheit“ prägen. Dazu gehören auch die Torturen, die sich Soldaten in den USA der 50er Jahre während einer militärischen Ausbildung unterziehen mussten. Für Rhodan ein abschreckendes Beispiel. Über seinen Jugendfreund Leroy Washington wird er mit der Situation der Schwarzen während der Rassentrennung konfrontiert. Viele historische Ereignisse finden Eingang in den Roman, etwa der berühmte Busstreik der Schwarzen in Montgomery 1954 und die Kubakrise 1962 mit der Gefahr der atomaren Auslöschung. Auch viele historische Personen treten in Nebenrollen auf, neben Martin Luther King beispielsweise John F. Kennedy, Richard Nixon und Fidel Castro.

Rhodan kämpft im Vietnam-Krieg, ist aber schnell von der Sinnlosigkeit des Krieges überzeugt. Im Mai 1968 ist Perry Rhodan in Paris, wo er miterleben muss, wie die Polizei Nervengift gegen die protestierenden Studenten einsetzen will. Aus Empörung darüber gerät er in eine Auseinandersetzung mit dem stellvertretenden Polizeipräsidenten. Das soll ihm später fast noch seine Raumfahrerkarriere verhageln, weil der Geheimdienst ihn deswegen als subversiv einstuft. 

Spätestens ab 1969 gibt es dann immer größere Differenzen zwischen unserer Wirklichkeit und der des Rhodan-Universums. Während in unserer Welt 1969 Neil Armstrong als erster Mensch auf dem Mond landete, ist es hier 1971 Perry Rhodan. Bis zu diesem Zeitpunkt vergehen im Roman gut sechshundert Seiten, die in ruhigem Tempo erzählt werden. Danach überschlagen sich die Ereignisse. Der Entwicklungsroman verwandelt sich in Science-Fiction und Eschbach führt den Leser in das Perry Rhodan-Universum ein. Die Handlung der ersten Hefte wird spannend zusammengefasst. Eschbach gelingt es hierbei, große Handlungsbögen zu schlagen und trotzdem weitgehend szenisch zu erzählen. Trotz großer Raffungen bleibt alles verständlich. Über diese Wendung soll nicht zu viel verraten werden, um nicht die Spannung zu verderben. Nur ein Detail möchte ich herausgreifen.

Wir lernen die Arkoniden kennen, ein technologisch extrem weit entwickeltes Volk von Außerirdischen, das aber „Symptome des Zerfalls“ zeigt, seitdem es sich nur noch sogenannten „Fiktivspielen“ hingibt. Die virtuelle Welt ist hier zu einer Droge geworden, die den Arkoniden die Kraft nimmt, sich den Herausforderungen der Wirklichkeit zu stellen. Nicht nur hier erstaunt, wie nah die Autoren von „Perry Rhodan“ schon 1961 zukünftigen Entwicklungen waren. Auch mit der Progonose der ersten Mondlandung haben sie sich ja nur um zwei Jahre vertan.

Rückblick aus der Zukunft

Sehr gelungen finde ich die Erzählperspektive. Geschildert wird Rhodans Biografie von einem Menschen aus seinem Umfeld. Dadurch gibt es auch immer wieder kleine Unsicherheiten und Spekulationen, was denn nun wirklich passiert ist, denn der Biograf war ja nicht immer dabei und kann sich nur auf Briefe, Freunde und Bekannte berufen. Wer dieser Biograf ist, kristallisiert sich erst im Laufe des Romans heraus und soll deshalb hier nicht verraten werden. Es handelt sich aber um einen Menschen, der wie Rhodan selbst im 20. Jahrhundert geboren ist und als Unsterblicher mittlerweile Jahrtausende überdauert hat. Die Schilderungen des Biografen richten sich entsprechend an ein Publikum aus der Gegenwart des Perry Rhodan-Kosmos, die sich viele tausend Jahre in unserer Zukunft befindet. So werden politische Verhältnisse wie die des kalten Krieges einem Publikum erklärt, das einer längst weiterentwickelten Zivilisation angehört. Besonders pointiert ist diese Erzählperspektive noch mal am Schluss, wo der Erzähler über einen möglichen alternativen Geschichtsverlauf spekuliert und dabei unsere Gegenwart skizziert. Was wäre, wenn es Perry Rhodan nicht gegeben hätte?

So ist die Erzählperspektive anfangs das einzige, was „Perry Rhodan“ von einem gewöhnlichen Entwicklungsroman unterscheidet. Nur weil der Erzähler auf unser 20. Jahrhundert blickt wie auf ein längst vergangenes Zeitalter, wird uns bewusst, dass wir einen Science-Fiction-Roman lesen.

Fazit

Das Buch kann für sich stehen. Gleichzeitig ist es auch eine niedrigschwellige Einführung für alle, die sich näher mit dem Perry Rhodan-Universum beschäftigen wollen. Allen wärmstens zu empfehlen, die sich von dem Untertitel „Das größte Abenteuer“ nicht einen Action-Reißer erwarten. Denn der besondere Reiz dieses Werks liegt in seiner geschickten Vermischung von ganz unterschiedlichen Genres. Ich persönlich liebe solche Geschichten, in denen sich eine akribisch recherchierte Wirklichkeit langsam mit dem Wunderhaften verbindet.

Darüber hinaus ist es eine große Leistung des Romans, zu dieser von so vielen unterschiedlichen Autoren geschilderten Figur Perry Rhodan ein schlüssiges Gesamtbild zu zeichnen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die verschiedenen Autoren in den letzten 58 Jahren auch weltanschaulich-politisch ganz unterschiedlich aufgestellt waren. Die Serie spiegelte immer auch den jeweiligen Zeitgeist wider, war Anfang der 1960er etwa noch stärker militaristisch geprägt. Eschbach gelingt es hier, ein modernes und glaubhaftes Bild von Perry Rhodan zu zeichnen und verschiedene Darstellungsweisen miteinander zu versöhnen. Ein großartiger Roman.