Rezension von Julia
Annabel Abbs‘ Debütroman „Die Tänzerin von Paris“ erschien 2017 als dritter Teil der Reihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“. Jeder Roman dieser Reihe beschäftigt sich mit dem wahren Leben verschiedenster Frauen und ist in sich abgeschlossen.
„Die Tänzerin von Paris“ behandelt das Leben der Lucia Joyce, James Joyces Tochter, die ihr Leben ihrer großen Leidenschaft, dem Tanzen, widmen möchte, ihr aber immer wieder Hindernisse in den Weg gelegt werden.
Inhalt
Lucia Joyce ist das jüngste der beiden Kinder von James Joyce und Nora Barnacle. Der Roman beginnt im Jahre 1928, als Lucia einundzwanzig Jahre alt ist und mit ihrer Familie in Paris lebt. Tanzen ist ihr Leben und sie verbringt jede freie Minute mit dem Tanztraining, um irgendwann aus dem Schatten ihres berühmten Vaters heraustreten zu können.
Doch ihre Freiheit zu tanzen ist stark eingeschränkt. Als Muse und Seelenverwandte ihres Vaters und als dessen Unterstützung wenn seine Augen ihm wieder einmal den Dienst versagen, dreht sich ihr Leben notgedrungen an erster Stelle um ihn. Man kann sagen, dass beide, Vater und Tochter, abhängig von einander sind. Der Roman veranschaulicht wie die gesamte Familie ihr Leben nach James Joyce richtet, sodass dieser seine weltberühmten Werke verfassen kann. Somit ist das Leben der Familie geprägt von Umzügen über Landesgrenzen hinaus und langanhaltenden Aufenthalten im Ausland.
Dieses Leben macht es Lucia schwer, eine konstante Tanzkarriere zu verfolgen, zudem ihre Eltern dem Tanzen in der Öffentlichkeit kritisch gegenüber stehen. Aufgewachsen in Irland pflegen die beiden immer noch die irischen Werte, die in Paris schon lange nicht mehr gelten. So stellt sich besonders Lucias Mutter gegen das Tanzen ihrer Tochter und ihr Vater macht deutlich, dass er es lieber sähe, wenn sie einen handfesteren Beruf, wie etwa das Buchbinden, lernte.
In dem Versuch, ihrem Elternhaus zu entfliehen und somit Freiheit in ihrem Handeln zu gewinnen, sucht Lucia die große Liebe und erhofft sich von einer Heirat, ihren Traum vom Tanzen professionell verfolgen zu können und gleichzeitig den Klammern ihres Heims zu entkommen. Als sie den jungen Samuel Beckett trifft, der ihren Vater verehrt und regelmäßig zu Besuch kommt, verliebt sie sich in ihn und malt sich ihre Zukunft als Frau an seiner Seite aus.
Doch die Tochter des berühmten James Joyce zu sein ist nicht einfach und immer wieder werden ihren eigenen Träumen Steine in den Weg gelegt. Als sich auch noch ihr Bruder und einstiger Vertrauter von ihr entfremdet, wird es für Lucia immer schwieriger, den eigenen Lebensweg zu verfolgen.
Rezension
Dieser Roman und die Geschichte dieser jungen Frau haben mich tief beeindruckt. Annabel Abbs schildert gekonnt das Leben im Joyceschen Haus, was einen sehr interessanten Einblick hinter die Kulissen von James Joyce und seiner Familie ermöglicht. Die verschiedenen Charaktere werden detailliert dargestellt, was die Vorstellungskraft des Lesers ankurbelt und die Figuren zum Leben erweckt. Auch die Darstellung des jungen Samuel Beckett hat mich sehr beeindruckt, da man in seinem Charakter seine späteren Werke wiederentdecken kann.
Aber auch Lesern, denen die Werke Joyces und Becketts nicht bekannt sind, kann ich den Roman nur ans Herz legen. Er ist äußerst spannend geschrieben und reißt einen von der ersten Seite an mit. Man fühlt mit Lucia und fühlt sich allmählich ebenfalls als ein Teil des Joyceschen Hauses. Der Roman regt außerdem dazu an, sich eingehender mit der Geschichte der Familie zu beschäftigen. Die Entwicklung einer psychischen Erkrankung bei Lucia kann ich nun durchaus nachvollziehen und ich habe bereits einige Biografien durchforstet, um mehr über das Leben von Lucia Joyce und ihrer Familie zu erfahren.
Fazit
Alles in Allem kann man sagen, dass sich der Roman sehr gut und schnell lesen lässt und trotzdem einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Für Leser, die sich für das Leben nicht fiktiver Menschen interessieren, aber sich in Biografien nicht so richtig einfinden können, ist diese Reihe der „mutigen Frauen zwischen Kunst und Liebe“ genau das richtige. Eine ganz klare Leseempfehlung!