Rezension von Mona

Inhalt

2020 ging ein großer Erzähler von uns. Ein Mann, dessen Talent es war, Geister heraufzubeschwören, die Atmosphäre mit Mystik zu vernebeln und tragische Liebesgeschichten inmitten eines mal schönen, mal erbarmungslosen Barcelona zu entwerfen. Carlos Ruiz Zafón hat sich seinerzeit mit „Der Schatten des Windes“ in die Herzen der Leser geschrieben. Obwohl nicht sein erstes Werk, so doch sicher dasjenige, das den größten Einfluss auf seine weitere Laufbahn im kommerziellen Sinne haben sollte.

„Der Friedhof der vergessenen Bücher“, ein Erzählband, der sich inmitten des gleichnamigen Friedhofs Zafóns Tetralogie bewegt, ist gewissermaßen der letzte Akt des Autors, seine Schlussvorstellung. Dabei sind nicht alle Erzählungen hierin unbekannt, einige dürften Lesern bereits bekannt vorkommen, andere hingegen sind neu, erweitern den Barcelona Kosmos und die Figurenkonstellationen.

Dabei fielen mir beim Lesen insbesondere zwei Dinge auf. Zum einen: Carlos Ruiz Zafón war insgesamt betrachtet als großer Erzähler bekannt, der gerne weitschweifig schrieb und seinen Geschichten Zeit und Raum gab, um sich zu entfalten. Umso überraschter war ich, dass er gar nicht unbedingt an dieser Epik festhalten muss, um gute, pointierte und eindringliche Geschichten zu erzählen. Als Leser, der sich im Allgemeinen doch eher mit Kurzgeschichten schwertut, war ich umso begeisterter, meinen Autoren so kurz schreiben zu erleben und es auch noch dermaßen genießen und wertschätzen können. Aufgrund der Kürze der Erzählungen werde ich auf diese nicht weiter eingehen. Nur so viel: es wird wieder historisch und mystisch und in wunderschönen Bildern verpackt.

Zum anderen fiel mir auf, dass sich die Geschichten doch unterscheiden. Zwar nicht in ihrer inhaltlichen Qualität, so doch in der Erzählweise. Das mag daran liegen, dass die Geschichten von zwei Übersetzern ins Deutsche übertragen wurden (Lisa Grüneisen und Peter Schwaar). Dies machte sich für mich allerdings erst während des Lesens bemerkbar, obwohl es im Inhaltsverzeichnis vermerkt war. Mir persönlich gefiel die Übersetzung von Frau Grüneisen um einiges besser, da hier die Atmosphäre besser eingefangen wurde und die Bilder mich noch mehr getroffen haben. Das ist allerdings sicher persönlicher Geschmack und ändert, wie gesagt, nichts an der inhaltlichen Qualität.

Fazit

Für mich war „Der Friedhof der vergessenen Bücher“ eine würdige Ergänzung zum Gesamtwerk des Autors und es machte mir wieder bewusst, wie sehr er der (Literatur-)Welt fehlen wird, aber auch, wie sehr er sie bereichert hat. Der S. Fischer Verlag hat seinem Autor hiermit ein würdiges Denkmal gesetzt und wenn ich das Buch in den Händen halte, dann fühlt es sich genau danach an: einem Abschied und einem bewundernden Andenken und die Erinnerung daran, dass der Autor uns niemals verloren gehen wird.