Rezension von Mona

„Elm Haven“ ist kein neuer Roman des Erfolgsautoren Dan Simmons. Der Heyne Verlag hat hier eine Dilogie vereint und 2019 verlegt, die der Autor bereits Anfang der 90er Jahre herausgebracht hat.

Elm Haven sind also zwei Romane; „Sommer der Nacht“ und „Im Auge des Winters“.

Zusammen genommen ist es eine sehr komplexe Geschichte, weshalb ich mich auf den ersten Teil konzentriere (der mehr als doppelt so lang wie sein Nachfolger ist) und meine Meinung zum zweiten Band nur kurz anschneide

Worum geht es?

Inhalt

Elm Haven, 1960. Ein Dorf, das zum Schauplatz fürchterlicher Verbrechen wird. Und eine Gruppe von besten Freunden, die als einzige diesem ein Ende setzen können. Ein Sommer, der die Jungs schneller erwachsen werden lässt, als ihnen lieb ist.

Ein Junge verschwindet in der Schule, doch die Polizei glaubt an kein Gewaltverbrechen. Erst seine Schwester und eine Gruppe von Jungs lassen sich nicht von diesem mysteriösen Gebäude täuschen und sind sich sicher, dass hier mehr vorgeht, als den Bewohnern von Elm Haven jemals klar sein wird. Und so leisten die Jungs mit ihrer Fahrradpatrouille ihre eigene Detektivarbeit, die ihnen allen das Leben zur Hölle macht..

Hölle ist  ein gutes Stichwort, denn die Wesen  und Geschehnisse, mit denen sich die Kinder rumschlagen müssen, sind derart fürchterlich, dass ihr Leben fortan ein einziges Trauma ist. Dabei ist die Geschichte nicht durchweg grauenvoll, ganz und gar nicht. Im ersten Band wird das Portrait eines idealisierten Sommers gezeichnet; eine Gruppe abenteuerlustige Jungs, die den Sommer bis auf die letzte Sekunde auskosten, sich prügeln und schmutzverkrustet nach Hause kommen. Dabei eine Bande von Freundschaft genießen, die es in der Art nur während des Heranwachsens zu geben scheint.  Beim Lesen konnte man die Hitze spüren und die Erleichterung, wenn die Jungen ein Wasserloch fanden, in dem sie sich abkühlen konnten. Völlig erschöpft fiel man mit ihnen abends ins Bett und spürte das Glück den Körper durchfließen.

„Er war müde, hatte ein paar Dutzend schmerzende Prellungen und Muskelkater, Kratzer an den Armen und Beinen, dazu Abschürfungen von den steif gewordenen Jeans; vor Durst hatte er ganz trockene Lippen und Kopfschmerzen, und seit dem Frühstück vor dreizehn Stunden hatte er nichts Richtiges mehr gegessen. Er fühlte sich großartig.“ (S. 239)

Umso grauenvoller, dass gerade diesen Jungs, mit denen wir uns auf die Reise begeben und die wir sehr schnell ins Herz schließen, so furchtbare Dinge widerfahren. Und furchtbar ist überhaupt keine Übertreibung; ich habe mich teilweise auf aller schrecklichste Art und Weise gefürchtet. Es gibt einige Szene, die sich sehr prägnant eingebrannt haben und mir immer noch sehr plastisch im Gedächtnis sind, obwohl es schon eine Weile her ist, dass ich das Buch beendete.

Rezension

Vorne auf dem Cover prangt eine Leseempfehlung von Stephen King, der mit ES natürlich einen Roman erschaffen hat, der seines Gleichen sucht. Angefixt von der Idee, dass Dan Simmons (den ich übrigens vorher schon durch sein brillantes Werk „Drood“ kannte) sich auf die Spuren von Pennywise und dem „Club der Verlierer“ begibt, musste ich das Buch einfach lesen. Und ja, Parallelen sind durchaus erkennbar, im Großen und Ganzen haben wir hier aber zwei völlig verschiedene Geschichten. Beide enthalten Charaktere, in die man sich zwangsläufig verlieben muss und die man nicht loslassen möchte und beide handeln vom Erwachsenwerden, Dan Simmons legt aber seinen Fokus durchaus noch anders und schreibt nicht weniger intelligent und durchdacht als King. Ich hatte also während des Lesens nie das Gefühl, ein zweites ES in den Händen zu halten.

Im zweiten Band, der passenderweise „Im Auge des Winters“ heißt, begegnen wir einem Charakter im Erwachsenenleben wieder, der nach Elm Haven zurückkehrt, um sich den Geistern seiner Vergangenheit zu stellen. Was man diesem Teil anmerkt ist, dass er von einem anderen Übersetzer bearbeitet wurde und völlig im Kontrast zum ersten steht. Den Charme des ersten Bandes wird man nicht wieder finden, weder dieses idealisierte Bild eines Sommers, noch die Charaktere, die man so nah an sich herangelassen hat. Es fühlt sich eher so an, als würde hier mit dem ersten Band „abgerechnet“ werden, die Atmosphäre ist durchgehend düster und depressiv, kein Sonnenstrahlen ist erkennbar. Dieser zweite Teil der Geschichte hatte also durchaus seine Persönlichkeit und sehr kluge Sätze, vermochte mich allerdings nicht annähernd so in den Bann zu ziehen, wie „Sommer der Nacht.“

Fazit

Insgesamt hat Dan Simmons bewiesen, dass er ein Autor ist, der sich zu lesen lohnt und das auf die unterschiedlichste Art und Weise. Er schafft es, dem Leser einen Horror zu präsentieren, sowohl auf sehr harte Weise, als auch subtil, aber mit jeder Seite bedrohlich. Eine Geschichte, die mir sicher lange im Gedächtnis bleiben wird und ein Autor, der mich auch seine weiteren Werke gespannt erwarten lässt.