Rezension von Katharina

Drei Fremde vor der Haustür eines Verschwundenen

Moritz Reincke – ein Mann, der im Schatten der Geschichte seine eigene schreib. Er war wie eine Kamera ohne Film. Nahm alles wahr, ohne festzuhalten. Nach seinem Tod trägt seine Enkelin Nina die verschiedenen kleinen Puzzleteile seines Lebens zusammen. Drei Familien, drei Generationen, drei Kulturen. Bei Moriz‘ Villa am Meer treffen sie zusammen: die deutsche Enkelin Nina, die ihren Großvater nie kennen lernen durfte; seine jüdische Tochter Joëlle, die ihren Vater über alles geliebt hat; und sein Sohn Elias, der Palästinenser, der ihm in seinen letzten Jahren treu zur Seite gestanden hat. Sie alle kennen Bruchstücke von Moritz‘ Leben. Die Fäden laufen an einem Ort zusammen. In einer Straße in einem kleinen Viertel am Meer, Jaffa Road.

Die handelnden Charaktere

Moritz Reincke, auch Maurice Sarfati, lebt ein Leben voller Geheimnisse. Oder besser gesagt, mehrere Leben, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Und dennoch sind seine verschiedenen Geschichten enger miteinander verstrickt, als es zunächst den Anschein zu haben scheint. Er ist ein Mann, mit dem das Schicksal spielt. Wie ein Schiff bei wilder Seefahrt schleudert ihn das Leben herum, auf der Suche nach einem sicheren Hafen, der immer dann zu verschwinden scheint, wenn er glaubt, ihn erreicht zu haben.

Neben Moritz ist Nina die wichtigste Person in dem Buch. Ruhig, verständnisvoll und mit unendlicher Geduld hört sie die zu, wenn Joëlle und Elias ihre Geschichte erzählen. Ohne Vorurteile sammelt sie die verschiedenen Teile von ihrem Großvater zusammen und enthüllt die berührende, aber auch traurige Geschichte eines Mannes, der immer auf der Suche war, und nie angekommen ist.

Sprache und Stil

Daniel Speck erzählt die Geschichte, als wäre er dabei gewesen. Seine scheinbar lockeren Sätze offenbaren eine Tiefsinnigkeit, die nur zu oft mitten ins Herz trifft. Gegenwart und Vergangenheit wechseln sich ab. Kapitel aus der Sicht von Moritz, Noëlle, Elias und sogar von Ninas Mutter Anita zeigen unterschiedlichste Sichtweisen auf eine spannungsreiche und turbulente Zeit.

Der Nahost-Konflikt

Viele Faktoren beeinflussen den Lauf der Geschichte. Durch die wechselnden Erzählperspektiven schafft es der Autor, dem Buch einen neutralen Blick auf die Geschehnisse zu werfen. Er erzählt die Geschichte von mehreren Seiten. Von denen die gehen mussten, von denen die gekommen sind und von denen, die zugesehen haben. Daniel Speck erzählt, ohne zu richten. Ohne politisches Statement. Ein schwieriges Thema mit vielen Meinungen, dass seine Relevanz bis heute nicht verloren hat.

Fazit

Mir hat es sehr gut gefallen, wie der Autor mit dieser Thematik umgegangen ist. Den komplexen Verwicklungen im Nahen Osten, dem Antisemitismus, dem Konflikt zwischen Palästinensern und Israeli, den Terroranschläge. All diese Dinge vereint er durch eine einzelne Person und erzählt eine bewegende Familiengeschichte. Hochaktuell, geschrieben fürs Herz, mit viel Stoff zum Nachdenken. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Eine kleine Straße in Haifa, die es einst geschafft hat, verschiedene Kulturen und Religionen zu vereinen. Es gibt Geschichten, die das Leben verändern. Und dieses Buch gehört definitiv dazu.

Die kursiv geschriebenen Sätze wurden direkt aus dem Buch – Speck, Daniel (April 2021): Jaffa Road, Frankfurt am Main: Fischer Verlag