Rezension von Mona

Inhalt

Wer „Der Nachtzirkus“ kennt, weiß bereits, dass Erin Morgenstern eine Autorin ist, die die Fähigkeit besitzt, Personen zum Leben zu erwecken und Orte mit Musik zu füllen, den Leser in Szenarien zu werfen, in welchen er sich völlig verlieren kann. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Geschmack des Popcorns, die entsättigten Farben des Zirkus und die Atmosphäre, die mich einhüllte und vereinnahmte. Umso erwartungsvoller war ich auf ein neues Buch der Autorin; Jahr für Jahr blätterte ich die Verlagsvorschauen durch in der Hoffnung, nochmal in die Fantasie Morgensterns abtauchen zu können. Und 2020 war es endlich soweit, „Das sternenlose Meer“ wurde angekündigt, auch wenn es kaum beworben wurde und dadurch möglicherweise in der Flut der jährlichen Neuerscheinungen untergehen könnte. Ich fieberte auf den Tag hin, als es endlich bei mir ankommen würde und als ich es zur Hand nahm, wusste ich, dass sich das Warten gelohnt haben würde.

Um für sich selbst zu beantworten, ob man der richtige Leser für die Geschichten der Autorin sein könnte, kann man sich einfach die Frage einer Textpassage des Buches stellen:

„Glauben Sie an das Mystische, an das Fantastische, das Unwahrscheinliche oder das Unmögliche? Glauben Sie, dass es Dinge, die andere als Einbildung oder Träumerei abtun, wirklich gibt? Glauben Sie an Märchen?“ (S. 565)

Denn ja, Erin Morgenstern schreibt mystisch, beinahe kryptisch, sie hat eine unbändige Fantasie, sie erschafft Träume, sie schreibt märchenhaft. Und dem ganzen liegt eine Geschichte zu Grunde mit wahnsinnig viel Tiefe und Substanz und Liebe zu den Figuren. Unser Protagonist ist ein Student, der sich in fiktionalen Welten verlieren kann und dies letztendlich wohl auch tatsächlich tut. Durch ihn erleben wir eine Geschichte, deren roter Faden sich nicht fest gespannt durch die Handlung zieht, sondern sich windet und schlängelt und ja, manchmal auch verknotet. Wir haben Geschichten innerhalb von Geschichten und sind genauso ahnungslos wie unser Protagonist Zachary, wenn es gilt, diesen Knoten zu entwirren. Und wir staunen ebenso fasziniert wie Zachary, wenn wir die Welt erkunden, die nie komplett greifbar ist, aber wahnsinnig anziehend.

Zachary findet in der Bibliothek ein Buch, in welchem seine Kindheitsgeschichte niedergeschrieben zu sein scheint. Eine Geschichte, die niemand außer ihm kennt, die unmöglich in diesem Buch stehen kann. Daraufhin begibt er sich auf die Suche nach dem Verfasser und erlebt Unmögliches und Zauberhaftes, er findet die Liebe, ohne sie zu suchen und verliert sich, ohne es zu wollen. Die Handlung zusammenzufassen ist nicht einfach, deswegen belasse ich es bei dem Einstieg und bitte jeden, der all diese Zutaten zusammengenommen mag, sich selbst auf die Reise zu begeben.

Erin Morgenstern charakterisiert ihre eigene Geschichte innerhalb der Geschichte selbst am besten:

„Teils Spionagethriller, teils Märchen, teils Spielbuch. Eine epische, verwickelte Geschichte, die sich keinem und keiner einzelnen Storyline unterordnet und zu mehreren Geschichten wird, obwohl alle dieselbe Geschichte sind.“ (S. 575)

Sie lässt uns teilhaben an ihrer Faszination für Bücher und Geschichten, hinterlässt Hommagen an Sarah Waters und Raymond Chandler und fordert den Leser, sich aktiv an der Entwirrung des Knotens zu beteiligen, aber auch zu interpretieren und zu hinterfragen.

Fazit

Wenn ich trotz allem einen Kritikpunkt an der Geschichte benennen müsste, dann wären es die vielen popkulturellen Anspielungen, die mich dann zu sehr in die Realität befördert haben, obwohl ich mich unbedingt mit Zachary auf die Suche nach dem Unfassbaren begeben und Teil seiner Welt sein wollte.