Rezension von Mona

Inhalt

Anlässlich des 200. Geburtstages Herman Melvilles hat es sich der mare Verlag zur Aufgabe gemacht, zwei seiner wohl unbekanntesten, aber ebenso bedeutsamen Werke des Autors neu aufzusetzen und in einen hübschen Leineneinband mitsamt Schuber zu kleiden.

„Typee“ ist das Debut des Autors, es fand erst spät seine Leserschaft, da Melville in seinem Werk eindeutig Stellung bezieht, die die Kolonialmächte und ihr Handeln zu großen Teilen verurteilt und sich im Gegenzug dazu positiv den sogenannten „Wilden“ annimmt, die es vermeintlich zu reformieren galt.

Rezension

„Typee“ ist wahrlich ein zeitloses Werk und es wird in unserer Gesellschaft vermutlich nie an Aktualität verlieren. Der Autor verstrickt hier eigene Erfahrungen mit ein wenig Fiktion, der Dramatik halber. Zwar gab es einige Zweifler dessen, aber Herman Melville soll, und das suggeriert uns der Übersetzer, selbst auf einer polynesischen Insel gestrandet sein und sich dort mit dem Leben der Einheimischen vertraut gemacht und in ihrer Mitte gelebt haben. Liest man das Buch, so bleibt daran kein Zweifel, denn Melville gewährt uns Zugang zu einer Welt in all ihrer Plastizität, wie es wohl nur jemand vermag, der selbst einmal Teil dessen war. Er nimmt uns mit in einen Alltag, der sich fernab unserer Zivilisation befindet und geizt dabei nicht mit farbenprächtigen Beschreibungen und Kritik gegenüber der zivilisierten Gesellschaft, gegenüber Kolonisation und vorallem Missionarsarbeiten.

Innerhalb seines Aufenthaltes ist der Autor, oder der Protagonist dieses Buches, wenn man es denn nicht als Reisebericht liest, in einem ständigen Zwiespalt. Einerseits verliebt er sich in die atemberaubende Schönheit der Natur, in ein zwangloses Leben, das nur Freuden kennt und die Einheimischen, die sich von all dem tragen lassen und weder Eifersucht, noch Neid kennen. Andererseits kann er sich nicht frei machen von der Angst, eines Tages Opfer von den Gepflogenheiten seiner Gastgeber zu werden, gelten sie doch als blutrünstige Kannibalen.  Und genau dieser Punkt macht das Buch zu etwas Zeitlosem; mit Vorurteilen im Gepäck landet der Protagonist auf dieser Trauminsel, immer in dem Bewusstsein, dass er sich vor der Fremdartigkeit der dort lebenden Menschen in Acht nehmen muss. Nach und nach legt er diese Vorurteile ab, sehnt sich zwar dennoch nach der Heimat, aber gelangt zu ziemlich drastischen Erkenntnissen. Dennoch erkennt er:

„Die unbeschwerte, ungekünstelte Anmut eines Naturkindes wie dieses, das von klein auf nur ewige Sommerluft geatmet und sich von den einfachen Früchten der Erde genährt hat, das völlig frei von Sorgen und Furcht weitab von jeglichen schädlichen Einflüssen lebte, ist ein Anblick, den man nicht beschreiben kann.“ (S. 148)

Den „Wilden“ ein so menschliches Gesicht zu verleihen und ihr Leben als erstrebenswert und teilweise besser darzustellen, war etwas, das auf ziemlich harsche Kritik stieß und wogegen Melville sich behaupten musste. Nicht umsonst wurde „Typee“ später veröffentlicht. Mit Missionarstätigkeiten und den Kolonialisierungen ging er dabei hart ins Gericht und machte sich damit zum Feind, unter anderem, der Kirche.

Der Übersetzer resümiert:

„Für Melville war diese Lebensweise kein Indiz für Unmoral, sondern zeigte eine Unbeschwertheit, die der Heuchelei der sogenannten zivilisierten Welt überlegen war.“ (S. 427)

Fazit

Ich empfand es als bewundernswert, wie weitsichtig und reflektiert Melville war und wie er es geschafft hat, ein Werk zu kreieren, das sich noch heute wunderbar lesen lässt (dies ist natürlich auch der fantastischen Übersetzung geschuldet!). Mein Zitatebuch ist reich gefüllt mit Sätzen, die mich in „Typee“ beeindruckt haben. Und ein weiteres Gutes hat es: Moby Dick wurde mir wahnsinnig schmackhaft gemacht; ein Buch, das unter vielen Lesern als langatmig und schlichtweg zu lang gilt. Ich jedenfalls freue mich, noch mehr vom Autor entdecken zu können!