Rezension von Ramon

Inhalt

Charlie Friend, Anfang 30, ist seit jeher von Technik fasziniert. Als die ersten Androiden auf den Markt kommen, kauft er sich sofort ein Exemplar für seine Wohnung. Doch die Schwierigkeiten beginnen schon vor der Inbetriebnahme. Charlie selbst soll dem Androiden namens Adam  Präferenzen und Persönlichkeitsparameter geben, er selbst muss die Maschine optimal einstellen. „’Wählen Sie sorgsam‘, riet das Handbuch. ‚Lassen Sie sich Zeit. Wenn nötig, mehrere Wochen.’“

Als er Adam das erste Mal nackt sieht, packt ihn sofort der Neid. Er spürt den Impuls, seine Neuanschaffung mit dem Hammer wieder zu zerschlagen. Solche Gefühle intensivieren sich, als  Adam sich als äußerst klug und kultiviert entpuppt. Denn Miranda, die Nachbarin, in die er heimlich verliebt ist, findet Gefallen an ihm.

So ist schon im ersten Kapitel die ganze fatale Ausgangslage angelegt. Eine Dreiecksgeschichte zwischen Charlie, Miranda und Adam entwickelt sich …

Der Roman spielt im London des Jahres 1982. Offensichtlich hat sich die Technik in dieser Romanwelt wesentlich schneller entwickelt als in unserer Wirklichkeit. Internet, Handys und vollautomatische Autos sind längst schon etabliert. Das hängt damit zusammen, dass sich der berühmte Mathematiker und Informatiker Alan Turing hier nicht wie in unserer tragischen Wirklichkeit umgebracht hat – infolge einer Hormonbehandlung, die ihm wegen seiner Homosexualität in den 1950er Jahren aufgezwungen wurde. Bei McEwan ist Turing ins Gefängnis gegangen, von wo aus er seine bahnbrechenden Forschungen weiterführte. Die Ergebnisse dieser Forschungen haben dann Entwicklungen unserer Zeit genauso wie mögliche zukünftige Entwicklungen bereits in den 1970er Jahren möglich gemacht.   

Doch nicht nur technisch gesehen spielt McEwans Roman in einer Parallelwelt. Manche Unterschiede sind groß, so hat England etwa den Falkland-Krieg verloren. Andere Unterschiede sind kleiner, beiläufiger. Der Erzähler hat etwa Joseph Hellers Roman „Catch-18“ gelesen und nicht „Catch-22“, genauso wie Tolstois „Ende gut, alles gut“ anstelle von „Krieg und Frieden“. Unsere Klassiker tragen in der Welt von Charlie Friend also die Namen ihrer frühen Arbeitstitel und sind  anscheinend in ihrer Rohfassung zur Veröffentlichung gelangt. Solche eindringlichen Details gibt es zuhauf. Sie schaffen sofort eine in sich stimmige, andere Welt, in die man sich als Leser fallen lassen kann.

Immer wieder kommt es im Roman zu einer Gegenüberstellung von Elektronik und Anthropologie – für Charlie „entfernte Verwandte, von der jüngeren Moderne miteinander verkuppelt und im Bund der Ehe zusammengeführt“. Charlie hat Anthropologie studiert, ohne viel damit anfangen zu können, jetzt tradet er an der Börse. Kultur ist für ihn „bloße Software, die man am besten wertneutral analysierte“. Charlie erscheint alles in allem eher einfach gestrickt, wohingegen Adam innerhalb kürzester Zeit immer komplexere und tiefschürfendere Gedanken entfaltet.

Fazit

Das Motiv „Roboter übertrumpft den Menschen“ ist seit Carel Capeks Drama „R.U.R.“ aus dem Jahr 1921 in den verschiedensten Varianten durchgespielt worden. McEwan kann dem Sujet zwar nichts völlig Neuartiges abgewinnen, hebt es aber auf den aktuellsten Stand der Forschung. Dabei leuchtet er besonders die geisteswissenschaftlichen Aspekte zu diesem Thema in einer Tiefenschärfe aus, wie sie in Science-Fiction-Literatur nicht unbedingt üblich ist. Hier sehe ich vor allem die Stärke des Romans. Adam ist eine faszinierende Figur, gegen die Charlie und Miranda fast ein bisschen farblos wirken. Erzählerische Absicht? Mir hat trotzdem manchmal noch eine stärkere Erklärung und Begründung für ihr Handeln gefehlt. Nicht immer konnte ich mich in die beiden hineinversetzen. Davon abgesehen erweist sich McEwan in „Maschinen wie ich“ wieder als mitreissender Erzähler, der am Ende auch noch mit einer bösen Pointe aufwarten kann.