Rezension von Ramon

In der Edition Naturkunden erscheinen seit Jahren sehr aufwendig und liebevoll gestaltete Bücher, die sich mit unserer Flora und Fauna nicht aus biologischer, sondern vor allem aus kulturgeschichtlicher Perspektive befassen. Wer nicht schon mal einen der Bände mit so schön schlichten Titeln wie „Schweine“, „Brennnesseln“ oder „Kröten“ aufgeschlagen hat, wird wahrscheinlich nicht ahnen, wie aufregend das sowohl zu lesen wie auch anzuschauen ist.

Petra Ahne schrieb schon den Band „Wölfe“ für die Edition. Im vorliegenden Band befasst sie sich mit einem Gebäude, das wie kein anderes zwischen Natur und Kultur steht. Die Idee dazu kam ihr aus einer persönlichen Situation heraus. Sie, die Städterin, beschloss, in Brandenburg eine Hütte zu bauen. Schon als Kind wünschte sie sich ein Indianerzelt, das dann in ihrem Zimmer stand und den Rest der Welt ausschloss, wenn sie darin spielte. Die Hütte ist nicht nur ein Schutz- und Rückzugsraum, sondern auch ein Sehnsuchtsort, beschreibt Ahne in ihrem Vorwort. Sie stelle die Frage, wie wir leben wollen und was eigentlich wichtig sei. Mit der Frage an sich würden wir uns immer gerne beschäftigen. Aber die meisten seien zu träge, um mehr als einen „tröstenden Blick auf das übersichtlichere Leben“ zu werfen, das die Hütte verspricht. Von einigen, die tatsächlich – zumindest zeitweise – nur in einer Hütte lebten, wird in diesem Buch berichtet. Dazu gehörte etwa der Unabomber, ein naturzentrierter Terrorist, der seine Briefanschläge von einer Hütte in den Bergen aus vorbereitete und durchführte. Aber auch Henry David Thoreau, der amerikanische Schriftsteller und Philosoph, der allerdings jedes Wochenende seine Mutter besuchte, um bei ihr seine Wäsche zu waschen.

Ahne erzählt eine Kultur- und Kunstgeschichte der Hütte als Rückzugs- und Wunschort, angefangen mit Antonio Filartes Darstellungen von Adam und Eva als Hüttenbewohner bis hin zu einer von Millionen besuchten Website namens cabinporn.com, die Fotos besonders schöner Hütten trägt. 

Unbedingt genannt werden müssen die wirklich gelungenen Überschriften, die stets neugierig auf die Geschichte machen, die sich dahinter verbirgt. Beispiel: „Der Adel schätzt die Hütte zur Gefühlserzeugung und bucht den Einsiedler gleich dazu“, lautet eine Überschrift. Tatsächlich gab es früher in England zahlreiche sogenannte „Schmuckeremiten“. Das waren ältere, langbärtige Männer, die eigens dafür bezahlt wurden, in der Hütte eines großen Landschaftsgartens zu leben und somit das idyllische Bild für den adeligen Betrachter zu perfektionieren. Das nächste Kapitel leitet dann ins 21. Jahrhundert über. Wohlhabende Städter fangen an, am Wochenende in Hütten auf dem Land zu leben. Titel des Kapitels: „Sind wir alle Schmuckeremiten?“

Die Schrift ist durchgehend in grün und hellbraun gedruckt und es gibt zahlreiche Abbildungen in hervorragender Qualität.

Fazit

Ehrlich gesagt, macht es mich einfach froh und glücklich, dass solche Kleinode wie die Edition Naturkunden auf dem Markt bestehen können und mit viel Herzblut hergestellt werden. Für mich stellt die Edition gegenwärtig den Höhepunkt der Buchmacherkunst dar, das gilt besonders wieder für diese Ausgabe. Einband, Typographie und Gestaltung (die Bezeichnung „Layout“ ist hier wirklich zu profan) sind von einer Qualität, wie man sie sehr selten findet. „Hütten“ ist bereits der 53. Band aus der Reihe. Petra Ahnes Texte sind klug und sachkundig und dabei auch noch amüsant und unterhaltsam. Allein das Durchblättern bereitet großes Vergnügen. Damit eignet sich das Buch natürlich auch ideal als Geschenk.