Rezension von Mona

„Lange habe ich gewartet. Gewartet auf ein Licht oder darauf, dass jemand kommt und mir zeigt, wo es langgeht und was ich tun soll. Ich habe in dem alten Haus gewartet, noch lange, nachdem ihr alle schon weg wart. Dann bin ich durch die Straßen gewandert, durch den Schnee, in der Hoffnung,  euch zu finden, als wärt ihr die Verlorenen und nicht ich.“ (S. 283 )

Inhalt

„Was in jener Nacht geschah“ ist der aktuelle Roman (Stand 2019) der kanadischen Autorin indigener Abstammung Katherena Vermette. Ihre Abstammung ist eines der zentralen Themen des Romans und führt die Figuren durch Konflikte und dem Hadern mit der eigenen Identität. Man spürt sehr deutlich, dass die Autorin sich diesem Thema auf sehr authentische Weise nähert und sich diese Konflikte nicht erst zurechtlegen musste. Aber mehr dazu später..

Worum geht genau?

Rezension

Wir lernen hier vorwiegend weibliche Charaktere kennen, die allesamt sehr eigen, aber gleichsam sehr willensstark sind. Zudem eint sie, dass sie von der gleichen Familie und den Ureinwohnern Kanadas abstammen.  Jede bewältigt ihren Identitätskonflikt auf ihre Weise, aber letztendlich gelingt es keiner von ihnen, sich ihrer Herkunft völlig zu entziehen.

Die Geschichte beginnt damit, dass die junge Mutter Stella ein Gewaltverbrechen beobachtet, ihr aber von der Polizei nicht geglaubt wird. Nach und nach entschlüsseln sich die Geschehnisse der Nacht. Mit einer subtilen Spannung lernen wir Täter und Opfer kennen und es entspinnt sich ein Netz durch mehrere Generationen von Frauen, die dies unmittelbar betrifft. Es gibt hier kein schwarz oder weiß. Es gibt Frauen, die an ihren Krisen zugrunde gehen oder ihre Blessuren davon tragen, aber nicht aufgeben. Die Autorin lässt ihre Charaktere schreckliche Dinge tun und durchleiden, gleichzeitig macht sie es einem aber wahnsinnig schwer, diese zu verurteilen.

Das ist auch nicht ihre Intention. Viel mehr will sie uns zeigen, was es heißt, seinen Platz in der Welt nie komplett zu finden, sich zwischen Welten hin- und hergerissen zu fühlen und an seiner Identität zu hadern, obwohl man neben Menschen existiert, die das niemals nachvollziehen können werden.

Zugleich zeichnet sie ein Portrait von einer Familie durchsetzungsstarker Frauen, die ihre Blessuren von der Öffentlichkeit verbergen. Einer Öffentlichkeit, die sie nie als vollwertiges Mitglied akzeptiert. Und doch schaffen sie es zu überleben, gemeinsam. Wie wertvoll dieser familiäre Zusammenhalt ist und dieses Gefühl der Gemeinsamkeit ist, wird hier auf jeder Seite spürbar.

Fazit

Eine Geschichte, die bestimmt nicht jeden fesseln und berühren wird, dazu ist sie zu subtil erzählt. Aber ich habe diese Frauen gern begleitet und mit ihnen gebangt und gehofft.