Rezension von Marion

Toronto 1843: Die 16 jährige Dienstmagd Grace Marks wird beschuldigt, gemeinsam mit dem Knecht James McDermott, ihren Dienstherrn Thomas Kinnear und das Dienstmädchen Nancy Montgomery umgebracht zu haben. Kinnear hatte eine Liebelei mit Nancy, schenkte ihr wertvolle Kleidung, man wirft Grace vor, sie sei eifersüchtig gewesen.

Den beiden Angeklagten wird der Prozess gemacht, wobei McDermott versucht Grace zu beschuldigen, er sei ihr verfallen gewesen. McDermott wird gehängt und für Grace wird es dann überraschender Weise eine lebenslange Haftstrafe. Die Beschreibung der Zustände im Gefängnis Kingston wirken sehr realistisch, man bekommt Mitleid mit Grace, zweifelt an ihrer Schuld. Als Grace sich nach einiger Zeit im Haushalt des Gefängnisdirektor nützlich machen darf, nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Der Arzt Simon Jordan will eine Nervenheilanstalt gründen, eine der modernen Art. Er hat schon von Grace gehört, sie war lange Zeit ein großes Gesprächsthema. Sicher wollte er sich ihre Berühmtheit zu Nutze machen. Die Geschichte dreht sich im Grunde um den zentralen Kern. Ist Grace Marks schuldig oder nicht? Doch die Antwort bleibt mir die Autorin schuldig.

Diese Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten. Erzählt von Margaret Atwood aus verschiedenen Perspektiven. Aus Sicht von Grace selbst, aus der Sicht des Psychologen Simon Jordan, aber auch Gerichtsakten und Zeitungsartikel der Journalistin Susanna Modie werden in die Handlung eingestreut. Alles sehr interessant und glaubhaft erzählt, aber letztendlich weiß wohl niemand, ob Grace unschuldig ist oder nicht. Interessant war für mich, dass ich mich selbst sehr von der Geschichte beeinflussen lassen habe. Es gab Momente da glaubte ich genauso an ihre U Schuld wie wenig später an ihre Schuld. Dieser Zwiespalt ist der Autorin sehr gut geglückt, denn dies zeichnet die Handlung aus.

Der Roman bringt dem Leser aber nicht nur die eigentliche Geschichte um Grace näher. Ein weiterer Aspekt ist das Leben in der damaligen Zeit. Eine Zeit, geprägt von Entbehrungen, Dinge die heute selbstverständlich sind gab es nicht. Alles war viel beschwerlicher, vor allem das Leben von Frauen, deren Rechte noch kaum bis gar nicht ausgeprägt waren. Für Grace war dies besonders schwer, da sie zusätzlich auch noch arm war. Als Emigrantin blieb ihr fast nichts anderes, als als Magd zu arbeiten, was damals wahrlich kein Zucker schlecken bedeutete.

Mein persönliches Fazit

Dieser Roman ist anders als die anderen Bücher der Autorin. Sie hat es aber geschafft mich voll und ganz zu überzeugen. Sie hat sich einem schwierigen Thema gestellt und eine Geschichte konzipiert die Einblicke aus allen Richtungen gewährt. Lediglich eine Antwort muss der Leser bei sich selbst suchen, denn die sieht die Geschichte nicht vor. Tolle Leistung, in meinen Augen zu Recht mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels gekürt.