Rezension von Ramon

Die Hauptfigur

Der Kunstdetektiv Friedrich von Allmen liebt die gehobene Lebensart. Doch der Behauptung „wo es viel Luxus gibt, gibt es auch viel Geld“ kann er nicht zustimmen – er lebt chronisch über seine Verhältnisse. Wenn er verreist, nimmt er schon einmal acht Anzüge mit, damit er für jeden Anlass korrekt gekleidet ist. Auf seiner Spesenliste darf nie der Chauffeur fehlen, denn Allmen würde keinesfalls selbst Auto fahren. Geld verdienen zu müssen, gilt ihm eigentlich als vulgär und unfein. Ohne seine Assistenten Carlos und María, zwei Südamerikaner, die sich ohne Papiere in der Schweiz aufhalten und wesentlich lebensnäher denken, wäre er ziemlich aufgeschmissen. Mittlerweile hat Allmen mit María und Carlos das Verhandeln geübt und muss nun allein die Honorare für seine Dienste vereinbaren. Das ist ihm merklich peinlich.

Undercover in Ibiza

Der neueste Auftrag für Allmen International Inquieries führt Allmen und Carlos nach Ibiza. In diesem sechsten Fall geht es mal nicht um das Aufspüren eines Kunstwerks im herkömmlichen Sinn. Der legendäre Musikproduzent Steve Garrett vermisst „Boy“, seinen teuersten Koikarpfen. Der Fisch, den seine junge Freundin Akina so geliebt habe, sei aus seinem Teich gestohlen worden. In der Schickeria von Ibiza sind Koikarpfen ein beliebtes Statussymbol. Nur ein Kenner konnte wissen, wie wertvoll „Boy“ war, deswegen liegt es nahe, dass der Diebstahl von einem der Inselreichen in Auftrag gegeben wurde. Eigentlich braucht Allmen jetzt einen diskreten Menschen, der ihn in die High Society einführt. Er wendet sich an seinen Jugendfreund Freddy, doch der erweist sich als ziemlich unbeherrscht. Allmen und Carlos bilden sich schließlich zu Koikennern aus und ermitteln undercover …

Der sprachlich dichteste Allmen-Roman

Wer nur die Fernsehverfilmungen kennt, hat sicher eine andere Vorstellung der Allmen-Serie. Die Hauptfigur ist von Heino Ferch zwar nicht schlecht getroffen, aber die Drehbücher weichen doch zunehmend von den ruhigen Romanvorlagen ab. Gerade die letzte Verfilmung „Allmen und die Dahlien“ setzte vor allem auf Rasanz und Actionszenen, wohingegen Suter eigentlich Krimis in slow motion schreibt. Auch der Fokus dieses sechsten Bandes liegt nicht auf der äußeren Krimihandlung, sondern auf atmosphärisch dichten Beschreibungen der Inselwelt Ibiza. Lange Zeit lebte Suter auf Wohnsitzen in Ibiza und Guatemala und schrieb Romane über die Schweiz. Jetzt erst, nachdem er schon seit einigen Jahren wieder in Zürich lebt, erscheint sein erster Roman über Ibiza. In der Erinnerung verblassten die unwichtigen Details und nur das Wichtige bleibe bestehen, so hat er das kürzlich einmal begründet. Deswegen schreibe er nur über Dinge, die länger zurücklägen. Dieses Verfahren scheint ausgesprochen erfolgreich. „Allmen und der Koi“ ist der sprachlich bisher dichteste Allmen-Roman. Jede Beschreibung sitzt. Keine Szene ist zu viel und die Schlusspointe ist perfekt platziert. Besonders auf den Punkt geschrieben sind wieder einmal die Dialoge. Jede der knappen Dialogzeilen ist wie ein neuer Spielzug in einem sportlichen Wettkampf, der eine weitere Wendung bringt. Das zu lesen bereitet großes Vergnügen.

Die Figuren entwickeln sich weiter

Gut gefallen hat mir auch, wie sich die Figuren in diesem Band weiterentwickeln. Auf der Partyinsel Ibiza sieht sich Allmen mit dem Älterwerden konfrontiert. Sowohl Allmens Freund Freddy als auch ein Mann namens Vale, der auf Partys schon längst kein gern gesehener Gast mehr ist, sind nicht in Würde gealtert. Wird Allmen auch so enden? Und wie lange wird Carlos, der wesentlich Solidere, noch bei ihm bleiben? Auch Carlos verändert sich in diesem Band, zeigt sich wütender und selbstbewusster als bisher und entfernt sich damit ein Stück weit von seiner selbst auferlegten Dienerrolle.

Fazit

Dieser sechste Allmen-Band gefällt mir zusammen mit dem ersten Band der Reihe am Besten. Es handelt sich nur vordergründig um eine Kriminalgeschichte. Vor allem ist es ein sprachlich und atmosphärisch dichter Roman über das Älterwerden vor dem Hintergrund der Insel Ibiza mit ihren jugendlichen Partygängern und alternden Inselreichen.