Rezension von Mira
Inhalt
In dem Roman „Ach, Virginia“ rekonstruiert der Autor Michael Kumpfmüller die letzten 10 Tage der Virginia Woolf, bevor sie sich das Leben nahm. Die weltberühmte Autorin starb am 28. März 1941 in England, während in der Welt ein Krieg tobte.
Kumpfmüller erzählt von ihren schweren Depressionen, ihren Gedanken und Gefühlen und ihrem bewegten Leben in einer Art und Weise, die diese Geschichte trotz des so vorhersehbaren Endes bewegend und fesselnd macht. Hier ein Auszug einer Stelle des Romans, der mir inhaltlich wie sprachlich besonders gut gefallen hat:
„[…] Man glaubt, man hätte es in der Hand gehabt, sich für irgendein bestimmtes Leben zu entscheiden, und dann zeigt sich, dass das allermeiste von Anfang beschlossen war; so und nicht anders hat es kommen müssen, und wahrscheinlich ist es gut, dass es so gekommen ist, es ist unvermeidlich, und wovor muss man sich dann noch fürchten, wenn es unvermeidlich ist, im Grunde doch vor nichts.“ S.210,211
Man muss Virginia Woolf nicht gelesen haben
Der Autor porträtiert Woolf in einer Weise, die nicht zwingend Vorwissen bedarf, da wir an ihrer Seite die prägendsten Ereignisse Revue passieren lassen. Auch die Beziehung zu ihrem Ehemann Leonard wird thematisiert, ebenso wie Hintergründe und Begebenheiten einiger ihrer bekanntesten Texte. Man hat das Gefühl, man könne in den Kopf von Virginia schauen: man erlebt die
privatesten Emotionen und Gedanken, die sie nahbar machen; es ist, als ob man sie persönlich kennt.
Schreibstil erweckt sie zum Leben
Der Schreibstil von Kumpfmüller zieht in den Bann; unruhig, verschachtelt und sprunghaft scheint er den Gemütszustand von Virginia Woolf zu spiegeln und reist in den Gedanken der Schriftstellerin zurück zu wichtigen Momenten und Werken ihres Lebens.
Besonders durch die Erzählperspektive, bei der man gleichzeitig ihre Gefühle und Gedanken, aber auch sie von außen sieht, verschwimmt die Grenze zwischen Fiktion und Realität. Allerdings ist dieser Roman keine Lektüre für „zwischendurch“; man muss sich darauf einlassen können und konzentriert lesen, denn die verschachtelten Sätze und das Fehlen von Satzzeichen bei wörtlicher Rede sowie die mitunter sehr plötzlichen Gedankensprünge sind so manches Mal anspruchsvoll.
Fazit
Mir hat dieser Roman sehr gefallen. Er ist anders als alles, was ich bisher gelesen habe und nimmt die Lesenden mit auf eine
gedankliche Reise durch die Welt von Virginia Woolf. Der Schreibstil und der Aufbau des Romans unterstreichen das Wesen und die Krankheit der berühmten Autorin und beschönigen nichts. Dieser Roman ist für alle, die sich für das Leben von Virginia Woolf interessieren, die keine Angst vor thematisch sowie stilistisch anspruchsvolleren Geschichten haben und sich für tiefgründige Romane mit biografischen Zügen begeistern können.