In der Übersetzung von Alexander Pechmann

Rezension von Mona

Inhalt

„Die Liebschaften, Tragödien und Abenteuer, von denen man in einer stillen, altmodischen Provinzstadt hören kann, sind wundervoll, doch wenn man die Geschichten aus dem Leben von Herzen genießen möchte, muss man die Menschen, ihren Alltag und ihren Charakter studieren, muss nachdenken und am Beobachten einfacher Dinge Freude haben und eine angeborene feinsinnige Aufmerksamkeit für etwas mitbringen, das für andere Augen reizlos und langweilig sein mag.“ (S. 53)

Deephaven ist für mich eines dieser Bücher, die dich an die Hand nehmen und dir sagen, dass alles gut ist. Oder zumindest gut sein kann. Ein Buch wie eine sommerliche Umarmung.

Das liegt vermutlich daran, das unsere beiden Figuren, die aus der Großstadt kommen und sich dazu entschließen, ihren Sommer in der kleinen Küstenstadt Deephaven zu verbringen, einen so kindlich-herzlichen und unverbrauchten Blick auf ihre Umgebung und die Menschen haben. Sie sind so liebevoll, unbekümmert und neugierig, dass ich anfänglich dachte, unsere Freundinnen wären Kinder, aber tatsächlich stellt sich innerhalb des weiteren Verlaufs heraus, dass sie junge Erwachsene sind, die sich einfach sehr viel Gespür für Schönheit und Magie bewahrt haben und frei von Berührungsängsten sind.

Anzumerken sei, dass die Geschichte, oder viel mehr die Erzählungen 1877 spielen und auch dann veröffentlicht wurden. Und sie charakteristisch für viele literarische (vorallem weibliche) Vertreter dieser Epoche ist, die die Naturverliebtheit in den Fokus setzen und zwischenmenschliche Beziehungen portaitieren sowie Vorurteile und daraus resultierende Probleme darstellen. Zwar ist dieses Werk in Hinblick auf gesellschaftliche und zwischenmenschliche Konflikte nicht unbedingt mit den anderen vergleichbar, denn Konflikte gibt es hier einfach kaum, dennoch wird sich Deephaven aufgrund seiner Naturbeschreibungen, seiner Herzlichkeit und dem Gefühl, das es hinterlässt, zu meinen Lieblingsbüchern dieser Epoche gesellen dürfen, Büchern von Louisa May Alcott, Lucy Maud Montgomery und Frances Hodgson Burnett.

Setzt man das Buch in einen zeitgenössischen Kontext, so mögen manche Aussagen heutzutage vielleicht nicht mehr weltverändernd oder sehr innovativ wirken, waren damals aber sicher ein erstrebenswerter und versöhnlicher Blick auf die Welt und aufgrund dessen liest es sich erstaunlich modern, daher zeitlos.

„Weißt du, dass ich kürzlich etwas besser verstanden habe, dass Glück und Erfolg nicht zufällig zu uns kommen, sondern dass wir uns dafür entscheiden? Mir ist klar, dass unser Sommer hier ebenso gut langweilig hätte ausfallen können. Natürlich liegt es an uns, wenn die Ereignisse unseres Lebens uns belasten, wir selbst machen sie zu etwas Gutem oder etwas Schlechtem. Manchmal ist es eine bewusste Entscheidung, aber öfter ist es unbewusst.“ (S. 191)

Im Subtext wurde für mein Gespür auch eine gleichgeschlechtliche Verliebtheit angedeutet, ohne sie auszusprechen oder gar zu werten. Diese aber von nur einem Blickwinkel ausgehend, denn erzählt wird die Geschichte von Helen, die eine bewundernde und faszinierte Sichtweise auf ihre Freundin Kate und all ihre gemeinsamen Erlebnisse sowie die Einheimischen Deephavens hat. Helen selber jedoch bleibt vollkommen blass, ist die erstaunte und bewegte, deshalb nicht ganz neutrale, Erzählerin.

Helen und Kate sind außerdem zwei junge Frauen, die sich nicht scheuen, hart zu arbeiten und sich dreckig zu machen. Auch das macht sie, als großstädtische junge Frauen der 1877er Jahre, die sich gleichermaßen für Teegesellschaften und Bücher, wie für die urigen Geschichten Deephavener Seemänner begeistern können, einzigartig und fortschrittlich.

Der Autorin ist es gefühlt auch sehr wichtig, einen Ort zu kreieren, der so unversehrt wie möglich ist. Zwar werden ganz vereinzelt auch dramatische Ereignisse angerissen, die sich in Deephaven ereignet haben, aber diese werden in der Regel nicht auserzählt und brechen nicht mit der Idealisierung der Ortschaft. Diese Romantisierung könnte man sicherlich auch kritisch sehen, aber letztendlich ist es die Schilderung eines unbekümmerten Sommers zweier Mädchen, die das erste Mal frei leben. Es ist sicherlich auch ein privilegierter Standpunkt aus, von dem die Erzählungen und Erlebnisse ausgehen, aber diesen einen Sommer, oder diesen einen Urlaub, in dem alles gut und schön war, haben die meisten sicherlich einmal erlebt. Und es spricht nichts dagegen, sich dieses Gefühl zu bewahren.