Übersetzt aus dem Englischen von Astrid Finke

Rezension von Mona

„Sechzehnte Person. Und du. Wer bist du? Wer ist es, für den ich schreibe? Bist du ein Reisender, der Gezeiten überlistete und eingestürzte Fußböden überquerte und verfallene Treppen überwand, um diese Säle zu erreichen?“ (S. 22 – 23)

Inhalt

Selten habe ich ein Buch gelesen, das zwar eine zufriedenstellende und plausible Auflösung enthält, das aber dennoch dermaßen zum Nachdenken und Philosophieren einlädt, als hätte die Autorin ihre Leser letztendlich doch im Dunkeln gelassen.

Susannah Clark wirft uns mitten hinein in eine Welt, die anfänglich absolut unerklärlich ist. Wir folgen Piranesi durch seine Welt. Seine Welt, das ist ein enormes altes Haus, mehrstöckig, mit riesigen Sälen, die aneinandergrenzen. Seine Welt sind Statuen und die Gebeine von ehemaligen Bewohnern dieser Welt, die Piranesi allerdings nur als Überreste kennt und ihnen als solchen huldigt. Piranesis Welt wird regelmäßig überschwemmt, das Meer tritt in das unterste Geschoss und lässt Muscheln und anderes Getier zurück, sowie Nützliches. Woher diese Gegenstände kommen, fragt Piranesi sich nicht, es sind einfach Bestandteile seiner Welt.

„Es ist meine Überzeugung, dass Die Welt (oder, wenn man es so will Das Haus, da die beiden ja de facto identisch sind) sich einen Bewohner wünscht als Zeugen ihrer Schönheit und Empfänger ihrer Gnade.“ (S. 252)

Es gibt einen anderen lebendigen Menschen in dieser Welt. Einen weisen alten Mann, so scheint es, der Piranesi wohlgesonnen ist, ihm bei der Erforschung seiner Welt und dem Wissen um dieser hilft und ihn gelegentlich mit Lebensmitteln und nützlichen Dingen versorgt. Piranesis einziger Freund. Dieser warnt ihn vor einer drohenden Gefahr. In der Welt scheint es einen weiteren lebenden Menschen zu geben, der sowohl seinem Freund, als auch ihn angreifen will. Doch Piranesi gelingt es nicht, sich der Faszination dieser Gefahr zu entziehen. Allmählich entblättern sich das Mysterium um das Haus und unseren Protagonisten und lassen den Leser erstaunt zurück.

Wie anfänglich beschrieben, gibt es eine eindeutige Auflösung zu dieser Geschichte und die ist auch überhaupt nicht unbefriedigend. Was das Buch allerdings viel spannender macht, ist nicht den Knoten zu lösen, sondern die Alltagsgedanken eines Menschen zu hören, der fast komplett allein in einer Welt lebt, die sehr karg und trist ist und nur gelegentliche Erschütterungen bietet. Susannah Clark bietet hier so viel philosophischen Stoff, wie ich ihn selten in Unterhaltungsliteratur gelesen habe, zumal man das Buch ja nicht als solches lesen muss. Man kann es auch einfach mit der Motivation lesen, das Rätsel zu lösen und wird damit ebenso gut unterhalten werden und ein rundum gelungenes Leseerlebnis haben.

Fazit

Für mich war „Piranesi“ ein absolutes Highlight und bereits das dritte Buch aus dem Blessing Verlag im Jahr 2020, das mich komplett begeistert hat.